Normen
ASVG §67 Abs3;
ASVG §67;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68;
VwRallg;
ASVG §67 Abs3;
ASVG §67;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §68;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 24. März 1989 verpflichtete die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse die mitbeteiligte Partei als Betriebsnachfolger gemäß §§ 67 Abs. 4 und 83 ASVG, die auf dem Beitragskonto des Betriebsvorgängers J-OHG, W, rückständigen Sozialversicherungsbeiträge Rest Mai 1986 bis Rest November 1986, Rest 1. Nachtrag Mai 1986, Rest 3. Nachtrag Juli 1986 und Rest 3. Nachtrag Februar 1987 samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 10. März 1989) im Betrag von S 984.970,04 zuzüglich Verzugszinsen seit 11. März 1989 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 731.728,95, binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Nach der Begründung habe der Betriebsvorgänger in der im Spruch angegebenen Adresse eine Möbelfabrik geführt. Am 1. Dezember 1986 habe die mitbeteiligte Gesellschaft auf Grund eines mit dem Betriebsvorgänger abgeschlossenen Veräußerungsgeschäftes diesen Betrieb übernommen. Auf dem Beitragskonto des Betriebsvorgängers seien folgende, in den Haftungszeitraum des § 67 Abs. 4 ASVG fallende Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren unbeglichen:
"Beiträge
R 5/86 - R 11/86, R 1 N 5/86,
R 3 N 7/86, R 3 N 2/87 .................. S 731.728,95
Verzugszinsen, verrechnet
bis 10.3.1989 ........................... S 216.470,62
Restliche Verzugszinsen 2,3/86 .......... S 35.790,09
Mahngebühren, Verwaltungsauslagen ....... S 980,38
Summe S 984.970,04"
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Einspruch.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch stattgegeben und ausgesprochen, daß die mitbeteiligte Partei nicht verpflichtet sei, die im Spruch der Gebietskrankenkasse angeführten Beiträge zu bezahlen.
In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Einspruchsvorbringen der mitbeteiligten Partei, wonach die ihr vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge der Firma J-OHG gemäß § 68 Abs. 1 ASVG verjährt seien.
Dazu bemerkte die belangte Behörde, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/08/0252, ausgesprochen habe, daß grundsätzlich die Verjährungsregeln des § 68 ASVG ihrem Wortlaut nach auf den Beitragsschuldner zugeschnitten seien, aber auf den Beitragsmithaftenden gemäß § 67 ASVG nur sinngemäß angewendet werden könnten. Da die Rechtswirksamkeit einer Haftung gemäß § 67 ASVG einen bescheidmäßigen Ausspruch dem Haftpflichtigen gegenüber voraussetze, könne die Verjährung dem Beitragsmithaftenden gegenüber nicht durch jede zum Zweck der Hereinbringung getroffene Maßnahme, sondern nur durch die Erlassung eines Bescheides, mit dem die Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 ASVG ausgesprochen werde, unterbrochen werden. Im Beschwerdefall sei der Bescheid der Gebietskrankenkasse der mitbeteiligten Partei am 28. März 1989 zugestellt worden. Da die vorgeschriebenen Beiträge des Betriebsvorgängers, nämlich der Rest Mai 1986 Ende Mai 1986, der Rest November 1986 Ende November 1986, der 1. Nachtrag Mai 1986 Ende April 1986, der 3. Nachtrag Juli 1986 Ende Juni 1986 und der 3. Nachtrag Februar 1987 Ende November 1986 fällig geworden seien, sei die belangte Behörde der Auffassung, daß die der mitbeteiligten Partei vorgeschriebenen Beiträge verjährt seien.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die beschwerdeführende Kasse vertritt im wesentlichen die Auffassung, daß die Verjährung des Rechtes der Feststellung der Zahlungsverpflichtung von Beitragsmithaftenden auch durch jede zum Zweck der Feststellung der Haftung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen werde, in dem der Zahlungspflichtige, also der Beitragsmithaftende, davon in Kenntnis gesetzt werde. Nach Ansicht der Kasse seien auf den Beitragsmithaftenden nicht nur die Bestimmungen des § 68 Abs. 2 ASVG, sondern auch die Bestimmungen des § 68 Abs. 1 ASVG sinngemäß anzuwenden. Die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1988 enthaltene Aussage, die Verjährung werde nur durch die Erlassung eines Bescheides, mit dem die Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 ASVG ausgesprochen werde, unterbrochen, komme keine über den Anlaßfall hinausgehende Bedeutung zu. Der Gegenstand dieser Entscheidung habe nämlich einen Fall betroffen, in dem die als Beitragsmithaftende in Anspruch genommene Person ohne Hinweis auf zur Feststellung der Haftung durchgeführte Ermittlungen zur Zahlung des Rückstandes aufgefordert worden sei. § 68 ASVG unterscheide zwischen der Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (Abs. 1) und der Verjährung des Rechtes auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden (Abs. 2). Selbst wenn die Geltendmachung der Beitragsmithaftung als Einforderung festgestellter Beitragsschulden zu gelten habe, sei jedenfalls - bevor die Beiträge vom Haftenden eingehoben werden könnten - das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen zu ermitteln und dann die Zahlungsverpflichtung des Haftenden festzustellen. Es sei nicht einzusehen, warum zwar beim Beitragsschuldner gemäß § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen werde, in dem er als Zahlungspflichtiger hievon in Kenntnis gesetzt werde, beim Beitragsmithaftenden aber die zur Feststellung der Haftung gesetzte Maßnahme nicht verjährungsunterbrechend wirken solle.
Für das Feststellen der Haftung gemäß § 67 Abs. 4 ASVG sei es erforderlich, nicht denjenigen festzustellen, der nach einem anderen einen Betrieb führe, sondern den, der den Betrieb auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger erworben habe. Der Eigentümer eines Betriebes lasse sich in der Regel nur durch die Einsichtnahme in die entsprechenden Urkunden feststellen, weil sonstige Auskunftspersonen, wie z.B. Dienstnehmer, nicht über die rechtlichen Verhältnisse, die zur Führung eines Betriebes berechtigten, informiert seien. Folge man der Auffassung der belangten Behörde, so wäre es für einen Betriebsnachfolger im Hinblick auf die kurze zweijährige Verjährungsfrist relativ leicht, durch eine Verzögerung der Ermittlungen (z.B. Nichtvorlegen der entsprechenden Unterlagen) die Verjährung eintreten zu lassen. Es sei nicht einzusehen, warum gerade Beitragsmithaftende, die doch in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Naheverhältnis zum Beitragsschuldner stünden, hinsichtlich der Verjährung günstiger gestellt sein sollten, als der Beitragsschuldner. Da im Beschwerdefall mit Schreiben vom 21. August 1987 die mitbeteiligte Partei von der Beschwerdeführerin davon in Kenntnis gesetzt worden sei, daß Erhebungen zur Feststellung der Haftung getroffen würden und ihr gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt werde, allfällige Einwendungen gegen die Haftung vorzubringen, sei die Beschwerdeführerin der Auffassung, daß damit eine Unterbrechung der Verjährung eingetreten sei.
2.2. § 67 Abs. 4 ASVG in der Fassung der 41. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, bestimmt:
"(4) Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409 a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist."
§ 68 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 34. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 530/1979 und Abs. 2 in der Stammfassung BGBl. Nr. 189/1955, lauten auszugsweise:
"(1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge... Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird."
"(2) Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie z.B. durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung gehemmt..."
2.3. Zu § 68 ASVG hat der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 15. Dezember 1988, Zl. 88/08/0252, folgendes ausgeführt:
"Die Verjährungsregeln des § 68 ASVG sind ihrem Wortlaut nach auf Beitragsschuldner zugeschnitten. Auf Beitragsmithaftende gemäß § 67 ASVG können sie nur sinngemäß angewendet werden. § 68 ASVG unterscheidet zwischen der Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen (Abs. 1) und der Verjährung des Rechtes auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden (Abs. 2). Die Bestimmungen des Abs. 1 über die Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen betreffen dem Wesen nach (bloß) die Beitragsschulden an sich. Auf die Beitragsmithaftenden wirken sich diese Bestimmungen insofern aus, als Beitragsschulden, die nach § 68 Abs. 1 ASVG dem Beitragsschuldner gegenüber noch nicht verjährt sind, auch gegen die Beitragsmithaftenden geltend gemacht werden können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1967, Zl. 1037/66, VwSlg. 7066/A). Werden - unverjährte - Beitragsschulden festgestellt, dann beginnt mit der Verständigung des Zahlungspflichtigen (d.i. des Beitragsschuldners) vom Ergebnis der Feststellung die zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 2 ASVG für die Einforderung der festgestellten Beitragsschulden zu laufen. Diese Verjährungsfrist gilt für die Einforderung der Beitragsschulden sowohl beim Beitragsschuldner als auch beim Beitragsmithaftenden gemäß § 67 ASVG. Die Verjährung wirkt in diesem Falle den für Solidarschulden geltenden Grundsätzen zufolge (vgl. u.a. Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 894 und die dort angeführte Lehre und Rechtsprechung) für und gegen jeden Betroffenen gesondert. Da die Rechtswirksamkeit einer Haftung nach § 67 ASVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 22. September 1988, Zl. 87/08/0262) einen bescheidmäßigen Ausspruch dem Haftpflichtigen gegenüber voraussetzt, kann die Verjährung dem Beitragsmithaftenden gegenüber nicht durch jede zum Zweck der Hereinbringung getroffene Maßnahme, sondern nur durch die Erlassung eines Bescheides, mit dem die Haftung für die Beitragsschulden gemäß § 67 ASVG ausgesprochen wird, unterbrochen werden. Ohne vorherigen bescheidmäßigen Ausspruch käme anderen Maßnahmen, wie insbesondere der im Gesetz beispielsweise angeführten Zustellung einer an den Beitragsmithaftenden gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) keine den Lauf der Verjährungsfrist unterbrechende Wirkung zu, entsteht doch die Zahlungspflicht nach der erwähnten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erst durch die Erlassung des Haftungsbescheides..."
2.4. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß die der mitbeteiligten Partei mit Bescheid der beschwerdeführenden Kasse vorgeschriebenen Beiträge bei der primären Beitragsschuldnerin (J-OHG) spätestens Ende November 1986 fällig geworden und im Zeitpunkt der Erlassung des (erstinstanzlichen) Haftungsbescheides ihr gegenüber gemäß § 68 Abs. 1 ASVG bereits verjährt waren. Diesem Umstand ist die beschwerdeführende Kasse auch in ihrem Beschwerdeschriftsatz nicht entgegengetreten. Im Hinblick auf die unter Punkt 2.2. wiedergegebene Rechtsprechung - von der abzugehen der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren keinen Anlaß findet -, war damit jedoch, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, eine Geltendmachung der Beitragshaftung der mitbeteiligten Partei gemäß § 67 Abs. 4 ASVG ausgeschlossen.
Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Kasse, es wäre für einen Betriebsnachfolger im Hinblick auf die kurze zweijährige Verjährungsfrist relativ leicht, durch eine Verzögerung der Ermittlungen die Verjährung eintreten zu lassen, ist zu erwidern, daß die Haftung des Betriebsnachfolgers jedenfalls so lange geltend gemacht werden kann, als die Beitragsforderung gegenüber dem primären Beitragsschuldner nicht verjährt ist und die Verjährung des Feststellungsrechtes diesen gegenüber nach § 68 Abs. 1 ASVG durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffenen Maßnahme in dem Zeitpunkt UNTERBROCHEN wird, in dem der (ohnehin bekannte) Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.
2.5. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwenden war.
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