VwGH 90/10/0203

VwGH90/10/02031.7.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der T Aktiengesellschaft, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 28. September 1990, Zl. 18.322/07-IA8/90, betreffend Rodungsbewilligung (65 mitbeteiligte Parteien) zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z7;
ForstG 1975 §18 Abs2;
ForstG 1975 §18 Abs3;
ForstG 1975 §19 Abs9;
VwRallg;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §174 Abs1 lita Z7;
ForstG 1975 §18 Abs2;
ForstG 1975 §18 Abs3;
ForstG 1975 §19 Abs9;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 19.430,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 5. Juli 1988 wurde gemäß §§ 17 und 18 des Forstgesetzes 1975 in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576 (im folgenden: FG), der Beschwerdeführerin nachträglich die Bewilligung zur dauernden Rodung von Teilflächen der angeführten Waldgrundstücke zum Zwecke der Errichtung der Tauernautobahn-Scheitelstrecke Abschnitt X unter insgesamt 19 Vorschreibungen erteilt.

In der dagegen erhobenen Berufung bekämpfte die Beschwerdeführerin die Vorschreibungen 3 bis 19.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft änderte mit dem Bescheid vom 28. September 1990 den unterinstanzlichen Bescheid insofern ab, als dessen Vorschreibungen 3 bis 19 durch die nachstehenden ersetzt wurden:

"1. SCHNEERÄUMUNG:

a) Folgende Brückenabschnitte sind vom Schnee durch Abtransport zu räumen:

km 118,1 - km 118,5 (bergseitig)

km 118,35 - km 118,45 (talseitig)

km 120,1 - km 120,6 (bergseitig)

km 120,3 - km 121,2 (talseitig)

km 127,3 - km 127,55 (bergseitig)

b) Auf folgenden Brückenabschnitten ist der Schneeabwurf nach Bestandesüberführung oder -umwandlung (lit. c-e) erlaubt: km 118,45 - km 119,1 (talseitig) km 121,2 - km 121,45 (talseitig)

c) Allmähliche Überführung oder erforderlichenfalls Umwandlung des derzeit stockenden forstlichen Bewuchses in den Bereichen gem. lit. b bis zu 100 m talseitig der Autobahntrasse, wo Schäden aufgrund des Schneeabwurfes auftreten, in einen niederwaldartigen Bestand, wobei besonders das Aufkommen von widerstandsfähigeren Baumarten wie Erle, Birke und Weide zu forcieren ist. Von der TAAG ist eine entsprechende Einigung mit den Grundeigentümern anzustreben. Die Kosten für derartige Bestandesumwandlungen (einschließlich vermögensrechtlicher Nachteile) sind von der TAAG zu tragen.

d) Der Nachfolgebestand gem. lit. c muß außer der gewünschten Widerstandsfähigkeit gegen Schneeabwurf die erforderlichen Schutzfunktionen (Verhinderung von Abrutschungen und Erosionen sowie von Lawinenabgängen und Steinschlägen) erfüllen.

e) Zur Erreichung der unter Punkt d) angeführten Ziele sind die Maßnahmen gemäß Punkt c) im Einvernehmen mit der örtlich zuständigen Forstbehörde durchzuführen.

2. WASSERABLEITUNG:

a) Von den Hangbrücken L 22, L 23/25, L 26, L 28, L 31/1,

L 32 und L 34 sind die Oberflächenwässer - soweit durch die Wasserableitung darunterliegende Waldbestände betroffen werden - mittels Rohrleitungen abzuleiten und das abgeleitete Wasser für die darunterliegenden Waldbestände unschädlich in einen Vorfluter einzuleiten.

b) Die Brückenbereiche L 22, L 23/25 und L 32 sind mit der Dringlichkeitsstufe I zu verrohren, im Brückenbereich L 31/1 sind die Einmündungen der Seitengerinne in die abführenden Hauptgerinne mit Dringlichkeitsstufe I und die nicht ausreichende Verrohrung mit Dringlichkeitsstufe II zu verbessern, die Brückenbereiche L 26, L 28 und L 34 sind mit Dringlichkeitsstufe II zu verrohren.

c) Im Bereich der Parzellen Nr. 581/3 und 581/2, KG K, ist im Bereich der Pfeiler 13, 14 und 15 der L 23 die Wasserableitung mittels Verrohrung von der Brücke so durchzuführen, daß das abgeleitete Wasser in das Halbschalengerinne entlang dieser Pfeiler eingeleitet wird und in der Folge in das Trapezgerinne, welches von der Wildbach- und Lawinenverbauung errichtet wurde, gelangt.

d) Auf Parzelle Nr. 1375/4, KG T, ist das Halbschalengerinne so instandzusetzen und zu sanieren, daß kein Wasser in die darunterliegenden Waldparzellen gelangen kann.

3. WEGSANIERUNG:

Der Weg auf den Parzellen Nr. 2/2, 3/1 und 4/1, alle KG L, ist so zu sanieren, daß keine weiteren Absitzungen des Wegplanums auftreten.

4. ANRAMPUNG DER LIESER:

Zur Ermöglichung der Holzbringung aus den Waldparzellen Nr. 820, 819, 817, 816, 815, 814 und 813, KG K, ist - soweit hiefür die wasserrechtliche Bewilligung erteilt wird - an der Lieser eine Anrampung zu errichten, um das Überqueren der Lieser bei Niedrigwasser mittels Traktor zu ermöglichen.

5. HOLZBRINGUNG:

a) Die forstliche Bringung unter der Hangbrücke (Objekt L 22) hindurch ist im Bereich der Parzellen Nr. 817, 816, 815, 814, 813 und 812/1, alle KG K, den Grundeigentümern nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu gestatten.

b) Die Holzbringung aus Parzelle Nr. 786/18, KG K, über den bestehenden Weg zwischen den Brückenpfeilern 23 und 26 der L 22 ist den Grundeigentümern nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu gestatten.

c) Die Holzbringung über den "Kabuschweg L 22" zur Betriebsumkehr ist dem Oberlieger (Parzelle Nr. 786/18) nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu gestatten.

d) Die Bringung im Bereich der Parzellen Nr. 363/6 und 363/2, KG E, über den bestehenden Güterweg ist dem Grundeigentümer nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu gestatten (insoweit Grundstücke der Republik Österreich berührt werden).

e) Im Bereich der Parzellen Nr. 803/1, 803/8 und 802/1, KG K, ist die Bringung unter der Autobahnbrücke hindurch nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu gestatten.

f) Die Bringung aus Parzelle Nr. 25/3, KG L, über den dort bestehenden Weg in Richtung Norden ist dem Grundeigentümer nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu gestatten (soweit Grundstücke der Republik Österreich berührt werden).

g) Die Holzbringung aus den Parzellen Nr. 1/1 und 1/5, KG L, über den Weg vom Sportplatz E in Richtung Gmünd ab Pfeiler 15 ist nach den Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes 1971 zu gestatten.

6. SONSTIGES:

Für die Erschließung der Parzellen Nr. 34/1, 24/2, 24/3, 41/1 und 41/2, alle KG K, ist von der Rodungswerberin ein Kostenbeitrag zu leisten."

In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, die nunmehrigen Vorschreibungen berücksichtigten zwischenzeitig eingetretene Änderungen. Von der Beschwerdeführerin seien - mit Ausnahme der Punkte 2a und b - gegen die Vorschreibungen keine Einwendungen erhoben worden. Der unter Punkt 6 angeführte Kostenbeitrag sei von der Beschwerdeführerin für die Erschließung der dort genannten Grundstücke zugesichert worden. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin sei auch die Vorschreibung der schadlosen Ableitung von Niederschlagswässern zulässig, weil diese Maßnahme im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. c FG zur Hintanhaltung nachteiliger Auswirkungen für die umliegenden Wälder geeignet und notwendig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt wird. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet und die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Auch von den unter

22. und 55. genannten mitbeteiligten Parteien sind Stellungnahmen zur Beschwerde eingelangt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 18 Abs. 1 FG bestimmt:

"(1) Die Rodungsbewilligung ist erforderlichenfalls an Bedingungen zu binden und mit Auflagen zu versehen, durch welche gewährleistet ist, daß die Walderhaltung über das bewilligte Ausmaß hinaus nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere sind danach

a) ein Zeitpunkt festzusetzen, zu dem die Rodungsbewilligung erlischt, wenn der Rodungszweck nicht erfüllt wurde,

b) die Gültigkeit der Bewilligung an die ausschließliche Verwendung der Fläche zum beantragten Zweck zu binden und

c) Maßnahmen vorzuschreiben, die zur Hintanhaltung nachteiliger Wirkungen für die umliegenden Wälder oder zum Ausgleich des Verlustes an Waldfläche (Ersatzaufforstung) geeignet sind."

§ 18 Abs. 2 FG trifft Regelungen für die "die Ersatzaufforstung betreffende Vorschreibung". Nach Abs. 3 kann die Behörde, sofern "eine Vorschreibung gemäß Abs. 2" nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Entrichtung eines Geldbetrages vorschreiben. Die Absätze 4 und 6 ermöglichen es der Forstbehörde, die Rodungsbewilligung zu befristen, mit der Auflage der Wiederbewaldung zu versehen und eine Sicherungsleistung vorzuschreiben.

Nach dem Beschwerdevorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten durch die mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Vorschreibungen verletzt. Sie bringt dazu vor, diese Vorschreibungen fänden keine Deckung im Gesetz, weil mit ihnen nicht negative Auswirkungen auf den angrenzenden Wald, die sich aus der Rodung selbst ergeben, hintangehalten, sondern ausnahmslos andere Ziele verfolgt würden. Bereits dieses Vorbringen erweist die Beschwerde als berechtigt.

Vorweg sei darauf hingewiesen, daß im Gegensatz zur Behauptung der Beschwerdeführerin der Ausdruck "Vorschreibungen" im Gesetz selbst wiederholt verwendet wird (vgl. etwa § 18 Abs. 2 und 3 sowie § 174 Abs. 1 lit. a Z. 7); es handelt sich hiebei offensichtlich um den Überbegriff über die in § 18 FG vorgesehenen Nebenbestimmungen.

Im Rodungsverfahren sind nur die Auswirkungen, die sich aus der Rodung selbst ergeben, zu berücksichtigen; die Gefahren, Nachteile und Einwirkungen (Immissionen) des auf der Rodungsfläche geplanten Projekts auf den umgebenden Wald sind nicht Gegenstand des Rodungsverfahrens (vgl. zur diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes neben seinem in der Beschwerde erwähnten Erkenntnis vom 6. April 1987, Zl. 87/10/0039 - Rechtssatz in Slg. 12435/A abgedruckt -, das Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/10/0001, mit weiteren Hinweisen). Der gegenteilige Standpunkt der belangten Behörde findet entgegen ihrer Meinung im Wortlaut des § 18 FG keine Stütze.

Die Vorschreibungen des angefochtenen Bescheides haben ganz augenscheinlich zum Ziel, den nachteiligen Auswirkungen des auf der Rodungsfläche verwirklichten Projektes auf den Bestand und die Bewirtschaftung des umgebenden Waldes entgegenzuwirken. Hiebei konnte sich die belangte Behörde, wie dargetan, nicht auf die Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 über die Rodungsbewilligung stützen. Sie hat daher insoweit die Rechtslage verkannt.

Daran vermag auch das Vorbringen in der Gegenschrift zu Punkt 6 der Vorschreibungen nichts zu ändern, es handle sich hiebei um eine einseitige Verpflichtungserklärung der Beschwerdeführerin, deren Zulässigkeit sich aus § 19 Abs. 9 FG ergebe, weil nach dieser Bestimmung die Behörde im Falle der Erhebung zivilrechtlicher Einwendungen auf eine gütliche Einigung der Parteien hinzuwirken und bei deren Nichtzustandekommen die Parteien auf den Zivilrechtsweg zu verweisen habe. Richtig ist zwar, daß es der Behörde keineswegs verwehrt ist, zivilrechtliche Vereinbarungen der Parteien im Bescheid festzuhalten (in der Begründung). Etwas anderes ist es aber, diese Vereinbarungen zum Gegenstand einer Vorschreibung zu machen. Denn dadurch würde ihr rechtlicher Charakter geändert, entstünde doch durch eine solche bescheidmäßige Vorschreibung eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Bewilligungsinhabers, deren Nichtbeachtung den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bildete (§ 174 Abs. 1 lit. a Z. 7 FG). Dafür fehlt es aber an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung.

Aus den dargelegten Gründen ist der angefochtene Bescheid - ohne daß es noch eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 hier anzuwenden ist. Von diesem Betrag entfallen auf Stempelgebühren S 8.310,-- (S 8.040,-- für die 67 Beschwerdeausfertigungen, S 120,-- für die Vollmacht und S 150,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides).

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