VwGH 89/12/0140

VwGH89/12/014022.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 7. Juni 1989, Zl. 56.037/39-17/89, betreffend Studienförderung, zu Recht erkannt:

Normen

AHStG §19;
StudFG 1983 §2 Abs3 litg;
StudFG 1983 §2 Abs4 lita;
StudFG 1983 §2 Abs4 litb;
StudFG 1983 §2 Abs4;
Studienrichtung geisteswissenschaftlich naturwissen §5 Abs3;
VwRallg;
AHStG §19;
StudFG 1983 §2 Abs3 litg;
StudFG 1983 §2 Abs4 lita;
StudFG 1983 §2 Abs4 litb;
StudFG 1983 §2 Abs4;
Studienrichtung geisteswissenschaftlich naturwissen §5 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 17. Jänner 1965 geborene Beschwerdeführerin studiert seit dem Wintersemester 1983/84 Pharmazie an der Universität Innsbruck.

Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens hat die Beschwerdeführerin in den Studienjahren 1983/84, 1984/85 und im Wintersemester 1985/86 Studienbeihilfe bezogen. Im dritten Semester ihres Studiums (27. November 1984) hat sie den erforderlichen Nachweis eines günstigen Studienerfolges durch die Vorlage von Prüfungszeugnissen im Umfang von

26 Semesterwochenstunden erbracht.

Am 9. Dezember 1988, in ihrem 11. Semester, hat die Beschwerdeführerin die erste Diplomprüfung der Studienrichtung Pharmazie absolviert.

In weiterer Folge brachte sie am 15. Dezember 1988 einen Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe und am 5. Jänner 1989 ein Ansuchen um Nachsicht wegen der Überschreitung der Studienzeit ein, das vom Senat der Studienbeihilfenbehörde befürwortend an die belangte Behörde weitergeleitet wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 5. Jänner 1989 um Nachsicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 lit. g des Studienförderungsgesetzes 1983 gemäß § 2 Abs. 4 lit. b leg. cit. ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Rechtslage weiter aus:

Ihre Studienverzögerung begründe die Beschwerdeführerin im wesentlichen mit einer Erkrankung in den ersten beiden Studienjahren.

Gemäß § 2 Abs. 4 lit. b StudFG könne das Vorliegen wichtiger Gründe nur dann die Überschreitung der Studienzeit rechtfertigen, wenn die Studienverzögerung überwiegend auf die genannten Gründe zurückzuführen sei.

Bei einer Überschreitung der "Studienzeit von insgesamt sieben Semestern müßte eine begründete Studienverzögerung von mindestens vier Semestern" geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin habe Bestätigungen des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Dr. G, und ihres Hausarztes, Dr. H, vorgelegt, in welchen diese im wesentlichen bestätigten, daß die Beschwerdeführerin in den Jahren 1983 bis 1985 wegen depressiver Verstimmungen und Angstzuständen in Behandlung gestanden sei und durch diese Erkrankung in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin habe vom Wintersemester 1983/84 bis einschließlich Wintersemester 1985/86 Studienbeihilfe bezogen. Sie habe dabei bei der Studienbeihilfenbehörde keine Studienbehinderung auf Grund ihrer Erkrankung geltend gemacht. Der Anspruch auf Studienbeihilfe ruhe nämlich während der vollen Monate, in welchen der Studierende am Studium behindert sei. Damit könne aber die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Erkrankung (Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit) höchstens eine Studienverzögerung von zwei Semestern rechtfertigen.

Da somit die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gründe nicht überwiegend die Studienverzögerung bewirkt hätten, könne dem Ansuchen der Beschwerdeführerin nicht entsprochen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 3 lit. g des Studienförderungsgesetzes 1983, BGBl. Nr. 436, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 379/1988, gemäß dessen Art. II Abs. 1 in Kraft getreten am 1. September 1988, besteht ein Anspruch auf Studienbeihilfe nicht, wenn die erste Diplomprüfung nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert wird.

Nach § 2 Abs. 4 des genannten Gesetzes kann der zuständige Bundesminister auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde

a) bei Studien im Ausland, besonders umfangreichen und zeitaufwendigen wissenschaftlichen Arbeiten oder ähnlichen außergewöhnlichen Studienbelastungen zu der in Abs. 3 lit. b bis d genannten Anspruchsdauer Studienbeihilfe für ein weiteres Semester bewilligen oder

b) bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der lit. a oder des Abs. 3 letzter Satz die Überschreitung der Studienzeit im Sinne des Abs. 2 lit. a und Abs. 3 lit. g nachsehen,

wenn die Studienverzögerung überwiegend auf die genannten Gründe zurückzuführen ist.

Der letzte Satz des Abs. 3 der genannten Bestimmung lautet:

"Als wichtige Gründe im Sinne der lit. b bis d gelten Krankheit, die Pflege und Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr und jedes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis, das der Studierende nicht selbst verschuldet hat, sofern dadurch der Studienerfolg nachweislich beeinträchtigt wurde, sowie Schwangerschaft, sofern dadurch der Besuch von Lehrveranstaltungen nicht möglich war."

Gemäß § 5 Abs. 3 des Bundesgesetzes über geistes- und naturwissenschaftliche Studienrichtungen (BGBl 326/1971) beträgt die Studienzeit des ersten Studienabschnittes für die Studienrichtung "Pharmazie" vier Semester.

Die erste Diplomprüfung ist daher im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. g des Studienförderungsgesetzes 1983 spätestens im neunten Semester des ersten Studienabschnittes abzulegen.

Im Beschwerdefall ist primär die Rechtsfrage strittig, für welchen Zeitraum der "Überschreitung der Studienzeit" bzw. der "Studienverzögerung" die Beschwerdeführerin "wichtige Gründe" nachzuweisen hat.

Nach der Beschwerde sei nur maßgebend, daß die Beschwerdeführerin die erste Diplomprüfung innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters, also innerhalb von neun Semestern, nicht absolviert habe, sondern hiefür 11 Semester benötigt habe. Die Überschreitung der Studienzeit betrage daher lediglich zwei Semester; wenn also - das räume die belangte Behörde ein - eine begründete Studienverzögerung von zwei Semestern nachgewiesen worden sei, genüge dies damit als Voraussetzung für die beantragte Nachsicht.

Diese Rechtsauffassung teilt der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der belangten Behörde aus folgenden Überlegungen nicht:

In § 2 Abs. 4 lit. b des Studienförderungsgesetzes 1983 ist zwischen der "Überschreitung der Studienzeit im Sinne des Abs. 3 lit. g " und dem im letzten Halbsatz des Abs. 4 verwendeten Begriff der "Studienverzögerung" zu unterscheiden.

Terminologisch bedeutet "Studienverzögerung" schon nach dem Wortlaut die Überschreitung der Studienzeit, und zwar ohne eine Einschränkung, wie sie im Abs. 4 lit. b normiert ist (vgl. auch 24 der Beilagen des Nationalrates XV. GP, S 3 zu BGBl. 425/1979 und 635 der Beilagen des Nationalrates XVI. GP, S 11 zu BGBl. 361/1985). Im Beschwerdefall liegt zwar eine Überschreitung der Studienzeit nach Abs. 3 lit. g der genannten Bestimmung von lediglich zwei Semestern vor. Dies würde zum Verlust des Anspruches auf Studienbeihilfe führen, soferne nicht die Ermessensregelung des Abs. 4 eingreift. Daraus folgt aber nicht, daß der im letzten Halbsatz des Abs. 4 verwendete Begriff "Studienverzögerung" nur auf die Überschreitung der Studienzeit im Sinne des Abs. 3 lit. g der genannten Regelung abstellt. Daß dem im letzten Halbsatz des Abs. 4 verwendeten Begriff "Studienverzögerung" eine allgemeine, nicht nur auf lit. b bezogene Bedeutung zukommt, ergibt sich vielmehr schon daraus, daß die Studienverzögerung auch bei den Voraussetzungen nach lit. a des Abs. 4 in gleicher Weise gegeben sein muß.

Im Gegenteil zeigt die Verwendung des Begriffes "Studienverzögerung" im letzten Halbsatz des Abs. 4, daß diesem Begriff eine allgemeine, nicht nur auf lit. b zu beziehende Bedeutung zukommt. Der Begriff "Studienverzögerung" ist daher in bezug auf die Dauer des Normalstudiums zu sehen und nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - in bezug auf die im § 2 Abs. 3 leg. cit. festgelegte Grenze.

Im Beschwerdefall hat - ausgehend von der Dauer des Normalstudiums von vier Semester bis zur Ablegung der Diplomprüfung im 11. Semester die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht eine Studienverzögerung von insgesamt sieben Semestern angenommen.

Entsprechend § 2 Abs. 4 StudFG ist weiter zu prüfen, ob diese Studienverzögerung überwiegend auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Erkrankung "in den ersten beiden Studienjahren" (das ist nach § 19 AHStG die Zeit vom 1. Oktober 1983 bis 30. September 1985) zurückzuführen ist.

Ausgehend davon, daß die Beschwerdeführerin nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens für die ersten beiden Semester ihres Studiums den erforderlichen Nachweis eines günstigen Studienerfolges erbracht hat, können diese beiden Semester keinesfalls eine Behinderungszeit darstellen. selbst wenn die beiden folgenden Semester (und die Ferien) eine Behinderungszeit darstellen sollten, so hatte die Beschwerdeführerin doch bis zum Ablauf der neun Semester (Überschreitung der Studienzeit i.S. des § 2 Abs. 3 lit. g) noch fünf Semester zur Ablegung der ersten Diplomprüfung zur Verfügung. Daß sie in dieser Zeit sonst behindert gewesen wäre oder aus studienrechtlichen Gründen die erste Diplomprüfung nicht hätte absolvieren können, behauptet die Beschwerdeführerin nicht; auch sonst gibt es dafür keine Anzeichen.

Solcherart ist von vornherein ersichtlich, daß die behauptete Behinderungszeit von - letztlich - zwei Semestern (WS 1984/85, SS 1985 und die Ferien) nicht der "überwiegende" Grund für die Studienverzögerung von sieben Semestern nach § 2 Abs. 4 StudFG, und zwar im qualitativen Sinn einer Abwägung der Gesamtumstände, für die Ablegung der ersten Diplomprüfung erst im WS 1988/89 war.

Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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