VwGH 88/13/0240

VwGH88/13/024017.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der C-GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 21.10.1988, Zl. 6/3-3306/7/85, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1983, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §188 Abs1;
EStG 1972 §23a;
BAO §188 Abs1;
EStG 1972 §23a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

An der beschwerdeführenden Gesellschaft m.b.H. & Co KG war bis 1983 unter anderem der Kommanditist J. beteiligt. Auf dem steuerlich maßgebenden Kapitalkonto des J. war zum 31. Dezember 1981 ein Betrag von S 499.990,-- ausgewiesen. Im Jahr 1982 erwirtschaftete die KG einen Verlust. Der steuerlich maßgebende Verlustanteil des J. betrug S 652.525,-- und führte gemäß § 23a EStG 1972 in der ursprünglichen Fassung in Höhe seines Kapitalkontos (= S 499.990,--) zum Verlustausgleich. Der Restbetrag von S 152.535,-- wurde als künftig verrechnungsfähiger Verlust (sogenannter "Wartetastenverlust") ausgewiesen.

Zu Beginn des Jahres 1983 schied J. aus der KG aus und bezahlte den beiden Gesellschaftern, die seinen Geschäftsanteil übernahmen, insgesamt S 186.270,--.

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darüber, ob durch diese Zahlung der "Wartetastenverlust" von S 152.535,-- im Jahr 1983 ausgleichsfähig geworden ist oder nicht.

Die belangte Behörde hat die Ausgleichsfähigkeit ursprünglich mit Bescheid vom 1. Dezember 1986 verneint. Dieser Bescheid wurde vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten, der jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 13. Juni 1987, B 78/87, ablehnte und sie an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. Vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde die Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 29. Februar 1988 unter anderem mit der Begründung klaglos gestellt, daß die Frage, ob und inwieweit Verluste gemäß § 23a EStG 1972 ausgleichsfähig sind, nicht im Gewinnfeststellungsbescheid, sondern in den jeweiligen Einkommensteuerbescheiden der Gesellschafter zu lösen sei. Die Klaglosstellung führte zur Einstellung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 25. Mai 1988, Zl. 87/13/0153.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin abermals abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin erklärt sich "durch den angefochtenen Bescheid in ihren aus § 23a EStG sowie § 15 BAO (richtig wohl § 115 BAO) erfließenden Rechten verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde vertritt die Rechtsansicht, daß J. seinen Kommanditanteil unentgeltlich übertragen habe. Sie begründet dies damit, daß das Kapitalkonto des J. nach der Bezahlung von insgesamt S 186.270,-- S - 2.966,77 betragen habe. "Da die mit diesem Mitunternehmeranteil (20 % des Vermögens) verbundenen anteiligen stillen Reserven den Betrag des negativen Kapitalkontos eindeutig übersteigen und die Übernehmer daher bereichert werden, liegt in diesem Fall eine unentgeltliche Übertragung und nicht einer Veräußerung vor".

Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, daß diese Feststellung unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen wurde.

Die belangte Behörde hat weder die Höhe der von ihr angenommenen stillen Reserven beziffert, noch diese Annahme der Beschwerdeführerin als Ergebnis der Beweisaufnahme vorgehalten. Sie hat damit gegen § 183 Abs. 4 BAO verstoßen, wonach den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben ist, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Außerdem ist ohne Feststellung des Ausmaßes der vermuteten anteiligen stillen Reserven die Aussage nicht schlüssig, daß die stillen Reserven "eindeutig" den Betrag des negativen Kapitalkontos überstiegen hätten. Der Hinweis auf den Bescheid betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1983 in der Gegenschrift vermag den letztgenannten Mangel schon deswegen nicht zu beseitigen, weil die in einem angefochtenen Bescheid fehlenden Begründungselemente in der Gegenschrift nicht nachgetragen werden können. Abgesehen davon entfaltet ein Bescheid, mit dem der Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt wird, keine Bindungswirkung für die bilanzsteuerliche Feststellung des Ausmaßes allfälliger stiller Reserven, sodaß die Beschwerdeführerin bei Kenntnis des Beweisergebnisses der belangten Behörde verfahrensrechtlich in die Lage versetzt worden wäre, ihr Beschwerdevorbringen zu untermauern, wonach das Unternehmen zum damaligen Zeitpunkt über keinerlei stille Reserven verfügt habe.

Hätte sich tatsächlich herausgestellt, daß zum Zeitpunkt der Veräußerung des Gesellschaftsanteiles weder stille Reserven noch ein Firmenwert vorhanden waren, so hätte die Übernahme des negativen Kapitalkontos durch die übernehmenden Gesellschafter bei diesen zu einem Verlust geführt, der im angefochtenen Bescheid seinen Niederschlag hätte finden müssen.

Zu der Frage, ob durch die Zahlung von S 186.270,-- an die übernehmenden Gesellschafter für J. ein ausgleichsfähiger Verlust in Höhe von S 152.535,-- entstanden ist, hat die belangte Behörde keine Feststellung getroffen. Sie begründet dies damit, daß eine derartige Feststellung nur im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren des J., nicht aber im Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO zu treffen sei.

Der Gerichtshof teilt diese Rechtsansicht nicht. Es trifft zwar zu, daß Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach § 188 BAO grundsätzlich nur die von mehreren Personen gemeinschaftlich erwirtschafteten Einkünfte einer bestimmten Periode und deren Verteilung auf die Teilhaber sind; aus dem Normengefüge und der Systematik der BAO betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften ist jedoch auf den Willen des Gesetzgebers zu schließen, daß alle Feststellungen, die die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung betreffen, im Feststellungsverfahren getroffen werden sollen, und zwar mit Bindungswirkung für die Abgabenbescheide der Teilhaber (vgl. die §§ 192, 252 und 295 BAO). Für diese verfahrensrechtliche Vorgangsweise spricht vor allem, daß abgabenrechtlich relevante Feststellungen zweckmäßigerweise in jenem Verfahren getroffen werden sollen, in dem der maßgebende Sachverhalt mit dem geringsten Verwaltungsaufwand ermittelt werden kann.

Gemäß § 23a Abs. 1 EStG 1972 in der ursprünglichen Fassung sind Verluste eines Kommanditisten auf Grund seiner Beteiligung an der KG nicht ausgleichsfähig, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Die nicht ausgleichsfähigen Verluste mindern die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren auf Grund seiner Beteiligung an der KG zuzurechnen sind. Die zitierte Bestimmung gilt auch für Mitunternehmerschaften, bei denen Gesellschafter beschränkt haftungspflichtig sind (vgl. Abs. 3 der Gesetzesstelle).

Die Entwicklung der Kapitalkonten von beschränkt haftenden Mitunternehmern ist daher einerseits ein Sachverhaltselement, das gemäß § 23a EStG 1972 für die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten bzw. Verlustanteilen maßgebend ist, und andererseits ein solches, dessen Ermittlung die Kenntnis jener Jahresabschlüsse voraussetzt, auf denen die steuerliche Gewinnermittlung aufbaut. Mit § 23a EStG 1972 hat der Gesetzgeber eine Bestimmung geschaffen, wonach für die steuerliche Erfassung und Berücksichtigung eines bestimmten Betriebsergebnisses Umstände maßgebend sein können, die sich in verschiedenen Wirtschaftsperioden verwirklichen. Der Gerichtshof geht davon aus, daß es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, den für die steuerliche Berücksichtigung von Betriebsergebnissen maßgebenden Sachverhalt zur Gänze im Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 188 BAO zu ermitteln und mit bindender Wirkung für die abgeleiteten Abgabenbescheide festzustellen. Dazu gehört auch die durch § 23a EStG 1972 gebotene Feststellung, ob und in welcher Höhe Verluste mit anderen positiven Einkünften ausgleichsfähig sind und ob Gewinne durch Verluste, die in Vorperioden erlitten wurden, gemindert werden.

Da die belangte Behörde zu Unrecht die Auffassung vertreten hat, daß derartige Feststellungen nicht im Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO zu treffen sind, erweist sich der angefochtene Bescheid auch als inhaltlich rechtswidrig. Da diese Rechtswidrigkeit gegenüber der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften prävaliert, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Mit den dort pauschalierten Beträgen ist auch die Umsatzsteuer abgegolten.

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