VwGH 88/13/0206

VwGH88/13/020618.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des 1. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang K, 2. Dipl.-Ing. Albert B,

3. Hermann St und 4. Dipl.-Ing. Heinz S, alle in Wien und vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 2.9.1988, Zl. 6/3-3352/87, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1985, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §38 Abs4;
TeilpensionsG 1997 §1 Z4 litb impl;
UrhG §14 Abs1;
UrhG §24 Abs1;
UrhG §42 Abs1;
UrhG §42 Abs2;
EStG 1972 §38 Abs4;
TeilpensionsG 1997 §1 Z4 litb impl;
UrhG §14 Abs1;
UrhG §24 Abs1;
UrhG §42 Abs1;
UrhG §42 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Jahr 1985 schlossen die Beschwerdeführer mit einem amerikanischen Unternehmen einen Vertrag, mit dem "alle Urheberrechte" an einem neuartigen Softwareprodukt, das die Beschwerdeführer gemeinsam geschaffen hatten, an das amerikanische Unternehmen "verkauft" wurden.

Die Beschwerdeführer erklärten aus diesem Geschäft für das Jahr 1985 einen gemeinschaftlich erzielten Gewinn von S 380.228,--.

Nach Erlassung eines erklärungsgemäßen Bescheides betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften erhoben die Beschwerdeführer Berufung und beantragten die Zuerkennung der Tarifbegünstigung des § 37 in Verbindung mit § 38 Abs. 4 EStG 1972.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 4 EStG 1972 setze voraus, daß Einkünfte aus der Verwertung selbstgeschaffener Urheberrechte erzielt würden. Der Verkauf eines Werkstückes, ohne es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, stelle keine Verwertung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes dar.

Die Beschwerdeführer beantragten die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Die Beschwerdeführer hätten das von ihnen entwickelte Computersystem einschließlich der Urheberrechte an das amerikanische Unternehmen verkauft. "Daß mit dem vereinbarten Kaufpreis auch eine Honorierung für die Verwertung der Urheberrechte erfolgt ist, ist jedoch aus dem Vertrag nicht erkennbar. Eine derartige Verwertung könnte aber (in Zukunft) bei Zufließen ... der vereinbarten zusätzlichen Lizenzgebühren der Fall sein".

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972 ist § 37 Abs. 1 auch auf Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen oder künstlerischen Urheberrechten anzuwenden, sofern diese Einkünfte als Nebeneinkünfte erzielt werden.

Sowohl die Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde gehen davon aus, daß die entgeltlich überlassene Software urheberrechtlichen Schutz genießt. Aus nachstehenden Gründen kann eine nähere Untersuchung, ob die Software tatsächlich ein dem Urheberrechtsgesetz unterliegendes Werk der Literatur darstellt, oder ob es sich dabei um eine andere geistige Schöpfung handelt, nämlich um die Lösung von Aufgaben mit Mitteln der Technik ohne Schaffung eines Werkes der Literatur i. S. des § 2 UrhG, unterbleiben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eine der Voraussetzungen für die begünstigte Besteuerung von Einkünften aus der Verwertung selbstgeschaffener Urheberrechte gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972, daß die Einkünfte als Entgelt für die Verwertung des Urheberrechtes im Sinne der §§ 14 bis 18 UrhG zufließen (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 1. Oktober 1985, Zl. 84/14/0006).

Danach kommen folgende Verwertungstatbestände in Betracht:

  1. 1. Das Bearbeitungs- und Übersetzungsrecht (§ 14 Abs. 2);
  2. 2. Die öffentliche Mitteilung des Inhaltes eines Werkes der Literatur oder der Filmkunst vor seiner Veröffentlichung (§ 14 Abs. 3);
  3. 3. Das Vervielfältigungsrecht (§ 15);
  4. 4. Das Verbreitungsrecht (§ 16);
  5. 5. Das Senderecht (§ 17);
  6. 6. Das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 18).

    Allen diesen Verwertungstatbeständen ist gemeinsam, daß das betreffende Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Beim Vervielfältigungsrecht ergibt sich dies aus § 42 UrhG, wonach jedermann berechtigt ist, eine Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch vorzunehmen, eine solche aber dann nicht vorliegt, wenn die Vervielfältigung zu dem Zwecke vorgenommen wird, das Werk mit Hilfe des Vervielfältigungsstückes der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bei den anderen Verwertungsrechten ergibt sich das Tatbestandsmerkmal der "Veröffentlichung" unmittelbar aus der Definition der einzelnen Verwertungstatbestände. Von Einkünften aus der Verwertung von Urheberrechten kann daher nur gesprochen werden, wenn der Urheber ein Entgelt dafür erhält, daß er entweder selbst sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einem Dritten das Recht hiezu einräumt (§ 24 UrhG).

    Im Beschwerdefall ist nun von Bedeutung, daß der Vertrag, mit dem dem amerikanischen Unternehmen umfassende Nutzungsrechte an der von den Beschwerdeführern geschaffenen Software eingeräumt wurden, ausdrücklich unter Punkt 5 eine wechselseitige Geheimhaltungsverpflichtung betreffend eben diese Software vorsieht. Dadurch wird deutlich, daß die Software zwei Komponenten aufweist:

    a) Die bei der Produktion der Software erbrachte geistig schöpferische Leistung, die nach Möglichkeit geheim gehalten werden soll, um den wirtschaftlichen Erfolg der Verwertung der Software nicht zu gefährden. Diese Komponente mag als geistiges Produkt schutzwürdig sein, ist aber - jedenfall im Beschwerdefall - nicht Gegenstand einer Veröffentlichung.

    b) Die dem jeweiligen Anwender bekanntgegebene Möglichkeit der Software-Verwendung und deren Umsetzung im praktischen Arbeitsablauf. Aus dieser Komponente erfließt der wirtschaftliche Erfolg der Softwareproduktion; sie wird allenfalls durch Vervielfältigung veröffentlicht, ist aber nicht ident mit dem geheimgehaltenen geistigen Produkt, das Voraussetzung dafür ist, eine bestimmte Aufgabenstellung mit Hilfe eines Computers zu lösen.

    Am ehesten lassen sich die beiden Komponenten und die Notwendigkeit ihrer getrennten rechtlichen Beurteilung am Beispiel einer geheimgehaltenen Rezeptur oder Produktionsmethode einerseits und den damit hergestellten und in den Handel gebrachten Produkten andererseits erklären. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob ein solcher Vergleich rechtlich haltbar ist. Entscheidend ist nämlich lediglich, daß in beiden Fällen Produkte erzeugt und vermarktet werden, ohne daß die geistig schöpferische Leistung, die die Produktion ermöglicht, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

    Da, wie bereits gesagt, aus dem Vertrag der Beschwerdeführer mit dem amerikanischen Unternehmen klar hervorgeht, daß die in der Software enthaltene geistige Schöpfung nicht Gegenstand einer Verbreitungshandlung im Sinne des Urheberrechtsgesetzes war, stellen auch die von den Beschwerdeführern gemeinschaftlich erzielten Einkünfte keine solchen aus der Verwertung selbstgeschaffener Urheberrechte im Sinne des § 38 Abs. 4 EStG dar.

    Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

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