VwGH 90/13/0122

VwGH90/13/012230.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. CXerne, über die Beschwerde des K gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. März 1990, Z1. GA 5-1532/90, betreffend Rückzahlung von Lohnsteuer für das Jahr 1986, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §67 Abs8;
EStG 1972 §68 Abs1;
EStG 1972 §67 Abs8;
EStG 1972 §68 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers bezahlte diesem (aufgrund einer unrichtigen Interpretation des Kollektivvertrages) jahrelang zu geringe Überstundenzuschläge. Nach Aufklärung des Irrtums kam es im Jahr 1986 zu einer Nachzahlung der Zuschläge für die letzten drei Jahre im Gesamtausmaß von S 118.271,80. Die Nachzahlung wurde als sonstiger Bezug unter Beachtung der Bestimmungen des § 67 Abs. 1 und Abs. 2 EStG versteuert.

Der Beschwerdeführer beantragte in der Folge (ohne nähere Begründung) die Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, eine Besteuerung nach § 67 Abs. 8 EStG setze voraus, daß die Nachzahlung nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhe. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn der Arbeitgeber aus anderen als objektiven Gründen die Lohnzahlung verzögere.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die Nachzahlung hätte in der Weise versteuert werden müssen, "daß jene Zuschläge, die unter der Grenze von S 5.070,-- pro Monat lagen, steuerfrei geblieben wären und der darüber hinausgehende Betrag mit dem Belastungsprozentsatz zu versteuern gewesen wäre".

Die belangte Behörde wies die Berufung ab und begründete dies im wesentlichen mit dem Argument des Finanzamtes, daß die Nachzahlung auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhe. Eine solche liege auch vor, wenn die Nachzahlung auf eine nichtordnungsgemäße Lohnverrechnung zurückzuführen sei. Dem Arbeitgeber sei es nämlich als Verschulden anzulasten, wenn er nicht für eine ausreichende Schulung.seines Lohnverrechnungspersonales sorge.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 8 EStG sind u.a. Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden und sonstigen Bezügen für abgelaufene Kalenderjahre, die neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber geleistet werden und nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, mit dem Steuersatz zu besteuern, der tarifmäßig dem letzten laufenden Arbeitslohn entspricht (= sogenannter Belastungsprozentsatz).

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß im Beschwerdefall eine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes vorliege, weil dem Arbeitgeber bzw. seinem mit der Lohnverrechnung betrauten Personal ein Irrtum betreffend die richtige Ermittlung von kollektivvertraglich vorgesehenen Überstundenzuschlägen unterlaufen sei.

Der Gerichtshof teilt diese Auffassung nicht. Der Begriff "willkürlich" kann nicht mit dem Begriff "schuldhaft" gleichgesetzt werden. Von einem willkürlichen Verhalten kann gesprochen werden, wenn es auf ein bewußtes Wollen oder Nichtwollen zurückzuführen ist. Unterliegt daher ein Arbeitgeber bezüglich seiner Lohnauszahlungsverpflichtung einem Irrtum, so liegt, selbst bei fahrlässigem und damit schuldhaftem Verhalten, ein Willensmangel vor, der Willkür ausschließt.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich der Gerichtshof veranlaßt darauf hinzuweisen, daß ein Aufrollen von Lohnzahlungszeiträumen gemäß § 67 Abs. 8 zweiter Unterabsatz EStG gesetzlich nur vorgesehen ist, wenn eine Nachzahlung Arbeitslohn für das laufende Kalenderjahr betrifft. Die Feststellung, ob nachgezahlte Überstundenzuschläge deswegen steuerfrei sind, weil sie den monatlichen Freibetrag von S 5.070,-- gemäß § 68 Abs. 1 EStG nicht übersteigen, setzt eine Aufrollung einzelner Lohnzahlungszeiträume voraus, weil sie eine steuerlich relevante Zuordnung von Lohnbestandteilen auf die einzelnen Lohnzahlungszeiträume erforderlich macht. Sie ist daher bei Nachzahlungen für vergangene Kalenderjahre nicht vorzunehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der für solche Fälle vorgesehene Belastungsprozentsatz undifferenziert auf alle nachgezahlten Lohnbestandteile anzuwenden ist, somit auch auf solche, die bei Aufrollung einzelner Lohnzahlungszeiträume möglicherweise steuerfrei gewesen wären. Für diese Auslegung spricht auch der Umstand, daß der Belastungsprozentsatz ausdrücklich auch auf die Nachzahlung von sonstigen Bezügen anzuwenden ist, bei denen es ebenfalls möglich wäre, daß sie bei Aufrollung vergangener Lohnzahlungszeiträume entweder steuerfrei blieben oder wesentlich geringer besteuert würden als dem Belastungsprozentsatz entspricht. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß der Ansatz des Belastungsprozentsatzes eine bei Aufrollung von vergangenen Lohnzahlungszeiträumen ebenfalls mögliche Besteuerung von Nachzahlungen mit einem progressionsbedingt höheren Prozentsatz vermeidet. Damit wird der pauschalierende Charakter des Belastungsprozentsatzes deutlich, bei dessen Anwendung im Einzelfall manche nachgezahlten Lohnbestandteile geringer, manche aber auch höher besteuert werden, als dies bei Aufrollung der betreffenden Lohnzahlungszeiträume der Fall wäre. Für eine differenzierende, vom einheitlich anzuwendenden Belastungsprozentsatz abweichende Besteuerung, wie sie dem Beschwerdeführer vorschwebt, bietet das Gesetz keine Handhabe. Ausgenommen von diesen Erwägungen wären lediglich steuerfreie Lohnbestandteile, die ohne Rücksicht auf die Höhe anderer Lohnbestandteile und ohne Rücksicht auf die Modalitäten der Auszahlung bzw. Gewährung steuerfrei sind, wie dies z.B. bei einigen der in § 3 EStG aufgezählten Steuerbefreiungen der Fall ist. Die Entscheidung über die Kosten in beantragter Höhe gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

W i e n, am 30. Jänner 1991

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte