VwGH 90/05/0142

VwGH90/05/01425.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Oktober 1989, Zl. R/1-V-896, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Baden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §59 Abs2;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62;
BauRallg;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §59 Abs2;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Beschluß vom 11. Mai 1988 hat der Gemeinderat der Stadt Baden eine Änderung des Flächenwidmungsplanes hinsichtlich des Parkplatzes vor dem Kurmittelhaus von "Bauland - Sondergebiet - Tiefgarage - Parkplatz" auf "Bauland - Sondergebiet - Parkhaus (Parkdeck) - Verkehrsfläche - Parkplatz" beschlossen. Unter Zugrundelegung dieser Verordnung erteilte der Bürgermeister mit Bescheid vom 7. November 1988 der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Baubewilligung für die Errichtung eines Parkdecks unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen. Einwendungen des beschwerdeführenden Nachbarn wurden als unbegründet abgewiesen.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Gemeinderat mit Bescheid vom 9. Dezember 1988 keine Folge. Die gegen diese Rechtsmittelentscheidung vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wurde nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. Oktober 1989 abgewiesen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof lehnte dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 12. Juni 1990 ab, wobei gleichzeitig die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde.

In seiner Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst rügt der Beschwerdeführer, daß der Bürgermeister auch an der Erlassung des Berufungsbescheides mitgewirkt habe. Zu diesem Vorbringen haben die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei in ihren Gegenschriften übereinstimmend darauf hingewiesen, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides nicht mehr dieselbe Person Bürgermeister der Stadtgemeinde Baden war, die den erstinstanzlichen Bescheid unterfertigt hat. Bei einer solchen Situation hat aber der Beschwerdeführer zu Unrecht eine Befangenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG 1950 geltend gemacht. Der insoweit behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Der Beschwerdeführer wendet weiters ein, daß der Bauwerber eine vom Grundeigentümer verschiedene Person sei und die Baubehörde verpflichtet gewesen wäre, den Nachbarn zur Kenntnis zu bringen, daß der Grundeigentümer dem Bauvorhaben zugestimmt habe. Hiebei verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage, weil es sich bei einem Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, bei welchem dem Nachbarn in der Frage, ob der Bauwerber im Innenverhältnis zum Grundeigentümer zur Bauführung berechtigt ist, ein Mitspracherecht nicht zukommt (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht2, S. 210, und die dort wiedergegebenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes). Auch der Umstand, daß für einen Nachbarn die Frage der Passivlegitimation im Falle einer Klagsführung von Bedeutung ist, kann nicht dazu führen, daß dem Nachbarn insoweit im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens ein Mitspracherecht zusteht. Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher keine Veranlassung, auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde die Richtigkeit der bisher in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung in Zweifel zu ziehen.

Der Beschwerdeführer behauptet weiters, daß bereits vor Erteilung der Baubewilligung die Vereinigung mehrerer Grundstücke bzw. Grundstücksteile hergestellt sein müßte. Mit diesem Vorbringen hatte sich der Verwaltungsgerichtshof schon deswegen nicht auseinanderzusetzen, weil der Beschwerdeführer anläßlich der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz, zu der er unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 ordnungsgemäß geladen worden ist, eine derartige Einwendung gar nicht erhoben hat. Die damit nach § 42 AVG 1950 eingetretene Präklusion ist aber auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten.

Auch in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof regt der Beschwerdeführer an, die Gesetzmäßigkeit des hier präjudiziellen Flächenwidmungsplanes streng zu überprüfen, zumal der Verwaltungsgerichtshof an den Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes nicht gebunden sei. Der Verfassungsgerichtshof hat in dem erwähnten Beschluß vom 12. Juni 1990 zum Ausdruck gebracht, daß nach seiner ständigen Rechtsprechung die Beschwerde betreffend die Gesetzwidrigkeit des angewendeten Flächenwidmungsplanes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Vor dieser Beschlußfassung hat sich der Verfassungsgerichtshof die diesbezüglichen Akten der Verwaltungsbehörden vorlegen lassen und sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei hatten Gegenschriften erstattet. Nach Prüfung dieser Unterlagen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die nunmehr vorgenommenen Festsetzungen im Flächenwidmungsplan ohne Grundlagenforschung vorgenommen worden seien und die Stadtgemeinde privilegieren. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich daher der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes an, daß gegen die hier maßgebliche Änderung des Flächenwidmungsplanes keine Bedenken bestehen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich sohin zu keiner Antragstellung gemäß Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof veranlaßt.

Im Hinblick auf den genannten Flächenwidmungsplan sind die Verwaltungsbehörden auch zu Recht davon ausgegangen, daß das baubehördlich bewilligte Parkdeck (Parkhaus) mit der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung übereinstimmt. Dies bezweifelt offensichtlich auch der Beschwerdeführer nicht, er behauptet jedoch, es komme zu einer unzulässigen Lärm-, Geruchs- und Lichtbelästigung von den ein- und ausfahrenden Kraftwagen. Auch sei in dieser Beziehung das durchgeführte Verwaltungsverfahren ergänzungsbedürftig geblieben, das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen sei ihm nicht zur Kenntnis gebracht worden.

Nach § 62 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976, in der Fassung der Novelle LGB. 8200-6, sind für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Zur Vermeidung von Umweltbelastungen kann die Baubehörde auch die Pflanzung und Erhaltung von Grünanlagen vorschreiben.

Bei der Errichtung des vorliegenden Vorhabens hatten die Verwaltungsbehörden davon auszugehen, daß Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 62 Abs. 2 BO zu erwarten sind. Dementsprechend hat auch die Baubehörde erster Instanz das Amt der NÖ. Landesregierung ersucht, zur Bauverhandlung Amtssachverständige für Luftreinhaltung und Lärmschutz zu entsenden, und gleichzeitig den Amtsarzt der Stadtgemeinde geladen. Bei der Bauverhandlung erstatteten sowohl ein Amtssachverständiger für Fragen der Luftreinhaltung als auch ein Amtssachverständiger für Fragen des Lärmschutzes Gutachten. Der Amtssachverständige für Lärmschutz führte unter anderem aus, daß über die Höhe der derzeit gegebenen Lärmimmissionen durch die Benützung des vorhandenen Parkplatzes und der sonstigen Umgebungsgeräusche keine konkreten Meßergebnisse vorliegen. Auf Grund von Ö-Normen ermittelte der Sachverständige sodann bestimmte Werte und kam zu dem Ergebnis, daß unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen nicht zu erwarten seien. Hinsichtlich der Grenzwerte zur Nachtzeit gab der Sachverständige keine Beurteilung ab, verwies jedoch auf die wesentliche Reduzierung des Verkehrsaufkommens, sodaß mit einem ähnlichen Beurteilungsverhältnis innerhalb zumutbarer Grenzen zu rechnen sei. Aus lärmtechnischer Hinsicht verwies er darauf, daß eine geringfügige Reduzierung der vom Parkdeck ins Freie gelangenden Schallauswirkungen durch eine schallabsorbierende Verkleidung der jeweiligen Decken und der Seiten mit Materialien mit einem Absorptionsgrad von 0,4 bei 500 Hertz möglich wäre. Die zusätzliche Lärmminderung gegenüber den genannten Werten wäre auf Grund der durchgeführten Nachrechnung mit etwa 3 dB zu beziffern. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme solle, da aus technischer Sicht die Immissionsgrenzen deutlich unterschritten würden, der medizinischen Begutachtung vorbehalten bleiben. Bei dieser Verhandlung war ein medizinischer Sachverständiger nicht anwesend. Die Verhandlungsschrift wurde am 7. November 1988 durch einen Aktenvermerk dahin gehend ergänzt, daß nunmehr ein medizinisches Gutachten durch den Stadtarzt vorgelegt worden sei. Das erstellte Gutachten zeige auf, daß unter Zugrundelegung der vorgenannten Umweltgutachten keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen auf die Anrainerschaft angenommen werden können. Im Akt erliegt ein Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen vom 4. November 1988, in welchem er, bezugnehmend auf die Gutachten der Sachverständigen für Lärmschutz und Luftreinhaltung, ärztlicherseits keinen Einwand gegen die Errichtung des geplanten Parkdecks erhob, da durch das zu erwartende Verkehrsaufkommen die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten würden und daher auch keine gesundheitsschädliche Auswirkung auf die Anrainer anzunehmen sei.

In seiner Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die angenommenen Schallpegelwerte und die seiner Meinung nach nicht ausreichenden Entlüftungsverhältnisse und rügte weiters, daß das medizinische Gutachten dem Bescheid nicht beigelegt worden sei, sodaß seine Folgerungen nicht überprüft werden könnten. Insbesondere wurde gerügt, daß sämtliche Schlußfolgerungen in den Gutachten der Sachverständigen rein hypothetische Annahmen darstellten und durch kein Beweisverfahren begründet seien. Durch die Vorschreibung Punkt 13 sei auch nicht ausreichend festgelegt, wie der Blendschutz der Geländer gegenüber seiner Liegenschaft beschaffen sein soll. Zu diesen Ausführungen nahm die Berufungsbehörde dahingehend Stellung, daß die Sachverständigengutachten schlüssig seien und das Gutachten des Amtsarztes zur Beurteilung für die Baubehörde ausreiche, sodaß eine Beigabe des nachgereichten Gutachtens zum Bescheid ohne Bedeutung sei. Die Art und Weise der Ausführung des Blendschutzes sei schließlich Angelegenheit einer Detailplanung bei der Ausführung, wobei mehrere Varianten möglich seien. Die Einhaltung der Auflagen würden bei der Endbeschau von der Baubehörde überprüft.

Auch in seiner Vorstellung rügte der Beschwerdeführer die eingeholten Gutachten und verwies insbesondere darauf, daß ihm das medizinische Gutachten nicht vorgehalten worden sei. Auch die Vorschreibungen bezüglich Blendschutz seien zu allgemein gehalten. Die belangte Behörde veranlaßte auf Grund dieses Vorbringens Lärmmessungen bezüglich des gegebenen Grundgeräuschpegels, und das zu diesem Zweck erstellte Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer gab hiezu keine Äußerung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß die Frage, ob eine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Belästigung vorliegt, stets der Beantwortung durch einen medizinischen Sachverständigen bedarf (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. März 1987, Zl. 86/05/0132, BauSlg. 892, u. a.). Der Sachverständige hat hiebei insbesondere auch die Frage zu beurteilen, ob etwa die Methode des "äquivalenten Dauerschallpegels" auch dem konkreten Sachverhalt gerecht wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. September 1983, Zl. 05/0112/80, BauSlg. 85). Im konkreten Fall hat nun die belangte Behörde zwar das Gutachten des technischen Amtssachverständigen im Zuge des Vorstellungsverfahrens durch Einholung eines weiteren Gutachtens ergänzt, allein das unzureichend gebliebene amtsärztliche Gutachten des erstinstanzlichen Verfahrens wurde nicht ergänzt, ja während des gesamten Verwaltungsverfahrens wurde diese gutächtliche Äußerung dem Beschwerdeführer entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 45 Abs. 3 AVG 1950 nicht zur Kenntnis gebracht. Damit wurde aber, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, kein ausreichendes, dem Gesetz entsprechendes Parteiengehör gewährt. Da die belangte Behörde diesen, den Gemeindebehörden unterlaufenen Verfahrensmangel nicht aufgegriffen hat, hat sie ihren Bescheid schon aus diesem Grunde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Auffassung des Beschwerdeführers, daß die als Auflage Punkt 13 des erstinstanzlichen Bescheides vorgesehene Vorschreibung betreffend die Hintanhaltung einer Blendung bzw. Lichtbeeinträchtigung nicht jenes Maß an Bestimmtheit aufweist, welches für eine vollstreckbare Auflage im Sinne des § 59 AVG 1950 erforderlich ist. In dieser Beziehung hat die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift darauf verwiesen, daß in tatsächlicher Hinsicht eine Änderung des Projektes erfolgte, welche als Erfüllung der Auflage Punkt 13 zu beurteilen sei. Dieser Umstand wird allenfalls im fortgesetzten Verfahren zu beachten sein.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte