VwGH 90/05/0132

VwGH90/05/01325.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) des ON und 2) der EF gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Mai 1990, Zl. R/1-V-88217/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) GS, 2) Marktgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §100 Abs2;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §14 Abs2 Z3;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1;
VwGG §48 Abs3;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §14 Abs2 Z3;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1;
VwGG §48 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der erstmitbeteiligten Partei auf weiterem Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit Anbringen vom 19. April 1988 ersuchte der Erstmitbeteiligte bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Spritzanlage, einer Heizungsanlage sowie einer Reihe von weiteren baulichen Maßnahmen betreffend die Änderung des bestehenden Maler- und Anstreicherwerkstättenbetriebes auf der Liegenschaft X, Y-Gasse 6. Im einzelnen ist das Bauvorhaben der dem Baugesuch, beigeschlossenen Baubeschreibung und den Bauplänen zu entnehmen. Zu der für 25. Mai 1988 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden die Nachbarn, darunter auch die Beschwerdeführer, unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG 1950 geladen.

Bei der Bauverhandlung wurden für den Erstbeschwerdeführer schriftliche Erklärungen abgegeben, in denen er sich gegen das Bauvorhaben, insbesondere gegen die Errichtung der Farbspritzanlage aussprach. Unter anderem machte er einen Widerspruch zum Flächenwidmungsplan geltend, weil im gewidmeten Bauland-Kerngebiet nur solche Gewerbebetriebe zulässig seien, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Gerade hinsichtlich der Emissionen aus der Farbspritzanlage seien, wie sich aus dem durchgeführten gewerberechtlichen Verfahren ergeben habe, sowohl eine Gesundheitsgefährdung als auch eine Geruchsbelästigung der Anrainer zu erwarten. Im gewerberechtlichen Verfahren sei diesbezüglich ausdrücklich nur ein Probebetrieb genehmigt worden. In gleicher Weise hat auch die Zweitbeschwerdeführerin Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben. Ihr Vertreter verwies in der Verhandlung noch darauf, daß das Hauptgewicht der Beurteilung auf die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse zu legen sei. Diese Verhältnisse seien jedoch so, daß trotz der Widmung des Grundstückes des Konsenswerbers als Bauland-Kerngebiet der gegenständliche Ortsteil als reines Wohngebiet und daher jegliche Belästigung als unzumutbar anzusehen sei. Die anwesenden Amtssachverständigen des Amtes der NÖ Landesregierung wiesen darauf hin, daß an der Straßenseite das Wohngebäude des mitbeteiligten Bauwerbers situiert sei und die Betriebsobjekte sich im Hofbereich befänden. Eine Einsicht durch die straßenseitige Einfriedung sei zwar möglich, aber die betreffenden Baulichkeiten würden keinen auffallenden Gegensatz zu anderen, im Ort vorhandenen Baulichkeiten aufweisen. Bezüglich der Einwendungen über das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigungen könne ausgesagt werden, daß solche bei plan- und projektsgemäßer Ausführung nicht zu erwarten seien. Der gegenständliche Betrieb sei im Bauland-Kerngebiet zulässig. In der Verhandlungsschrift wurde auch das Bauvorhaben näher beschrieben und die Sachverständigen erachteten es unter Einhaltung einer Reihe von Auflagen als bewilligungsfähig.

In einer Stellungnahme vom 22. Juni 1988 erklärte der Gemeindearzt, dem Gutachten der Amtssachverständigen voll zuzustimmen, womit alle sanitätspolizeilichen Auflagen erfüllt seien. Zu diesem Gutachten brachten die Beschwerdeführer vor, daß es zu einer Klärung der hier maßgebenden Fragen nicht geeignet sei. Weiters wurde beantragt, das Gutachten eines umwelttechnischen Sachverständigen einzuholen, um die Frage klären zu können, welche Belästigungen durch den Betrieb der Farbspritzanlage zu erwarten seien und ob diese im Hinblick auf den Flächenwidmungsplan das ortsübliche Ausmaß überschreiten.

Mit Bescheid vom 1. August 1988 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer sowie weiterer Nachbarn wurden als unbegründet abgewiesen. Die Gemeindebehörde erster Instanz vertrat in der Begründung die Ansicht, daß die Beurteilung der Frage von Emissionen, Immissionen oder gesundheitsschädlichen Auswirkungen eines Gewerbebetriebes vorwiegend der Gewerbebehörde obliege und eine eingehende Prüfung dieser Frage von der Gewerbebehörde vorgenommen worden sei. Bei der Bauverhandlung hätten die Amtssachverständigen festgestellt, daß bei plan- und projektsgemäßer Ausführung eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung nicht zu erwarten sei.

Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 18. November 1988 keine Folge.

Auf Grund der Vorstellung der Beschwerdeführer behob die NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 17. März 1989 die Berufungsentscheidung und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und hier maßgeblicher Rechtsvorschriften stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde fest, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Baubewilligungsverfahren - zum Unterschied von gewerbebehördlichen Verfahren - nicht auf die spezielle Anlage, sondern auf die Betriebstype ankomme, wobei ein als Type unzulässiger Betrieb nicht durch Auflagen zulässig gemacht werden könne. Ob eine bestimmte Betriebstype am geplanten Standort wegen ihrer Immissionswirkungen auf das angrenzende Gebiet zulässig sei, sei anhand der Auswirkungen bestehender Vergleichsbetriebe zu beurteilen. Die Baubehörde habe also zunächst zu prüfen, mit welchen Auswirkungen auf die Nachbarschaft bei der Betriebstype "Spritzlackieranlage" zu rechnen sei. Um die Frage der Genehmigungsfähigkeit dieser Anlage im Sinne des § 100 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) beurteilen zu können, sei die Baubehörde verpflichtet, sich ein Bild über den erfahrungsgemäß typischen Betrieb einer solchen Lackieranlage (einschließlich der Betriebsabläufe und des Betriebsumfanges) zu verschaffen. Hiezu benötige sie das Gutachten eines Sachverständigen für den technischen Umweltschutz. Erst nach Bejahung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens auf Grund eines solchen Gutachtens habe die Baubehörde das Erfordernis der Vorschreibung von Auflagen im Sinne der §§ 62 und 100 BO zu prüfen. Damit greife die Baubehörde nicht in die Kompetenz der Gewerbebehörde ein, weil die Frage, ob in einem bestimmten Gebiet eine bestimmte Type von Betrieben im Hinblick auf ihre Auswirkungen (Emissionen) zulässig ist, von der Baubehörde zu beantworten sei, wie der Verwaltungsgerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen ausgesprochen habe. Da der Gemeinderat eine solche Typenprüfung unterlassen habe, habe er Rechte der Beschwerdeführer verletzt. Im fortgesetzten Verfahren werde der Gemeinderat das Verfahren entsprechend diesen Ausführungen zu ergänzen haben. Wenn feststehe, welche Auswirkungen von dem gegenständlichen Vorhaben zu erwarten seien, werde vom medizinischen Sachverständigen neuerlich ein Gutachten über die örtliche Zumutbarkeit dieser Auswirkungen für die Anrainer einzuholen sein. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Im fortgesetzten Verfahren erstattete ein Amtssachverständiger der NÖ Landesregierung am 31. Juli 1989 ein Gutachten, in welchem zunächst die Betriebstype näher beschrieben wurde. So wurde ausgeführt, daß eine typische Lackieranlage zum Schutz der Arbeiter vor zu hohen Arbeitsplatzkonzentrationen und zum raschen Trocknen der Werkstücke mit einer Zu- und Abluftanlage ausgestattet sei, wobei wiederum typisch die Abluft durch technische Vorkehrungen von Luftschadstoffen möglichst weit gereinigt werde. Gängige technische Reinigungssysteme, die auch dem Stand der Technik entsprechen, seien Spritzanlagen mit Trockenfiltern, mit wasserberieselten Wänden oder Wasserauswaschung und mit Aktivkohlefilteranlagen. Zur Vermeidung von Schallemissionen werde eine Ausblasgeschwindigkeit der Abluft in der Regel von weniger als 10 m/s gewählt, bei höheren Geschwindigkeiten würden Schalldämpfer eingebaut. Nach Ausführungen über Farben und Lacke wurde hinsichtlich des konkreten Betriebes festgestellt, daß im Spritzraum eine Absaugwand mit Farbnebelabscheider und ein Aktivgranulatfilter für Lösungsmittel sowie ein Zuluftgerät vorgesehen seien. Die gereinigte Abluft werde über eine schallgedämpfte Leitung bis in 10 m Höhe über Niveau geführt und senkrecht nach oben ausgeblasen. Sodann wurden kurz drei Vergleichsbetriebe in Ortszentren beschrieben. Bei einem der Vergleichsbetriebe wurde eine Emissionsmessung vorgenommen, die eine Konzentration der organischen Kohlenstoffe von ca. 13 mg C/m3 ergab. Der Sachverständige führte aus, daß anhand vergleichbarer Spritzlackierbetriebe und der bei ihnen festgestellten Emissionen eine typische Lackiererei mit einer Abluftreinigungsanlage, die aus Staubfilter und Aktivgranulat zum Binden von Lösungsmitteldämpfen bestehe, in der Bauland-Nutzungsart "Kerngebiet" als zulässig angesehen werden könne. Die als typisch zu erwartenden Luftschadstoffemissionen, deren Geruchsschwelle im Mittel bei 0,4 mg/m3 Luft liege, würden in einem Verdünnungsvolumen von z.B. 100 m3 bereits sicher unter die Geruchsschwelle verdünnt. Nehme man als Verdünnungsvolumen einen Zylinder mit 10 m Radius und 10 m Höhe (Ausblashöhe), so seien dies bereits 3000 m3.

In einer gutächtlichen Äußerung vom 27. August 1989 erklärte der medizinische Amtssachverständige nach einem kurzen Befund, daß auf Grund der Betriebstypenprüfung anzunehmen sei, daß es bei Einhaltung der Auflagen des Baubewilligungsbescheides zu keiner Belästigung und Störung des Wohlbefindens und zu keiner Gesundheitsgefährdung der Nachbarn kommen werde. Die Vorschreibung weiterer Auflagen sei daher aus medizinischer Sicht nicht erforderlich. Auch weiters befragte Amtssachverständige erklärten, daß keine zusätzlichen Vorschreibungen erforderlich seien.

In ihrer Äußerung vom 25. Oktober 1989 bemängelten die Beschwerdeführer die eingeholten Gutachten als unzureichend. So werde nicht erwähnt, wie sich die Anlage auf die Umgebung auswirke, welche Emissionen davon ausgehen und ob eine Gefährdung oder Belästigung der Anrainer gegeben sei. Gleiches sei auch hinsichtlich der Vergleichsbetriebe nicht angegeben worden. Im Gegensatz dazu stünden die Ergebnisse des gewerberechtlichen Verfahrens, weil besonders der Amtsarzt in der Verhandlung am 30. November 1987 erklärt habe, daß der Geruch sehr wohl als Belästigung empfunden werde, wobei dies selbstverständlich von der Wettersituation abhängig sei, und dauernde Einwirkungen zweifellos zu Störungen führen könnten. Auch seien die Ausführungen des Amtssachverständigen bezüglich der Luftverdünnung nicht nachvollziehbar. In einem dieser Stellungnahme angeschlossenen Gutachten habe die NÖ Umweltschutzanstalt ausgeführt, daß auf Grund der Lage der Betriebsanlage auf längere Sicht gesehen die Verlegung ins Bauland-Betriebsgebiet oder Bauland-Industriegebiet als zielführend anzusehen sei, weil die langjährige Erfahrung zeige, daß trotz emissionsmindernder Maßnahmen bei Betrieben, die von Bauland-Wohngebiet umgeben seien, immer wieder Beschwerden über unzumutbare Belästigungen der Nachbarn gegeben seien. Entgegen den Ausführungen des Sachverständigen sei daher die Betriebstype Spritzanlage im Bauland-Kerngebiet nicht zulässig. Auch das medizinische Gutachten sei nicht geeignet, eine schlüssige und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage zu liefern.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1989 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung keine Folge. Nach umfangreicher Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens erachtete die Berufungsbehörde auf Grund der eingeholten Gutachten das Vorhaben des Erstmitbeteiligten als zulässig. Belästigungen in unzumutbarem Ausmaß oder Gesundheitsgefährdungen oder Störungen des Wohlbefindens der Nachbarn seien ausgeschlossen.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wies die NÖ Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde ging zunächst davon aus, daß tragender Aufhebungsgrund des aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 17. März 1989 der Umstand war, daß es auf Gemeindeebene verabsäumt worden sei, zu prüfen, ob es sich im vorliegenden Fall um einen im Bauland-Kerngebiet zulässigen Gewerbebetrieb handle. Der umweltschutztechnische Sachverständige sei nun in seinem Gutachten vom 31. Juli 1989 zu dem Schluß gekommen, daß eine Spritzlackieranlage in der gegenständlichen Form, Größe und Ausstattung im Bauland-Kerngebiet zulässig sei, weil die Geruchsschwelle der als typisch zu erwartenden Luftschadstoffemissionen (organische Lösungsmittel wie Xynol oder andere Aromaten, Testbenzin, Alkohole, Ketone und Ester) im Mittel bei 0,4 mg/m3 Luft liege und die bei einem Vergleichsbetrieb durchgeführte Messung der Emissionen zur Feststellung der Wirkungsweise einer gleichartigen Abluftreinigungsanlage ergeben habe, daß die Summe der organischen Kohlenstoffe in der Abluft (Immission) einen Wert von ca. 13 mg Kohlenstoff pro m3 Abluft erreiche. Dieser Schluß aus dem Gutachten sei durch die einfache Rechenoperation zu ziehen, wonach sich dann, wenn sich 1 m3 Abluft mit 13 mg Kohlenstoff mit der Luft im Freien vermische, dies bei einem Verdünnungsvolumen von 100 m3 einen Wert von etwa 0,13 mg Kohlenstoff pro m2 dieser Mischung ergebe. Dieser Wert liege sicher unter der Geruchsschwelle von 0,4 mg, er betrage ca. ein Drittel des Geruchsschwellenwertes. In seinen weiteren Ausführungen habe der Sachverständige eine Ausbreitungsberechnung für einen zylinderförmigen Luftraum mit 10 m Radius und 10 m Höhe angestellt, welcher die ungünstigste Ausbreitungssituation bei Windstille darstelle. Bei Annahme eines Verdünnungsvolumens in Form eines Zylinders vermische sich der 1 m3 Abluft mit 2989 m3 unbelasteter Luft, sodaß die Konzentration des organischen Kohlenstoffes innerhalb dieses Zylinders auf etwa 1/3000 des ursprünglichen Wertes absinke. Diese Berechnung setze aber voraus, daß sich am Ausbreitungsvolumen während der Ausbreitungszeit nichts ändere. Daraus folge nun, daß bei Luftbewegungen wegen des sich erhöhenden Ausbreitungsvolumens die Konzentration von organischem Kohlenstoff noch zusätzlich absinken werde. Den Beschwerdeführern könne nicht beigepflichtet werden, daß diese Überlegungen zur Frage, ob ein bestimmter Betrieb im Bauland-Kerngebiet zulässig sei, als unschlüssig abgetan werden können. Aus diesem und dem medizinischen Gutachten vom 27. August 1989 hätte der Gemeinderat den Schluß ziehen können, daß die Spritzlackieranlage keine das örtlich zumutbare Ausmaß im Bauland-Kerngebiet übersteigende Geruchsbelästigung verursachen könne. Der Widerspruch zu dem im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren erstatteten Gutachten bestehe nur scheinbar. Das ursprünglich bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln zur gewerbebehördlichen Genehmigung eingereichte Projekt habe vorgesehen, daß im Farbspritzraum eine Spritzwand mit mechanischer Absaugung aufgestellt wird, deren Entlüftungsleitung ca. 2 m über dem Dach liegen sollte. Eine Lüftungsanlage für den Trockenraum sei nicht vorgesehen gewesen. Durch die Spritzwand in der damals geplanten Form würden aber nur ca. 70 Prozent der Spritzmittelrückstände absorbiert und der Rest ausgeblasen werden. Die Stellungnahme des Amtsarztes vom 15. Juli 1986 habe sich ausschließlich auf diese beschriebene Spritzlackieranlage bezogen. Im Rahmen des gewerbebehördlichen Verfahrens sei im Juni 1987 eine Projektsergänzung dahingehend vorgenommen worden, daß die Abluft über Gitter dem im Spritzraum aufgestellten dreistufigen Feststoffilter zugeführt und von dort über einen Abluftventilator einem Staubfilter mit Aktivgranulat zum Binden der Lösungsmitteldämpfe zugeführt und danach über Dach in einer Höhe von 10 m ausgeblasen werde. Das von der Gewerbebehörde mit Bescheid vom 23. Dezember 1987 genehmigte Projekt entspreche jenem, welches bei der Baubehörde am 19. April 1988 zur Genehmigung eingereicht worden sei. Ein Widerspruch zwischen den Gutachten der Amtsärzte sei daher nicht gegeben, habe sich doch die Stellungnahme seinerzeit auf ein völlig anderes Vorhaben bezogen. Das nun von der Baubehörde zur Beurteilung vorgelegte Projekt sehe aber vor, daß die Abluft der Spritzlackieranlage zu etwa 99 Prozent von Feststoffen gereinigt werde. Es treffe zwar zu, daß der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft in der Verhandlung am 30. November 1987 erklärt habe, daß Geruch sehr wohl als Belästigung empfunden werden könne, er habe diese Aussage aber einerseits von mehreren Faktoren abhängig gemacht und damit ausgedrückt, daß Geruch prinzipiell als Belästigung empfunden werden könne. Diese Aussagen hätten sich aber nicht auf die konkrete Geruchsemission der gegenständlichen Betriebsanlage bezogen, die keine Gesundheitsgefährdung bewirken werde. Zur endgültigen Beurteilung habe der Amtsarzt damals die Anordnung eines Probebetriebes vorgeschlagen und ausgesprochen, daß bei Einhaltung der von den anderen Sachverständigen vorgeschlagenen Auflagen für die Dauer des Probebetriebes keine unzumutbaren Belästigungen für die Anrainer zu erwarten seien. Vergleiche man das im gewerbebehördlichen Verfahren erstattete medizinische Gutachten mit dem im Baubewilligungsverfahren erstatteten, so ergebe sich daraus keine Unschlüssigkeit des medizinischen Gutachtens vom 27. August 1989, da das letztere die zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens nicht als geeignet ansehe, Belästigungen und Störungen des Wohlbefindens oder der Gesundheit der Nachbarn zu verursachen. Aus dem Schreiben der NÖ Umweltschutzanstalt vom 21. Oktober 1986, wonach die gegenständliche Betriebsanlage in Bauland-Betriebsgebiet oder Industriegebiet verlegt werden sollte, lasse sich für die Beschwerdeführer ebenfalls nichts gewinnen. Diese Stellungnahme gehe davon aus, daß konkrete Aussagen über den Wirkungsgrad von Biofiltern nicht gemacht werden konnten, da sich diese damals noch im Entwicklungs- bzw. Erprobungsstadium befunden hätten. Wie bereits im Vorstellungsbescheid vom 17. März 1989 ausgeführt, habe die Baubehörde im Rahmen ihres Verfahrens nicht die konkrete Anlage, sondern die Betriebstype darauf zu prüfen, ob sie am geplanten Standort in bezug auf die Flächenwidmung zulässig sei. Der Berufungsbehörde könne nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf Grund der von ihr eingeholten Gutachten zu dem Schluß gekommen ist, daß dies der Fall sei, zumal die Beschwerdeführer den eingeholten Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten seien. Im Rahmen des gewerbebehördlichen Verfahrens würden Auflagen, welche in den konkreten Betriebsablauf eingreifen, vorgeschrieben, die abschließende Beurteilung der konkreten Auswirkungen der gegenständlichen Betriebsanlage habe im Rahmen des Betriebsbewilligungsverfahrens durch die Gewerbebehörde zu erfolgen.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen und unzumutbaren Geruchsbelästigungen gemäß § 62 Abs. 2 BO verletzt. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes in wesentlichen Punkten aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 16 Abs. 1 Z. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) sind Kerngebiete solche Gebiete des Baulandes, die vorwiegend für öffentliche Gebäude, Versammlungs- und Vergnügungsstätten sowie für Betriebe des Handels, Gewerbes und Fremdenverkehrs bestimmt sind, welche sich dem Ortsbild eines Siedlungskernes (Stadtkernes) harmonisch anpassen und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Nach § 100 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) ist die Baubewilligung u.a. dann zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes verletzt werden.

Nach § 62 Abs. 2 BO sind für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anfordungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Zur Vermeidung von Umweltbelastungen kann die Baubehörde auch die Pflanzung und Erhaltung von Grünanlagen vorschreiben.

Obwohl die Beschwerdeführer als Beschwerdepunkt ausschließlich eine Rechtsverletzung nach § 62 Abs. 2 BO geltend machen, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde, daß sie in Wahrheit die Unzulässigkeit des Betriebes des Erstmitbeteiligten wegen Widerspruches zu der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmung Bauland-Kerngebiet behaupten.

Nun hat bereits die Gemeindeaufsichtsbehörde in ihrem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 11. März 1989 klar zum Ausdruck gebracht, daß im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens nicht ein bestimmter Betrieb im Hinblick auf die konkret von ihm ausgehenden Emissionen zu beurteilen, sondern vielmehr die Frage zu beantworten ist, ob diese Art von Betrieb, die Betriebstype, im Hinblick auf die gegebene Flächenwidmung als (noch) zulässig zu qualifizieren ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1977, Slg. N.F. Nr. 9382/A, und die ständige Rechtsprechung seither). Maßstab für die Beurteilung durch die Baubehörde ist also nicht ein in seinen Betriebsmitteln bis ins einzelne fest umrissener konkreter Betrieb, sondern die Betriebstype, die nach der Art der dort üblicherweise nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen (einschließlich der zum Schutz vor Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen) sowie nach der Art der demgemäß herkömmlich entfalteten Tätigkeit einem bestimmten (abstrakten) Betriebsbild entspricht (vgl. etwa zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. April 1990, Zl. 88/05/0188).

Im Interesse eines vorbeugenden Umweltschutzes hat nun der NÖ Landesgesetzgeber bezüglich des Baulandes-Kerngebietes, wie dargetan, bestimmt, daß nur solche Gewerbebetriebe in dieser Nutzungsart zulässig sind, die keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können. Die Beschwerdeführer bestreiten, daß die von der Berufungsbehörde ergänzend eingeholten Gutachten schlüssig sind, um die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype im Kerngebiet zu beantworten. Der umweltschutztechnische Amtssachverständige hat nun in seinem Gutachten vom 31. Juli 1989 bezüglich Spritzlackieranlagen die darin ausgeübten Tätigkeiten und die damit verbundenen Emissionen näher beschrieben. Er ist hiebei davon ausgegangen, daß die Anlagen nach dem nunmehrigen Stand der Technik typisch Maßnahmen zum Gegenstand haben, die den Schutz vor Belästigungen bezwecken, wie etwa bestimmte Filteranlagen. Nach Beschreibung dreier Vergleichsbetriebe und einer in einem dieser Betriebe vorgenommenen Emissionsmessung erklärte der Sachverständige, daß die typisch zu erwartenden Luftschadstoffemissionen, deren Geruchsschwelle im Mittel bei 0,4 mg/m3 Luft liege, im Hinblick auf die konkret gegebene Ausblashöhe bereits sicher unter die Geruchsschwelle verdünnt sein werden. Anhand der vergleichbaren Spritzlackierbetriebe und der bei ihnen festgestellten Immissionen erachtete er die hier zu beurteilende Lackiererei mit einer Abluftreinigungsanlage, die aus Staubfilter und Aktivgranulat zum Binden von Lösungsmitteldämpfen besteht, als in der Baulandnutzungsart Kerngebiet zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Beschwerdeführer, daß aus diesem Gutachten nicht zu erkennen ist, wie der Sachverständige zur Annahme einer Geruchsschwelle im Mittel von 0,4 mg/m3 kommt, zumal in dem Gutachten von Grenzwerten und bestimmten Geruchsschwellenwerten keine Rede ist. Nun ergibt sich aber gerade aus dem von den Beschwerdeführern herangezogenen gewerberechtlichen Verfahren und dem darin erstatteten Gutachten, daß die mittlere Geruchsschwelle mit 0,4 mg/m3 eher niedrig angenommen wurde, wenngleich etwa bei Xynol der Geruchsschwellenwert 0,07 bis 0,6 mg/m3 betragen kann. Tatsächlich ging ja dann auch der Amtssachverständige im gewerberechtlichen Verfahren von einem durchschnittlichen Geruchsschwellenwert von 0,2 mg/m3 aus. Für Testbenzin hat freilich dieser Sachverständige einen wesentlich geringeren Geruchsschwellenwert angenommen und kam daher in dieser Beziehung zu Überschreitungen des Geruchsschwellenwertes. Die tatsächlich gemessene Konzentration bei einem Vergleichsbetrieb läßt aber in diesem Zusammenhang das Gutachten zwar als ergänzungsbedürftig, nicht aber als unschlüssig beurteilen, wie dies die Beschwerdeführer meinen. Zutreffend hat nämlich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, daß dann, wenn 1 m3 Abluft mit 13 mg Kohlenstoff sich mit der Luft im Freien vermischt, dies bei einem Verdünnungsvolumen von 100 m3 einen Wert von etwa 0,13 mg Kohlenstoff pro m3 ergibt, was unter der mittleren Geruchsschwellengrenze von 0,4 mg liegt. Das bedeutet aber, daß gerade im Hinblick auf die Messung im Vergleichsbetrieb auch bei ungünstigsten Witterungsbedingungen die Geruchsschwelle nicht einmal mehr in einem Abstand von 10 m überschritten wird. Bei einer solchen Situation teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, daß das Gutachten des Amtssachverständigen die Frage nach der Zulässigkeit der Betriebstype - im Zusammenhang mit dem eingeholten Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen - noch ausreichend beantwortet hat. Hiebei wurde freilich vorausgesetzt, daß die austretenden Schadstoffe, unabhängig von einem Überschreiten der Geruchsschwellengrenze, auch sonst keine Gesundheitsgefährdung bedeuten können, wovon freilich auch die Sachverständigen im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren ausgegangen sind.

Auch der Hinweis auf das vom Erstmitbeteiligten eingeholte Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt vom 21. Oktober 1986 vermag nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Strittig ist ja nicht, ob die bei einer Spritzlackiererei verwendeten Stoffe an sich geeignet sind, eine unzumutbare Geruchsbelästigung herbeizuführen, sondern, ob diese Stoffe trotz der konkreten Ausstattung der Anlage mit den heute üblichen Schutzmaßnahmen eine solche unzumutbare Geruchsbelästigung herbeizuführen geeignet sind. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, die belangte Behörde habe zu Unrecht darauf verwiesen, daß gerade hinsichtlich der Schutzmaßnahmen auf dem Gebiete der Luftreinhaltung in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt worden sind, sodaß die früheren Erfahrungswerte, auf die sich der Sachverständige bezog als er die Empfehlung zur Absiedlung des Betriebes in Bauland-Betriebsgebiet oder Industriegebiet äußerte, nicht mehr Geltung besitzen. Tatsächlich hat ja auch der Gutachter damals darauf hingewiesen, daß durch technische Maßnahmen die Senkung der Lösungsmittelemissionen möglich ist, wobei u.a. der Einbau eines Koksfilters und von Biofiltern genannt worden ist.

Soweit die Beschwerdeführer das ergänzend eingeholte Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen als taugliche Grundlage der behördlichen Entscheidung in Zweifel ziehen, dürften sie übersehen, daß im Hinblick auf das eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen für Fragen des Umweltschutzes der medizinische Amtssachverständige im Rahmen der im Baubewilligungsverfahren zu beantwortenden Fragen sich mit den getroffenen Feststellungen begnügen durfte, ging es doch - anders als im gewerberechtlichen Verfahren - nicht um die Auswirkungen des konkreten Betriebes, wie schon aufgezeigt. Für diese Fragen konnte aber die belangte Behörde auch dieses Gutachten als ausreichend beurteilen.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht die Auffassung der Beschwerdeführer zu teilen, daß der angefochtene Bescheid wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes in wesentlichen Punkten aufzuheben ist, vielmehr war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Der erstmitbeteiligten Partei war auf Grund der Vorschrift des § 48 Abs. 3 VwGG der Ersatz von aufgelaufenen Stempelgebühren für den Schriftsatz aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht aber ein Schriftsatzaufwand, weil sich der Erstmitbeteiligte lediglich zum Antrag der Beschwerdeführer auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung äußerte, nicht aber zur Beschwerde.

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