Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die (im Devolutionsweg angerufene) belangte Behörde als Einspruchsbehörde festgestellt, daß die erstmitbeteiligte Partei auf Grund ihrer Tätigkeit bei der zweitmitbeteiligten Partei ab 11. Jänner 1980 nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG unterliege. Die belangte Behörde ist dabei - nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage - von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
Am 12. Oktober 1979 sei zwischen der Zweitmitbeteiligten und der Erstmitbeteiligten ein Werkvertrag abgeschlossen worden, der die von der Erstmitbeteiligten im Bürohaus der Zweitmitbeteiligten durchzuführenden Reinigungsarbeiten zum Inhalt habe. Neben der Auflistung der einzelnen Arbeiten enthalte der Vertrag noch eine Absprache über ein monatliches Bruttoentgelt von S 7.000,--, wertgesichert auf der Basis der generellen Gehaltsänderungen der Zweitmitbeteiligten. Hinsichtlich der Arbeitszeit enthalte der Vertrag lediglich die Auflage, die täglich zu erbringenden Arbeit so einzuteilen, daß dadurch keine Störung des Geschäftsbetriebes eintrete. Die zur Durchführung der vereinbarten Leistungen erforderlichen Geräte, Werkzeuge und Materialien würden von der Zweitmitbeteiligten zur Verfügung gestellt. Auf Grund der mit der Erstmitbeteiligten am 19. Dezember 1987 bei der Beschwerdeführerin und am 7. Dezember 1988 beim Amt der Tiroler Landesregierung aufgenommenen Niederschriften ergebe sich folgendes Bild: Bei Durchführung der ihr übertragenen Reinigungsarbeiten sei die Erstmitbeteiligte häufig von ihrem Ehegatten unterstützt worden, der sie auch im Urlaub vertreten habe. Bestimmte Arbeiten, wie insbesondere die Fensterreinigung, seien stets von ihrem Ehegatten bzw. einem Kollegen ihres Ehegatten erledigt worden. Im Falle gleichzeitiger Abwesenheit der Eheleute seien die notwendigen Arbeiten von einem im Bescheid näher bezeichneten Ehepaar besorgt worden. Die Vertretung der Erstmitbeteiligten sei jeweils ohne vorherige Rücksprache mit der Zweitmitbeteiligten erfolgt, diese sei nur vor der Abwesenheit von der Tatsache der Vertretung in Kenntnis gesetzt worden. Aus einem an die Beschwerdeführerin gerichteten Schreiben der Zweitmitbeteiligten vom 11. Jänner 1988 gehe hervor, daß es der Gesellschaft egal sei, wer die im Werkvertrag über die Reinigungsarbeiten festgelegten Tätigkeiten tatsächlich durchführe. Im Falle der Verhinderung der Erstmitbeteiligten obliege es ihr, durch geeignete Maßnahmen den geschuldeten Erfolg herzustellen.
Im Rahmen der rechtlichen Überlegungen setzte sich die belangte Behörde mit der Einvernahme der Erstmitbeteiligten vom 19. Dezember 1987 im einzelnen auseinander, aus welcher die Beschwerdeführerin nach Auffassung der belangten Behörde ableite, die Erstmitbeteiligte sei verpflichtet, die im "Werkvertrag" angeführten Arbeiten mit geringen Ausnahmen selbst auszuführen, weil die Zweitmitbeteiligte persönliche Arbeitsausübung verlange und nur eine Urlaubsvertretung durch den Ehegatten akzeptiere. Andere für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit maßgebende Kriterien, wie die Einhaltung einer fixen Arbeitszeit, die Verpflichtung zur Befolgung von auf das arbeitsbezogene Verhalten gerichteten Weisungen, die Unterwerfung unter betriebliche Ordnungsvorschriften und die disziplinäre Verantwortlichkeit, würden von der Beschwerdeführerin außer Betracht gelassen. Aber gerade die von der Beschwerdeführerin vertretene Annahme persönlicher Arbeitspflicht stünde im Widerspruch zum Inhalt der der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten, zumal der Werkvertrag keine derartige Bestimmung enthalte und die Zweitmitbeteiligte in ihrem Schreiben vom 11. Jänner 1988 ausdrücklich darauf hinweise, daß für die Erstmitbeteiligte eine generelle Vertretungsmöglichkeit bestanden habe. Eine generelle Vertretungsmöglichkeit schließe aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Dienstverhältnis aus. Durch die Verneinung der Versicherungspflicht erübrige sich die Absprache über die Beitragspflicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen, jedoch die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die zweitmitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat sich nach der Begründung des angefochtenen Bescheides mit den Kriterien eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht näher auseinandergesetzt und dazu auch keine Feststellungen getroffen, da sie die Auffassung vertreten hat, die gegebene Vertretungsmöglichkeit der Erstmitbeteiligten schließe von vornherein die Versicherungspflicht aus.
In diesem Zusammenhang trifft es zu, daß der Verwaltungsgerichtshof die (für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses wesentliche) persönliche Arbeitspflicht dann nicht als gegeben erachtet, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine GENERELLE Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. April 1981, Slg. Nr. 10422/A, und - aus jüngerer Zeit - das Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 85/08/0099, mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung).
Weder die Feststellung der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin "häufig", insbesondere auch im Urlaub, von ihrem Ehegatten (oder von einem anderen Ehepaar) vertreten worden sei, noch die weitere Feststellung, daß "bestimmte Arbeiten", wie insbesondere die Fensterreinigung, stets vom Ehegatten der Erstmitbeteiligten und dessen Kollegen verrichtet worden seien, vermögen die rechtliche Schlußfolgerung, es habe eine generelle Vertretungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin bestanden, zu tragen.
Nur eine solche generelle Vertretungsmöglichkeit würde aber - nach der oben erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die persönliche Arbeitspflicht und damit die Versicherungspflicht von vornherein ausschließen. Eine Vertretungsbefugnis zu bestimmten Arbeiten oder im Urlaubsfall schließt das Vorliegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ebensowenig aus, wie die Bezeichnung des zwischen den mitbeteiligten Parteien geschlossenen Vertrages als "Werkvertrag" (vgl. dazu neuerlich das Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 85/08/0099, mit weiteren Hinweisen).
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde bedarf es zur Annahme der persönlichen Arbeitspflicht auch keiner ausdrücklichen Vereinbarung (welche die belangte Behörde in dem als "Werkvertrag" bezeichneten Vertragspapier vermißt), wenn diese nach den Umständen der Beschäftigung zu vermuten ist und weder eine generelle Vertretungsbefugnis vereinbart, noch nach dem tatsächlichen Beschäftigungsbild praktiziert wurde.
Da aus den bisherigen Feststellungen der belangten Behörde eine die Versicherungspflicht ausschließende generelle Vertretungsbefugnis der Erstmitbeteiligten nicht abgeleitet werden kann, erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber sei aber auch darauf verwiesen, daß sich die belangten Behörde in der Begründung ihres Bescheides - wie die Beschwerdeführerin mit Recht rügt - nicht mit den Angaben der Erstmitbeteiligten bei deren Einvernahme vom 4. April 1990 auseinandergesetzt hat, in der nicht nur - zum Teil von den Feststellungen der belangten Behörde abweichende, zum Teil verdeutlichende - Angaben in der Frage der Vertretungsbefugnis gemacht wurden, sondern aus der auch hervorzugehen scheint, daß die erstmitbeteiligte Partei am 31. Dezember 1988 aus den Diensten der Zweitmitbeteiligten ausgeschieden ist, weshalb die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren - selbst wenn sie neuerlich zu einer Verneinung der Versicherungspflicht kommen sollte - gegebenenfalls auf den Endzeitpunkt jenes Zeitraums, über den sie dabei abzusprechen haben wird, im Spruch ihres Bescheides wird Bedacht nehmen müssen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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