VwGH 90/03/0180

VwGH90/03/01802.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Siegfried S in A, Deutschland, gegen die Bezirkshauptmannschaft Zell am See betreffend Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch einen Gendarmeriebeamten am 21. Juni 1990 (Einhebung einer vorläufigen Sicherheit nach § 37 a VStG), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §100 Abs3 idF 1989/086;
StVO 1960 §100 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §37a Abs1;
VStG §37a Abs2 Z2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
StVO 1960 §100 Abs3 idF 1989/086;
StVO 1960 §100 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §37a Abs1;
VStG §37a Abs2 Z2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer sei österreichischer Staatsbürger, der mit einer deutschen Staatsbürgerin verheiratet sei und deshalb seinen Wohnsitz in Deutschland habe. Berufsbedingt sei er während der Saison als Koch in einem bestimmten Gasthof in Österreich (in Tirol) tätig. Er besitze einen Pkw mit deutschem Kennzeichen sowie sowohl einen österreichischen Führerschein als auch eine deutsche Lenkerberechtigung. Am 21. Juni 1990 habe er seinen Pkw auf der Bundesstraße 312 im Gemeindegebiet Unken in Richtung Lofer gelenkt, wobei er einem Gendarmeriebeamten wegen angeblich überhöhter Geschwindigkeit aufgefallen und sodann angehalten worden sei. Wegen angeblicher Alkoholisierungssymptome sei eine Alkomatuntersuchung erfolgt (Meßergebnis 0,4 mg/l). Der Gendarmeriebeamte habe sich mit einem Konzeptsbeamten der belangten Behörde in Verbindung gesetzt und sodann den Beschwerdeführer aufgefordert, einen Betrag von S 11.000,-- als vorläufige Sicherheit zu übergeben. Da der Beschwerdeführer diesen Betrag nicht mit sich geführt habe, sei der Dienstgeber des Beschwerdeführers angerufen worden, der dem Beschwerdeführer in der Folge diesen Betrag zwecks Aushändigung an den Gendarmeriebeamten überbracht habe. Der Beschwerdeführer habe vom Gendarmeriebeamten keine Bestätigung über die Übergabe des Betrages erhalten. Nach dem Verstreichen einer weiteren Stunde sei nochmals eine Überprüfung mittels Alkomat erfolgt und, da das Ergebnis nunmehr einen Wert von 0,32 mg/l ergeben habe, dem Beschwerdeführer die Weiterfahrt gestattet worden. Er erachte sich in seinem Recht auf richtige Anwendung des § 37 a VStG in Verbindung mit § 100 Abs. 3 lit. a StVO verletzt. Der Gendarmeriebeamte sei zufolge § 100 Abs. 3 lit. a StVO nur zur Einhebung einer vorläufigen Sicherheit von S 8.000,-- befugt gewesen. Überdies sei die Einhebung nicht gerechtfertigt gewesen, zumal der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger und in Österreich beschäftigt sei.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungs(straf)akten vor und erstattete eine Gegenschrift. In dieser verwies sie darauf, daß dem Beschwerdeführer laut Gendarmerieanzeige drei Übertretungen, nämlich die Überschreitung der im Ortsgebiet von Unken zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 30 km/h (§ 20 Abs. 2 StVO), die Nichtanpassung der Fahrgeschwindigkeit an die gegebenen Straßen- und Sichtverhältnisse (strömender Regen; § 20 Abs. 1 StVO) und das Lenken des Fahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand (§ 5 Abs. 1 StVO) zur Last gelegt worden seien. Der Gendarmeriebeamte habe nach Rücksprache mit der Bezirkshauptmannschaft S 8.000,-- für die Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO gemäß § 100 Abs. 3 StVO und je S 1.500,-- für die beiden anderen Übertretungen, zusammen somit S 11.000,--, eingehoben. Die Bestimmungen des § 37 a VStG in Verbindung mit § 100 Abs. 3 StVO seien damit nicht verletzt worden. Die Voraussetzungen des § 37 a Abs. 2 Z. 2 VStG seien im Hinblick auf den ausländischen Hauptwohnsitz und die nur saisonale Beschäftigung des Beschwerdeführers in Österreich gegeben gewesen, da damit eine wesentliche Erschwerung der Strafverfolgung in Betracht zu ziehen gewesen sei.

Der Beschwerdeführer gab in seiner weiteren Stellungnahme vom 5. Dezember 1990 zur Gegenschrift zu, daß er entgegen seiner früheren Behauptung vom Gendarmeriebeamten doch eine Bescheinigung vom 21. Juni 1990 über die Einhebung der vorläufigen Sicherheit von S 11.000,-- gemäß § 37 a Abs. 2 Z. 2 VStG ausgestellt erhalten habe, welche er im Original vorlegte.

In der Folge legte die belangte Behörde noch weitere Teile der Verwaltungsstrafakten vor, insbesondere auch Zeugenaussagen der einschreitenden Gendarmeriebeamten und eines Beamten der belangten Behörde. Nach Gewährung des Parteiengehörs durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme vom 6. August 1991.

Auf Grund der vorgelegten Akten im Zusammenhalt mit der Beschwerde und dem sonstigen Parteienvorbringen nimmt der Verwaltungsgerichtshof folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer lenkte am 21. Juni 1990 gegen 7.35 Uhr seinen Pkw mit deutschem Kennzeichen auf der B 312 aus Deutschland kommend im Gemeindegebiet Unken in Richtung Lofer. Der Gendarmeriebeamte Rev.Insp. Franz K. konnte im Rahmen der Schulwegsicherung feststellen, daß der Beschwerdeführer im Ortsgebiet zwischen km 62,5 und 62,2 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 30 bis 40 km/h überschritt (Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO), wobei starker Regen und schlechte Sichtverhältnisse herrschten, also auch der Verdacht bestand, daß der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit nicht den gegebenen Straßen- und Sichtverhältnissen angepaßt habe (Übertretung nach § 20 Abs. 1 StVO). Der Beschwerdeführer wurde daher in Lofer angehalten. Beim Beschwerdeführer wurden verschiedene Alkoholisierungssymptome festgestellt und von ihm selbst auch der Konsum von Alkohol zugegeben. Die Untersuchung mittels Alkomat ergab um 7.49 Uhr einen Wert von 0,40 mg/l (Verdacht nach § 5 Abs. 1 StVO). Eine Blutabnahme wurde vom Beschwerdeführer abgelehnt. Nach telefonischer Rückfrage beim diensthabenden Beamten der belangten Behörde FI Franz E. forderte Rev.Insp. Franz K. vom Beschwerdeführer den Erlag einer vorläufigen Sicherheit gemäß § 37 a Abs. 2 Z. 2 VStG in der Gesamthöhe von S 11.000,-- und zwar von S 8.000,-- für die Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO und je S 1.500,-- für die Übertretungen nach § 20 Abs. 2 und § 20 Abs. 1 StVO. Da der Beschwerdeführer den Betrag nicht mit sich führte, ließ er seinen Arbeitgeber verständigen, der sodann das Geld überbrachte. Der Beschwerdeführer händigte den Betrag an den Gendarmeriebeamten aus, der dem Beschwerdeführer hierüber die mit der Nr. 01806 versehene (und mit 21. Juni 1990 datierte) Bescheinigung über die Einhebung eines Betrages von S 11.000,-- als vorläufige Sicherheit mit der Rechtsgrundlage § 37 a Abs. 2 Z. 2 VStG ausstellte.

Diese Feststellungen gründen sich auf die Gendarmerieanzeige vom 21. Juni 1990 sowie die im Verwaltungsstrafverfahren abgelegten Zeugenaussagen des Meldungslegers Rev.Insp. Franz K. und des Rev.Insp. Andreas H. Die mit der Anzeige übereinstimmenden Angaben der Beamten sind schlüssig und widerspruchsfrei. Auch der Beamte der belangten Behörde FI Franz E. bestätigte als Zeuge, daß die Einhebung auf Grund der Rücksprache des Anzeigers mit ihm im Gesamtbetrag von S 11.000,-- wegen Vorliegens des Verdachtes der drei Übertretungen erfolgte. Dafür, daß die vorläufige Sicherheit von S 11.000,-- nicht nur wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO, sondern S 8.000,-- für diese Übertretung und je S 1.500,-- im Hinblick auf den Verdacht der Begehung von zwei weiteren Übertretungen (nämlich § 20 Abs. 2 und § 20 Abs. 1 StVO) eingehoben wurde, spricht auch der Umstand, daß die Anzeige bereits am Tattag nicht nur wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO, sondern auch wegen der genannten Übertretungen der Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgte. Da auch der Beschwerdeführer keine relevanten Gründe gegen die Glaubwürdigkeit der Beamten vorzubringen vermochte, bestand keine Veranlassung, ihren Aussagen nicht zu folgen.

Ausgehend von diesen Feststellungen hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Mag es auch zutreffen, daß die Gegenschrift der belangten Behörde erst nach Ablauf der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Achtwochenfrist erstattet wurde, so sieht das Gesetz keine Regelung des Inhaltes vor, wonach eine solche Gegenschrift zurückzuweisen und auf ihren Inhalt nicht mehr Bedacht zu nehmen ist. Den damit im Zusammenhang stehenden Ausführungen des Beschwerdeführers kommt daher keine Berechtigung zu.

Nach § 37 a Abs. 1 VStG kann der (hiezu ermächtigte) Beamte eine vorläufige Sicherheit bis zum Betrag von S 2.500,-- festsetzen und einheben. Es bleiben aber besondere Ermächtigungen nach anderen Verwaltungsvorschriften unberührt, was bedeutet, daß z.B. nach der Ermächtigung des § 100 Abs. 3 StVO in der Fassung der 15. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 86/1989, - eine Unterteilung des Abs. 3 in lit. a (und b), wie es der Beschwerdeführer vorbringt, kennt die StVO seither nicht mehr - als vorläufige Sicherheit nach § 37 a VStG bei Verdacht einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 ein Betrag von S 8.000,-- festgesetzt werden kann. Bei Vorliegen des Verdachtes einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO - wie im gegenständlichen Fall - kann daher für diese Übertretung allein schon eine vorläufige Sicherheit von S 8.000,-- eingehoben werden.

Aus den Bestimmungen des § 37 a VStG und dem gegebenen Gesetzeszusammenhang ergibt sich, daß sich die Einschränkung des Abs. 1 auf den Betrag von S 2.500,-- auf das einzelne Delikt bezieht, also bei Vorliegen des Verdachtes mehrerer Übertretungen für jede Übertretung eine vorläufige Sicherheit bis zu S 2.500,--, bzw. im Fall einer besonderen Ermächtigung, wenn ein Gesetz für ein bestimmtes Delikt eine andere Betragsgrenze vorsieht, für dieses Delikt der dort genannte Betrag eingehoben werden darf (vgl. auch die im wesentlichen gleichgelagerte Regelung des § 47 VStG und hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Anm. 8 zu § 47 VStG, S. 991). Für den vorliegenden Fall hatte dies zur Folge, daß es dem anzeigenden Gendarmeriebeamten nicht verwehrt war, eine vorläufige Sicherheit von S 8.000,-- für die Übertretung nach § 5 Abs. 1 und Sicherheiten von je S 1.500,-- für die beiden anderen Übertretungen, somit insgesamt einen Betrag von S 11.000,--, einzuheben. Der Ansicht des Beschwerdeführers, es hätte nur eine vorläufige Sicherheit von S 8.000,-- eingehoben werden dürfen, kommt daher keine Berechtigung zu.

Aber auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, es wäre die Voraussetzung des § 37 a Abs. 2 Z. 2 VStG, wonach die Zulässigkeit der Einhebung erfordere, daß die Strafverfolgung der betroffenen Person offenbar unmöglich oder wesentlich erschwert sei, nicht gegeben gewesen, vermag nicht durchzuschlagen. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer mit einer deutschen Staatsbürgerin verheiratet ist und seinen Wohnsitz in Deutschland hat, also der Mittelpunkt seines Lebens im Ausland gelegen ist, was auch zeigt, daß er einen Pkw mit deutschem Kennzeichen benützt, und nur während der Saison in einem Fremdenverkehrsbetrieb in Österreich tätig ist, konnte davon ausgegangen werden, daß die Strafverfolgung in Österreich wesentlich erschwert sein werde. Der Gendarmeriebeamte war daher berechtigt, die vorläufige Sicherheit einzuheben.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Im Hinblick auf § 59 Abs. 3 letzter Satz VStG waren die Pauschbeträge für Schriftsatzaufwand und Vorlageaufwand zuzusprechen.

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