Normen
BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §237 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §237 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer hat dem Bund Aufendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde als Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung für Abgabenschulden der Gesellschaft herangezogen. Der Haftungsbescheid erwuchs in zweiter Instanz in Rechtskraft. Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht erhoben.
In der Folge beantragte der Beschwerdeführer seine Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO. Der Unternehmensgegenstand der GmbH habe in Innovationen und in der Herstellung von Maschinen für die Fleischwarenindustrie bestanden. Eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung habe zum Konkurs der GmbH geführt. Der Konkurs habe zur Folge gehabt, daß "Aufträge von über S 100 Mio. vernichtet" worden seien. Dem Beschwerdeführer sei es dennoch gelungen, eine neue Maschinenserie zu entwickeln. Dadurch seien jedoch seine Mittel aufgezehrt worden. Seine finanzielle Lage sei "sehr gespannt". Eine Zahlung des Haftungsbetrages sei ihm "unmöglich" und würde ein Ausscheiden seines Export-Verkäufers zur Folge haben.
Das Finanzamt wies den Antrag ab. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Billigkeitsgründe seien bereits (vergeblich) im Rechtsmittelverfahren gegen den Haftungsbescheid geltend gemacht worden. Die Bestimmung des § 237 BAO betreffend die Entlassung aus der Gesamtschuld diene nicht dazu, einem aussichtslosen Rechtsmittelverfahren zum Durchbruch zu verhelfen. Der Beschwerdeführer habe sich selbst in jene Lage gebracht, durch die er sich nunmehr in unbilliger Weise belastet fühle.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Der Konkurs jener GmbH, für deren Abgabenschuldigkeiten das Finanzamt ihn als Geschäftsführer zur Haftung herangezogen habe, sei im Zuge einer "Krankenkassenprüfung" eröffnet worden, ohne daß das Vorliegen des Prüfungsergebnisses abgewartet worden wäre. Mit einer derartigen Vorgangsweise habe er nicht rechnen müssen. Es treffe ihn daher an seiner nunmehrigen Armut und der Zerstörung nahezu seines gesamten Lebenswerkes keine Schuld.
Nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In weiterer Folge brachte er vor, eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung sei auch darin zu erblicken, daß der Masseverwalter durchaus in der Lage gewesen wäre, die im Haftungsweg geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten zumindest zum Teil zu befriedigen. Daß der Masseverwalter diese "steuerlichen Verpflichtungen nicht oder nicht zur Gänze erfüllt hat", dürfe dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. Weiters legte der Beschwerdeführer eine Vermögensaufstellung zum 14. November 1985 vor, in der das Betriebsvermögen mit - S 1,371.134,07 ausgewiesen wurde. Darüberhinaus sei der Beschwerdeführer Hälfteeigentümer eines Reihenhauses, das zwar einen Verkehrswert von ca. S 1 Mio. habe, das aber mit Verbindlichkeiten "in fast eben derselben Höhe" belastet sei.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Sie bejahte zwar die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, kam aber in Ausübung freien Ermessens zu dem Ergebnis, daß die begehrte Entlassung aus der Gesamtschuld keine ins Gewicht fallende Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers bewirken würde, und daher nicht zweckmäßig erscheine. Bei Abwägung von Billigkeit und Zweckmäßigkeit sei der Zweckmäßigkeit der Vorrang einzuräumen gewesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 237 BAO kann ein Gesamtschuldner auf Antrag aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die belangte Behörde hat die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung und damit die Voraussetzung dazu bejaht, eine Ermessensentscheidung zu treffen.
Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Hiebei ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1985, Zl. 83/17/0159, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Bei Abwägung dieser Interessen ist nicht nur darauf Bedacht zu nehmen, welchem Interesse im Einzelfall an sich Priorität einzuräumen wäre, sondern es muß die Ermessensentscheidung auch tatsächlich geeignet sein, jenen Effekt herbeizuführen, der dem als vorrangig erkannten Interesse entspricht. Der Gerichtshof hat daher bereits wiederholt festgestellt, daß eine drohende Existenzgefährdung nur dann eine Nachsicht nach § 236 BAO rechtfertigt, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der betreffenden Abgaben gefährdet ist, sodaß mit einer Abgabennachsicht die Existenzgefährdung abgewendet werden könnte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1989, Zl. 89/14/0196).
Auf diese Rechtsprechung, die gleichermaßen für eine Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO gilt, hat sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung gestützt, wobei sie sich ausdrücklich auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten Vermögensstatus bezogen hat, der ihrer Ansicht nach deutlich mache, daß die begehrte Entlassung aus der Gesamtschuld nicht geeignet sei, "eine ins Gewicht fallende Stabilisierung" der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers herbeizuführen. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese Feststellung zwar als "Irrtum", bringt aber konkret nichts Gegenteiliges vor, sondern rügt als Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde nicht genügend untersucht habe, inwieweit eine Entlassung aus der Gesamtschuld nicht doch geeignet gewesen wäre, eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage zu bewirken. Der Beschwerdeführer übersieht, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an ihm gelegen war, das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die eine Entlassung aus der Gesamtschuld gestützt werden könnte (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. September 1983, Zl. 83/13/0040, vom 4. Oktober 1985,Zl. 82/17/0021, vom 29. Dezember 1988, Zl. 88/14/0136 und vom 2. Dezember 1988, Zl. 87/17/0265). Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen darzulegen, aus welchen Gründen trotz seiner Überschuldung in Millionenhöhe, die zusätzlich zu den im Haftungsweg geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten bestand, die von ihm aufgezeigte Existenzgefährdung durch Entlassung aus der Gesamtschuld abzuwenden gewesen wäre.
Auch das übrige Beschwerdevorbringen erweist sich als unbegründet:
Weder die Entlassung der Mitgeschäftsführerin Irene H. aus der Gesamtschuld noch die Folgen der Konkurseröffnung über das Vermögen der GmbH und das behauptete schuldhafte Verhalten des Masseverwalters an der Nichtentrichtung der im Haftungsweg geltend gemachten Abgabenschuldigkeiten stellen Fakten dar, die die Ermessensübung durch die belangte Behörde als Ermessensüberschreitung oder Ermessensmißbrauch erscheinen lassen. Aus der Entlassung eines Gesamtschuldners aus der Gesamtschuld erwachsen den übrigen Gesamtschuldnern keine Rechte. Die Folgen der Konkurseröffnung und das Verhalten des Masseverwalters wären unter Umständen bei entsprechender Konkretisierung (woran es allerdings in der Beschwerde fehlt) im Zuge der Erlassung des Haftungsbescheides zu berücksichtigen gewesen. Ob dies nicht ohnedies der Fall war, kann dahingestellt bleiben, weil eine Ermessensentscheidung nach § 237 BAO grundsätzlich nicht der Überprüfung jenes Ermessens dient, das bei Erlassung eines Haftungsbescheides zu üben war.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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