VwGH 87/13/0189

VwGH87/13/018913.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. O gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Juli 1987, Zl. 6/1-1041/86, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1981 bis 1983, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litb;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erzielte in den Streitjahren neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Universitätsassistent Einkünfte von der S-GmbH, die er als Einkünfte aus selbständiger Arbeit auswies, wobei er die Tätigkeit als "Evaluierung von Softwaresystemen" bezeichnete.

Im Zuge einer Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß es sich bei den als Einkünfte aus selbständiger Arbeit ausgewiesenen Beträgen richtigerweise um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handle, weil die Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht als wissenschaftliche Tätigkeit angesehen werden könne. Der Beschwerdeführer werde auf Wunsch eines Kunden tätig, der an einem EDV-System interessiert sei. Die Tätigkeit bestehe im Prüfen vorhandener Softwaresysteme auf ihre Eignung für bestimmte Aufgabengebiete. Dabei stehe die beratende Tätigkeit für den Kunden im Vordergrund. Diesem werde eine Entscheidungshilfe auf kaufmännischem Gebiet in der Führung seines Betriebes geboten.

Zu dieser rechtlichen Beurteilung gelangte der Prüfer auf Grund folgender beispielsweiser Tätigkeitsbeschreibungen des Beschwerdeführers:

  1. 1) Der Beschwerdeführer hat es übernommen, auf Grund einer internen Entscheidung der S-GmbH geeignete Softwaresysteme zu evaluieren, am Computersystem der S-GmbH zu implementieren und auf Grund umfangreicher Tests eine Einsatzempfehlung auszuarbeiten. Im Rahmen dieses Projektes wurden von ihm unter anderem folgende Arbeiten durchgeführt:

    Sichtung umfangreicher, zumeist amerikanischer Forschungsberichte und Fachliteratur zum gegenständlichen Thema sowie Produktbeschreibungen und Erarbeitung eines ersten Anforderungskatalogs.

    Präzisierung der Erhebungstatbestände und darauf aufbauend Entwicklung eines Gesprächsleitfadens für strukturierte Befragungsgespräche bei potentiellen Anwendern. Durchführung der Befragungsgespräche in österreichischen Betrieben unter Berücksichtigung von Kriterien wie Branche, Betriebsgröße, Organisationsform etc.

    Statistische Auswertung des Erhebungsmaterials und Ermittlung von Anforderungsprofilen.

    Auf Grund der Gegenüberstellung ermittelter Anforderungsprofile und Funktionsmerkmale der untersuchten Programmsysteme wurde in der Folge HP-SLATE/3000 aus der weiteren Evaluierung ausgeschlossen.

    Die bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf anwendungsbezogene Kriterien ausgerichtete Evaluierung wurde in der zweiten Phase auf EDV-Kriterien wie z.B. Resourcenbelastung, Stabilität etc. ausgeweitet. Zu diesem Zweck wurden die Systeme HP-TDP/3000 und FSEDIT/3000 am Computersystem der S-GmbH implementiert, umfangreiche Testbeispiele aufgebaut und Variablen wie "I/O-Belastung" und "CPU-Belastung" in Simulationsläufen gemessen. Testdesign und Spezifikationen gewisser Änderungen an vorhandenen Meßprogrammen wurden vom Beschwerdeführer festgelegt. Die Programmänderungen wurden durch Mitarbeiter der S-GmbH durchgeführt.

    Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus diesen mehrmonatigen Untersuchungen wurde vom Beschwerdeführer letztlich eine Einsatzempfehlung für das Produkt FSEDIT/3000 des belgischen Systemhauses SYDES abgegeben. Ergänzend sei erwähnt, daß SYDES auf Grund der Arbeiten des Beschwerdeführers erhebliche Modifikationen und Erweiterungen an FSEDIT/3000 vorgenommen hat.

 

  1. 2) Bei den Programmsystemen SPSS, SAS und BMDP handelt es sich um die wohl leistungsfähigsten sozialwissenschaftlichen Statistik- und Auswertungssysteme. Im Auftrag der Firma P war ein umfangreiches Marktdiagnose- und Prognosesystem zu enwickeln, wobei N im Subauftrag die Durchführung der Auswertungen übernahm. Da modernste multivariante Statistikverfahren zum Einsatz gelangen sollten, war zunächst durch den Beschwerdeführer zu prüfen, inwieweit diese Methoden in den genannten Systemen in geeigneter Form zur Verfügung stünden. In einem weiteren Schritt wurde analysiert, inwieweit diese Systeme, die bisher nahezu ausschließlich auf Großrechnern eingesetzt wurden, auf einem Minicomputer des Types HP-3000 verwendet werden können. Zu diesen Zwecken wurden vom Beschwerdeführer umfangreiche Tests durchgeführt, wobei zum Teil Datensätze aus Untersuchungen des Institutes für Werbewissenschaft und Marktforschung Verwendung fanden. Die daraus gewonnenen Erfahrungen führten schließlich zu einer Einsatzempfehlung für SPSS. In der Folge wurden vom Beschwerdeführer auch die statistischen Auswertungen für das gegenständliche Projekt durchgeführt.

 

  1. 3) Die S-GmbH erhielt 1980 im Rahmen eines mehrjährigen EDV-Projektes eines bekannten österreichischen Stahlbauunternehmens den Auftrag zur Entwicklung bzw. Implementation eines Produktionsplanungs- und Steuerungssystems. Im Rahmen dieses Projektes wurden vom Beschwerdeführer unter anderem folgende Arbeiten durchgeführt:

    Gemeinsam mit dem Anwender wurde eine erste Anforderungsanalyse durchgeführt und ein Grobkonzept erarbeitet. Dieses beruht in wesentlichen Teilen auf Erkenntnissen und Erfahrungen, die der Beschwerdeführer in seiner langjährigen Tätigkeit als Universitätsassistent erworben hatte.

    Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung an die S-GmbH waren Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (PES) nahezu ausschließlich auf Großrechnersystemen verfügbar und es existierten in Österreich kaum Erfahrungen mit dem Einsatz solcher Systeme auf modernen Minicomputersystemen. Bereits nach einer kurzen Überprüfung schied das von Prof. Sch. und seinem Team entwickelte "PS-System" aus und die Untersuchungen konzentierten sich auf die von H angebotenen Systeme MM/3000 und PM/3000. Diese Entscheidung war auch darauf zurückzuführen, daß diese Softwaresysteme eine völlig neue Softwaretechnologie verwenden, die es erlaubt, umfangreiche Anpassungen und Modifikationen ohne Eingriffe in die Quellenprogramme durchzuführen.

    In der Folge wurden vom Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Auftraggeber Testfälle definiert, um die Einsatzfähigkeit dieser beiden Systeme möglichst realitätsnahe überprüfen zu können. Diese Tests zeigten ein relativ hohes Maß an Übereinstimmung zwischen Benutzeranforderungen und Funktionsmerkmalen der untersuchten Programmsysteme und führten schließlich zur Empfehlung, dieses Projekt mit MM/3000 in Angriff zu nehmen, obwohl zu diesem Zeitpunkt zwei Fragenkomplexe nicht eindeutig zu beantworten waren. Der Beschwerdeführer hat es in der Folge übernommen, erforderliche Erweiterungen der Customizer-Technik zu spezifizieren und Vorschläge zur Reduktion der Resourcenbelastung auszuarbeiten. Diese wurden sowohl in den USA als auch später in Deutschland den entsprechenden Software-Entwicklungsteams der Firma H vorgetragen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß der Auftraggeber der S-GmbH diese Leistungen unter dem Titel "Grundlagenforschung" beauftragt hat.

 

  1. 4) Im Rahmen des Projektes N-K/3000 wurde vom Beschwerdeführer die Systemanalyse für das gleichnamige Programmsystem erarbeitet. Im Gegensatz zu konventionellen Kostenrechnungssystemen handelt es sich dabei um das vermutlich erste datenbankorientierte Kostenrechnungssystem im deutschen Sprachraum. Weiters ist die konsequente Online-Orientierung des Systems hervorzuheben. Beide Merkmale sichern bis heute diesem Softwaresystem einen erheblichen Konkurrenzvorsprung. Der Beschwerdeführer hat im Rahmen dieses Projektes unter anderem nachfolgende Arbeiten durchgeführt:

    Betriebswirtschaftliche Konzeption des Systems Datenbankentwurf und -design

    Spezifikation der erforderlichen Programmfunktionen

    Tests

    Erarbeitung einer Grund-Dokumentation.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ (zum Teil im wiederaufgenommenen Verfahren) entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Im Rahmen der Tätigkeit für die S-GmbH bestehe seine Aufgabe darin, auf Grund wissenschaftlicher Kenntnisse geeignete Software zu evaluieren, diese am Computersystem der S-GmbH zu implementieren und auf Grund umfangreicher Tests eine Einsatzempfehlung auszuarbeiten. Bei dieser Aufgabe müsse nach streng sachlichen und objektiven Gesichtspunkten vorgegangen werden, wobei sich der Beschwerdeführer in qualifizierter Form wissenschaftlicher Methoden bediene. Es handle sich im wesentlichen nicht um eine bloße Produktauswahl, sondern um eine Untersuchung verbunden mit Vorschlägen zur Veränderung von Systemen. Jede Untersuchung schließe mit einem "technischen Fachgutachten". Von großer Bedeutung sei auch, daß die im Rahmen dieser Tätigkeit anfallenden Forschungsergebnisse für die Lehrtätigkeit an der Wirtschaftsuniversität verwendet werden könnten.

Die belangte Behörde wies die Berufung insoweit ab, als sie die selbständig ausgeübte Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht als wissenschaftliche, sondern als gewerbliche Tätigkeit beurteilte.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eine Tätigkeit nicht schon dann wissenschaftlich, wenn sie auf Erkenntnissen einer Wissenschaft aufbaut, diese verwertet und sich wissenschaftlicher Methoden bedient, sondern erst dann, wenn sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich der Forschung, d.h. dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und/oder der Lehre, d.h. der Vermittlung einer Wissenschaft an andere (Lernende) zum Zwecke der Erweiterung ihres Wissensstandes dient; es ist für die Wissenschaft charakteristisch, daß sie sich die Vermehrung des menschlichen Wissens im Interesse der Allgemeinheit zum Ziel setzt (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 84/15/0164, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer betont, daß er seine Tätigkeit "auf Grund seiner wissenschaftlichen Kenntnisse" ausübe. Dies mag zutreffen, hat aber für sich allein nicht zur Folge, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers als wissenschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren wäre.

Absolventen eines Hochschulstudiums haben regelmäßig eine wissenschaftliche Ausbildung genossen, ohne daß dadurch die spätere Berufstätigkeit, bei der sie das erworbene Wissen anwenden und verwerten, zur wissenschaftlichen Tätigkeit würde. So wendet etwa ein Rechtsanwalt die erworbenen rechtswissenschaftlichen Kenntnisse an und wird in seiner Praxis unter Umständen auch zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangen (z.B. bei Untersuchung einer schwierigen Rechtsfrage); ebenso wird ein Arzt auf wissenschaftlichem Gebiet tätig, untersucht, stellt Diagnosen und empfiehlt bestimmte Therapien. All dies führt für sich allein noch nicht dazu, die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes oder eines Arztes als wissenschaftliche Tätigkeit anzusehen. Wesentlich für eine solche Tätigkeit ist nämlich das Ziel, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, um den Wissensstand in einer bestimmten wissenschaftlichen Disziplin zu erweitern. Nur Einnahmen, die als Entlohnung für eine solche Tätigkeit zufließen, führen zu Einkünften aus wissenschaftlicher Tätigkeit.

Betrachtet man die Art der Tätigkeit des Beschwerdeführers, wie sie von ihm beschrieben wurde, so zeigt sich, daß ihr Schwerpunkt in der praktischen Anwendung erlernten Wissens bestand. Die Feststellung, welche (bereits auf dem Markt vorhandene) Software für die Lösung einer bestimmten, meist vorgegebenen Aufgabe am besten geeignet ist, die Vornahme allfälliger Änderungen oder Anpassungen an den Bedarf und die Aufbereitung der Software für den praktischen Gebrauch sprechen für die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden. Eine solche Tätigkeit mag wissenschaftliche Fachkenntnis sowie die Fähigkeit voraussetzen, diese Kenntnis zu verwerten. Sie läßt aber noch nicht den Schluß zu, daß ihr ausschließliches oder nahezu ausschließliches Ziel das Gewinnen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist. Über derartige Erkenntnisse, die regelmäßig in wissenschaftlichen Vorträgen oder anderen Publikationen an die wissenschaftlich interessierte Allgemeinheit herangetragen werden, hat der Beschwerdeführer nichts Konkretes vorgebracht. Der Hinweis, er habe die Ergebnisse seiner Tätigkeit auch im Rahmen seiner "universitären Lehrtätigkeit" nutzen können, hat schon deswegen keinen Aussagewert über den wissenschaftlichen Charakter seiner selbständig ausgeübten Tätigkeit, weil auch die Vermittlung der praktischen Anwendbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu den Lehraufgaben eines Hochschullehrers zählt, ohne daß dies den Schluß zuläßt, aus den in der Praxis gemachten Erfahrungen seien neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen worden.

Die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ihre Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsfeststellung verletzt, weil sie sich mit einer reinen Tätigkeitsbeschreibung begnügt habe, obwohl ihr vom Beschwerdeführer die Einsichtnahme in seine Arbeiten angeboten worden sei, erweist sich als unberechtigt. Der Beschwerdeführer hat zwar in seiner Berufung im Zusammenhang mit der Beschreibung seiner Tätigkeit von "jederzeit vorlegbaren Arbeiten" gesprochen; abgesehen davon, daß darin noch kein konkretes Beweisanbot erblickt werden kann, bringt der Beschwerdeführer aber nichts vor, was darauf hindeuten würde, daß seine ausführliche Tätigkeitsbeschreibung, ohne zusätzliche Vorlage konkreter Arbeitsergebnisse keinen genügenden Einblick in die Art seiner Tätigkeit vermittelt hätte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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