Normen
ApG 1907 §29 Abs1;
ApG 1907 §29 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 27. Juni 1989 erteilte der Landeshauptmann von Steiermark dem beschwerdeführenden praktischen Arzt die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in A im wesentlichen mit der Begründung, daß die kürzeste Straßenverbindung zwischen seiner Ordination und der öffentlichen Apotheke des Mitbeteiligten in C
6,05 Straßenkilometer betrage (im folgenden: vierte Straßenverbindung). Dabei wurde berücksichtigt, daß die Gemeinde A im Verlauf von zwei kürzeren Durchfahrtsstraßen von A nach C (erste und zweite Straßenverbindung) je ein Teilstück zu Wohnstraßen im Sinne des § 76 b Abs. 1 StVO erklärt hatte.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung, in der er unter anderem die Behauptung aufstellte, es gebe noch eine weitere, nur 5,4 km lange (dritte) Verbindung zwischen Ordination und Apotheke, nämlich die Strecke: Ordination - Feuerwehrhaus A - Sportplatz - D-Wald - B n1 - C, die ganzjährig befahrbar sei.
1.2. Mit Bescheid vom 20. September 1989 gab der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst der Berufung des Mitbeteiligten gemäß § 29 Abs. 1, § 51 Abs. 3 und § 53 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG), Folge und wies den Antrag des beschwerdeführenden Arztes ab.
In der Begründung dieses Bescheides wird auf den im Berufungsverfahren erstatteten Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 1. September 1989 Bezug genommen. Der Beschwerdeführer habe dort ausgeführt, auf der einen - an sich weniger als 6 km langen - (ersten) Straßenverbindung sei die zunächst befristete Wohnstraßenerklärung im Dorf A durch Verordnung des Gemeinderates von A vom 12. Mai 1989 unbefristet mit der Maßgabe verlängert worden, daß im Winter bei Schnee und Eis auf der Ortsumfahrungsstraße (bei deren Benützung die Wegstrecke laut Bescheid des Landeshauptmannes mehr als 6 Straßenkilometer betrage) "aus Sicherheitsgründen die Durchfahrt durch das Ortsgebiet" gestattet sei. Weiters habe der Beschwerdeführer berichtet, daß die vom Mitbeteiligten in der Berufung aufgezeigte kürzere (dritte) Straßenverbindung durch den D-Wald im Winter nicht vom Schnee geräumt werde.
Es ergebe sich sohin, daß die maßgebliche Entfernung zwischen Ordination und öffentlicher Apotheke auf drei ganzjährig benützbaren Straßen weniger als 6 km betrage.
Zwei dieser Straßen habe die Gemeinde A durch Wohnstraßenstrecken unterbrochen, sodaß nur eine Durchfahrt mittels Fahrrädern - wie sie in ländlichen Gebieten häufig verwendet würden - gestattet sei, während die dritte Straßenverbindung (A - D über den Waldweg - B n1 - C) rechtlich ganzjährig benützbar sei. Im Winter sei nach dem Bericht der Bezirkshauptmannschaft F die Schneeräumung allerdings nicht gesichert. Dieser Mangel werde dadurch ausgeglichen, daß die im Zuge der ersten kürzeren Straßenverbindung gelegene Wohnstraßenstrecke auf dem Kirchplatz von A bei Schnee und Eisfahrbahn aufgelassen werde, wie dies im § 2 der Verordnung des Gemeinderates vom 12. Mai 1989 ausdrücklich vorgesehen sei. Für diesen Fall werde diese sonst durch die Wohnstraßenstrecke unterbrochene, weniger als 6 km betragende erste Straßenstrecke über X (ergänze: rechtlich für den Durchzugsverkehr) benützbar. Im übrigen sei der Straßenerhalter verpflichtet, für die Benützbarkeit der Straße Sorge zu tragen. Das gesetzliche Erfordernis einer mehr als 6 Straßenkilometer betragenden Entfernung der Ordination zur nächsten öffentlichen Apotheke sei somit nicht gegeben.
Im übrigen lägen die Voraussetzungen für die Wohnstraßenerklärung bei der Ortsdurchfahrt durch D - auch diese über D führende (zweite) Straßenverbindung wäre an sich weniger als 6 Straßenkilometer lang - gemäß § 76 b Abs. 1 StVO nicht vor. Weder die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs, insbesondere des Fußgängerverkehrs, noch die Entflechtung des Verkehrs noch die Länge, Widmung oder Beschaffenheit eines Gebäudes oder Gebietes erforderten es, daß die Gemeindestraße D vom Haus D Nr. 21 bis zum Haus D Nr. 34 dauernd oder zeitweilig zu einer Wohnstraße erklärt werde. Da jedoch die obgenannte dritte Straßenverbindung über den D-Wald, die nur 5,4 km lang sei, in der schneefreien Zeit und die 5,5 km lange (erste) Strecke über den Kirchplatz und X im Winter zur Verfügung stehe, könne von einem Antrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 B-VG zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Wohnstraßen-Verordnung D abgesehen werden.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde habe ohne ausreichendes Ermittlungsverfahren, trotz des entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, eine Straßenverbindung der Entfernungsmessung zugrundegelegt, die in Wirklichkeit mit Fahrzeugen nicht befahrbar sei. Die (dritte) Straßenverbindung durch den D-Wald sei zum Teil durch die Verordnung der Gemeinde A vom 3. März 1987 aufgelassen worden; diese Straßen würden auch nicht mehr erhalten. Die Wegstecke sei nur mit Traktoren oder geländegängigen Fahrzeugen von März bis Oktober befahrbar. Wegen des Laubes im Herbst und der Schneelage im Winter sei in dieser Zeit eine Befahrbarkeit nicht gegeben. Auf dieser ehemaligen Straßenverbindung solle nun ein Radweg von der Gemeinde A errichtet werden. Auch sei der belangten Behörde insoweit ein Irrtum unterlaufen, als nicht eine Unbefahrbarkeit dieser aufgelassenen Straße, sondern eine Unbenützbarkeit der Ortsumfahrungsstraße infolge Schnee- und Eisfahrbahn dazu führe, daß die mit Verordnung vom 12. Mai 1989 im Dorfgebiet von A eingerichtete Wohnstraße vorübergehend durchfahren werden dürfe.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 29 Abs. 1 ApG lautet:
"Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilomter entfernt ist."
2.2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. März 1988, Zl. 87/08/0244 = ZfVB 1988/5/1738 (unter Bezugnahme auf ein weiteres Erkenntnis vom 17. März 1988, Zl. 87/08/0330 = ZfVB 1988/5/1739), ausgesprochen hat, sind die im § 29 Abs. 1 ApG genannten "Straßenkilomter" auf einer Straße zu messen, die grundsätzlich ganzjährig und nicht auf die Anrainer beschränkt dem Kraftfahrverkehr dient.
Was der Verwaltungsgerichtshof dort für die Beschränkung des Verkehrs auf den Anliegerverkehr (Fahrverbot mit Zusatztafel "Anrainer ausgenommen") ausgesprochen hat, hat die belangte Behörde in ihrem Bescheid auch für Wohnstraßen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 a StVO, das ist eine für den Fußgänger- und beschränkten Fahrzeugverkehr gemeinsam bestimmte und als solche gekennzeichnete Straße, angenommen. Denn gemäß § 76 b Abs. 1 StVO ist in Wohnstraßen der Fahrzeugverkehr verboten; ausgenommen davon sind der Fahrradverkehr, das Befahren mit Fahrzeugen des Straßendienstes und der Müllabfuhr sowie das Befahren zum Zwecke des Zu- und Abfahrens. Die belangte Behörde hat daher - ausgehend von den durch die Wohnstraßenverordnungen für den Durchzugsverkehr unterbrochenen beiden kürzeren (ersten und zweiten) Straßenverbindungen zwischen Ordination und öffentlicher Apotheke - die Beurteilung der Entfernung auf die sogenannte dritte Verbindungsstrecke (Ordination - Feuerwehrhaus A - Sportplatz - D-Wald - B n1 - öffentliche Apotheke in C) gestützt.
2.2.2. Dabei hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der zuletzt genannten Wegstrecke lediglich festgestellt, daß die Schneeräumung im Winter nicht gesichert sei. Diese Tatsache hält sie allerdings aus zwei Gründen nicht für relevant: Erstens weil der Straßenerhalter verpflichtet sei, für die Benützbarkeit der Straße Sorge zu tragen, zweitens weil nach der Wohnstraßenverordnung vom 12. Mai 1989 bei Schnee- oder Eisfahrbahn das Fahrverbot auf der Wohnstraßenstrecke in A (erste Straßenverbindung) aufgehoben sei. Nicht auseinandergesetzt hat sie sich hingegen mit der Behauptung des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 1. September 1989, daß die Wegstrecke durch den D-Wald mit Beschluß der Gemeinde A (nach der Beschwerdebehauptung mit Verordnung des Gemeinderates vom 3. März 1987) als Gemeindestraße aufgelassen worden sei, daß der Weg "fast nur mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen, vorallem im Winter oder bei Schlechtwetter (Regen) zu befahren ist" und daß keine Erhaltungs- und Schneeräumungsarbeiten durchgeführt würden. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen vielmehr nur verkürzt dahin wiedergegeben, daß diese (dritte) Straßenverbindung durch den D-Wald im Winter nicht vom Schnee geräumt werde. Angesichts dieser konkreten Behauptungen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, die nicht nur auf die Unbefahrbarkeit bei Schnee- und Eisfahrbahn abstellen, wäre festzustellen gewesen, ob diese Strecke bzw. ein Teil hievon im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch als Gemeindestraße bestand oder als solche bereits aufgelassen war, ob auch die Widmung als Straße für den öffentlichen Verkehr noch aufrecht oder ebenfalls aufgehoben war und ob die Widmung und/oder der Erhaltungszustand einen allgemeinen Kraftfahrverkehr erlaubte oder den Kraftfahrverkehr auf landwirtschaftliche und geländegängige Fahrzeuge oder in sonstiger Weise einschränkte, letzterenfalls auch in welchem zeitlichen Ausmaß während des Jahres.
Da die belangte Behörde Feststellungen dieser Art nicht getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid schon aus diesem Grund (und ohne daß in diesem Verfahrensstadium auf die Rechtmäßigkeit der Wohnstraßen-Verordnungen eingegangen werden müßte) mit einem wesentlichen Feststellungsmangel belastet.
2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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