VwGH 89/07/0109

VwGH89/07/010915.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 13. April 1989, Zl. LAS-186/2-88, betreffend Teilung einer Stammsitzliegenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §18;
FlVfGG §19;
FlVfGG §23 Abs1;
FlVfGG §23 Abs2;
FlVfGG §29;
FlVfGG §31 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §33 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4;
FlVfLG Tir 1978 §39 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §54 Abs3 litb;
FlVfLG Tir 1978 §54 Abs6;
StGG Art2;
B-VG Art7 Abs1;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §18;
FlVfGG §19;
FlVfGG §23 Abs1;
FlVfGG §23 Abs2;
FlVfGG §29;
FlVfGG §31 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §33 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs3;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4;
FlVfLG Tir 1978 §39 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §54 Abs3 litb;
FlVfLG Tir 1978 §54 Abs6;
StGG Art2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. November 1988 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz über den Antrag des Beschwerdeführers auf agrarbehördliche Genehmigung des zwischen diesem als Käufer sowie RT und ST als Verkäuferinnen abgeschlossenen Kaufvertrages vom 23. Juni 1988 dahin, daß gemäß § 39 Abs. 1 und § 38 Abs. 4 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1984 (TFLG), die Bewilligung zur Teilung der Stammsitzliegenschaft EZ 482 II KG X verweigert wurde. Die Berufung des Beschwerdeführers wies sodann der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Erkenntnis vom 13. April 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) ab. Begründend wurde auf § 39 Abs. 1 TFLG Bezug genommen und ausgeführt:

Im Beschwerdefall seien mit der Liegenschaft in EZ 482 II KG X Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft X verbunden. Diese Liegenschaft sei eine Stammsitzliegenschaft im Sinne des § 34 TFLG. Eine Stammsitzliegenschaft könne auch eine nichtbäuerliche Liegenschaft sein, was im gegenständlichen Fall bei einem Gutsbestand von nur 2.276 m2 angenommen werden müsse. Auch bei Stammsitzliegenschaften, die derzeit keinen Landwirtschaftsbetrieb darstellten, gelte uneingeschränkt der § 39 TFLG. Die ratio legis dieser Bestimmung sei einzig und allein, bei der Teilung von Stammsitzliegenschaften dafür Sorge zu tragen, daß die Anteilsrechte bäuerlichen Betrieben zugeführt würden. Nach dem historischen Verständnis seien die Anteilsrechte der Stammsitzliegenschaften dazu bestimmt, den Haus- und Gutsbedarf bäuerlicher Liegenschaften an Nutz- und Brennholz zu decken. Es sei jedoch durchaus denkbar, daß frühere bäuerliche Stammsitzliegenschaften durch Abtrennung (Teilung) von Grundstücken so viel an wirtschaftlicher Substanz eingebüßt hätten, daß sie heute nicht mehr als landwirtschaftliche Liegenschaften anzusehen seien. Dennoch stellten sie, weil mit ihnen Anteilsrechte verbunden seien, Stammsitzliegenschaften dar und gelte für sie die Bestimmung des § 39 TFLG. Der Landesagrarsenat könne sich der Rechtsansicht des Beschwerdeführers nicht anschließen, daß bei der Teilung einer Stammsitzliegenschaft, die keinen bäuerlichen Betrieb mehr darstelle, die Schaffung und Erhaltung bäuerlicher Betriebe bei der Teilung einer Stammsitzliegenschaft außer Betracht zu bleiben hätte. Der Beschwerdeführer übersehe nämlich den letzten Satz des § 39, wonach die Bestimmungen des § 38 Abs. 4 TFLG sinngemäß gälten. Nach § 38 Abs. 4 TFLG sei ein Anteilsrechterwerb abzulehnen, wenn er nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes diene. Aus der Anführung der Bestimmung des § 38 Abs. 4 im § 39, der von der Teilung von Stammsitzliegenschaften spreche, sei nach Ansicht des Landesagrarsenates zu schließen, daß bei jeder Teilung einer Stammsitzliegenschaft, bei welcher Anteilsrechte Teilen einer Stammsitzliegenschaft zugeteilt würden, gleichzeitig von einem Erwerb von Anteilsrechten für den Teil einer Stammsitzliegenschaft, mit welchem sie verbunden würden, gesprochen werden könne. Der Landesagrarsenat sei daher der Ansicht, daß mit der Teilung einer Stammsitzliegenschaft auch gleichzeitig ein Erwerb von Anteilsrechten verbunden sei. Gemäß § 38 Abs. 4 TFLG, der auch bei der Teilung einer Stammsitzliegenschaft anzuwenden sei, und zwar auch dann, wenn es sich um keinen bäuerlichen Betrieb mehr handle, sei die Teilung dann abzulehnen, wenn das Anteilsrecht nicht einem bäuerlichen Betrieb zur Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit zukomme. Im gegenständlichen Fall solle das Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft X bei der Bp. 68, die nur ein Ausmaß von 377 m2 habe, verbleiben. Schon aus dem Flächenausmaß der Bauparzelle sei zu ersehen, daß diese Liegenschaft keinen bäuerlichen Betrieb darstellen könne, so daß auch gesagt werden müsse, daß eine Bindung dieses Anteilsrechtes an die Bp. 68 nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines bäuerlichen Betriebes dienen könne und daher abzulehnen sei. Der Landesagrarsenat sei nämlich im Gegensatz zum Beschwerdeführer der Ansicht, daß es auch bei der Teilung von Stammsitzliegenschaften, die keine bäuerlichen Betriebe mehr darstellten, im Interesse der Landeskultur liege, daß die Anteilsrechte wieder bäuerlichen Betrieben zugeführt würden. Der Landesagrarsenat sei aufgrund dieser Überlegung der Ansicht, daß die Agrarbehörde erster Instanz die gegenständliche Teilung der Stammsitzliegenschaft 482 II KG X zu Recht abgelehnt habe.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf agrarbehördliche Bewilligung der mit dem angegebenen Kaufvertrag vorgesehenen Teilung der bezeichneten Stammsitzliegenschaft verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird eine Stammsitzliegenschaft geteilt, so ist gemäß § 39 Abs. 1 TFLG in die Teilungsurkunde eine Bestimmung darüber aufzunehmen, ob mit dem Trennstück Mitgliedschaftsrechte an einer Agrargemeinschaft auf den Erwerber übergehen oder nicht; diese Bestimmung bedarf zu ihrer Gültigkeit der Bewilligung der Agrarbehörde, welche darauf zu achten hat, daß die Anteilsrechte den Trennstücken im Verhältnis ihres wirtschaftlichen Bedarfes zustehen, und die Bewilligung verweigern muß, wenn die Teilung den wirtschaftlichen Bedürfnissen der beteiligten Liegenschaften, insbesondere der Schaffung und der Erhaltung leistungsfähiger bäuerlicher Betriebe, und den Rücksichten der Landeskultur widerspricht, wobei § 38 Abs. 4 TFLG sinngemäß gilt.

Gemäß § 38 Abs. 3 TFLG darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden. Die Bewilligung nach § 38 Abs. 3 ist gemäß § 38 Abs. 4 TFLG unter anderem dann zu verweigern, wenn (lit. d) der Erwerb des Anteilsrechtes nicht der Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes dient, sofern dieser Erwerb nicht durch die Agrargemeinschaft bzw. durch die Gemeinde als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundbesitzes erfolgt.

Da die Teilung einer Stammsitzliegenschaft unmittelbar - das heißt, sofern es nicht in der Folge auch noch zu einer Vereinigung der geteilten, mit Anteilsrechten verbundenen Stammsitzliegenschaft mit einer fremden Liegenschaft kommt - keinen "Erwerb" des Anteilsrechtes bewirkt, sondern nur eine dahin gehende Veränderung, daß die Anteilsrechte nun nicht mehr (zur Gänze) mit der bisherigen, ungeteilten Liegenschaft verbunden bleiben, und in Anbetracht der Bestimmung des § 39 Abs. 1 TFLG, daß die Anteilsrechte den Trennstücken im Verhältnis ihres wirtschaftlichen Bedarfes zustehen müssen, die Neuverteilung der Anteilsrechte wirtschaftlich zu keiner Änderung und daher auch zu keiner Verbesserung in bezug auf die geteilte Liegenschaft (die Trennstücke) führt, ist § 38 Abs. 4 TFLG nur dann - und das heißt: im Beschwerdefall NICHT - anzuwenden, wenn zumindest eines der Trennstücke zusammen mit den bei diesem verbliebenen Anteilsrechten mit einer anderen Liegenschaft dauernd verbunden wird - was im Beschwerdefall nicht vorgesehen ist. Zu einer bloß "sinngemäßen" Anwendung des § 38 Abs. 4 TFLG kommt es in einem solchen (hier nicht gegebenen) Fall deshalb, weil § 38 Abs. 4 TFLG in seiner ursprünglichen Bedeutung die Absonderung von Anteilsrechten ohne Hinzunahme von Teilen jener Liegenschaft betrifft, von der abgesondert wird.

Im Beschwerdefall bleibt daher zu untersuchen, ob - da die Verteilung der Anteilsrechte auf die Trennstücke in der Weise, daß jene nur bei der Bp. 68 bleiben sollen, auch seitens der Agrarbehörden nicht beanstandet wurde - die Teilung (nun nicht der Anteilsrechte, sondern der Liegenschaft selbst) den wirtschaftlichen Bedürfnissen der "beteiligten Liegenschaften" - das sind im Beschwerdefall die beiden Trennstücke -, insbesondere bei der Schaffung und Erhaltung leistungsfähiger bäuerlicher Betriebe, und den Rücksichten der Landeskultur widerspricht. Das Gesetz zielt damit "insbesondere" darauf ab, daß aus der Teilung stets leistungsfähige bäuerliche Betriebe resultieren, sei es daß ein bisher leistungsfähiger bäuerlicher Betrieb bei der Teilung als solcher erhalten bleibt, sei es daß dann, wenn ein leistungsfähiger bäuerlicher Betrieb vor der Teilung nicht bestand, ein solcher wenigstens im Weg der Teilung geschaffen wird. Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall nicht erfüllt; denn durch die Teilung in eine mit den Anteilsrechten verbundene Bauparzelle im Ausmaß von 377 m2 und in einen 1899 m2 großen Acker wird weder ein leistungsfähiger bäuerlicher Betrieb erhalten, noch geschaffen. Damit ist das Schicksal der Beschwerde entschieden, ohne daß es noch einer Untersuchung spezifischer Rücksichten der Landeskultur bedürfte, weil diese nur noch in anderer, nicht der vom Gesetz ohnehin schon ausdrücklich zur Geltung gebrachten Hinsicht von Bedeutung wären.

Der Beschwerdeführer unterliegt bei seinem Vorbringen, mit dem er versucht, dieses Ergebnis abzuwenden, einem Irrtum über das Wesen von Stammsitzliegenschaften, wenn er in diesem Zusammenhang meint, von einer Unterscheidung zwischen bäuerlichen und nichtbäuerlichen Liegenschaften ausgehen und im Beschwerdefall einen Anspruch darauf ableiten zu können, daß der Bestand einer "nichtbäuerlichen" Stammsitzliegenschaft nicht durch agrarrechtliche Vorschriften gestört werde, welche zu einer engen Beziehung zwischen agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten und der Land- und Forstwirtschaft nötigen. Bei einer Stammsitzliegenschaft machen nämlich die land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke das wesentliche Element aus; es soll zu ihr stets ein landwirtschaftlicher Betrieb gehören (vgl. dazu die Regelung des § 54 Abs. 3 lit. b TFLG, wo von der Verknüpfung der beiden Begriffe - Stammsitzliegenschaft und landwirtschaftlicher Betrieb, und nur in diesem Sinn ist auch der "bäuerliche" Betrieb zu verstehen - ausgegangen wird). Im Laufe der Zeit - bekanntlich beruhen die Mitgliedschaftsrechte auf "alter Übung" (§ 33 Abs. 1 TFLG) - kann es in Einzelfällen allerdings aus verschiedenen Gründen, etwa durch substantielle Flächenverluste, aber auch wegen der inzwischen veränderten Anschauung über die erforderliche Mindestbetriebsgröße, dahin gekommen sein, daß es auf der betreffenden Stammsitzliegenschaft keinen (leistungsfähigen) landwirtschaftlichen Betrieb mehr gibt. Wenn das Gesetz solche Verhältnisse bis zu einem gewissen Grad toleriert (vgl. in diesem Zusammenhang die Bestimmung des § 54 Abs. 6 TFLG, der zufolge im Rahmen einer Einzelteilung oder Regulierung das mit einer Stammsitzliegenschaft verbundene Anteilsrecht als erloschen zu erklären ist, wenn zu ihr weder Wohn- und Wirtschaftsgebäude noch landwirtschaftliche Grundstücke in dem für die Haltung einer Großvieheinheit erforderlichen Mindestausmaß gehören), bedeutet das keineswegs, daß die an Teilungen von Stammsitzliegenschaften - da nun einmal Teilungen bewilligungsbedürftig sind - zu stellenden Anforderungen nicht an jenen Grundgedanken ausgerichtet sein dürften, die für das Mitgliedschaftsrecht typischerweise gelten, wie dies auch in § 33 Abs. 1 TFLG zum Ausdruck kommt, wonach die Nutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke seitens der Berechtigten unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke erfolgt. Daß dabei auf die gegebenen wirtschaftlichen Bedürfnisse Bedacht zu nehmen ist - die nicht GEGEN die Land- und Forstwirtschaft gerichtet verstanden werden dürfen - und daß keine anderen als "leistungsfähige" landwirtschaftliche (bäuerliche) Betriebe erhalten bzw. erzielt werden sollen, ist nur konsequent und sachlich gerechtfertigt, weshalb die diesbezüglichen, im Beschwerdefall anzuwenden gewesenen einfachgesetzlichen Regelungen auch - anders als der Beschwerdeführer annimmt - verfassungsgesetzlich unbedenklich erscheinen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich nach allem Vorgesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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