VwGH 90/19/0476

VwGH90/19/047617.12.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Juni 1990, Zl. SD 293/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z7;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z7;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. Juni 1990 wurde gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 und 7 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes, mit 30. Juni 1995 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei am 15. Jänner 1990 unter Inanspruchnahme des mit Polen (damals) bestehenden Sichtvermerksabkommens sichtvermerksfrei (als Tourist) in das Bundesgebiet eingereist und hätte sich danach maximal drei Monate in Österreich aufhalten dürfen. Wenige Tage vor Ablauf dieser Frist (am 9. April 1990) sei die schließlich zum Aufenthaltsverbot führende Beanstandung (Arbeit des Beschwerdeführers gemeinsam mit zwei Landsleuten an der Einfriedung eines Wohnhauses in K.) erfolgt. Mit Straferkenntnis vom 11. April 1990 sei der Beschwerdeführer deshalb wegen Übertretung des Paßgesetzes 1969 - Einreise zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses ohne Sichtvermerk - bestraft worden. Eine neuerliche Aufrollung dieser Frage sei "nicht erforderlich", weil dem die Rechtskraft des Straferkenntnisses entgegenstehe. Damit stehe aber auch fest, daß der Beschwerdeführer gegenüber behördlichen Organen unrichtige Angaben über den Zweck seines Aufenthaltes gemacht habe, um die Einreise nach Österreich ohne Sichtvermerk zu erwirken. Solcherart sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG verwirklicht worden. Die Ansicht des Beschwerdeführers, seine im Jahre 1987 erfolgte Bestrafung (wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes) dürfe ihm jetzt nicht neuerlich "vorgeworfen" werden, vermöge die belangte Behörde nicht zu teilen. Zunächst müsse dazu festgehalten werden, daß diese Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes in der Dauer von mehr als zwei Monaten und nicht wegen der vom Beschwerdeführer eingestandenen "Schwarzarbeit" in den Jahren vor 1987 erfolgt sei. Vor allem aber sei es kein neuerlicher Vorwurf und keine "Doppelbestrafung", wenn die erfolgten Bestrafungen zum Anlaß für ein Aufenthaltsverbot genommen würden, sehe doch § 3 Abs. 2 Z. 2 FrPolG ausdrücklich vor, daß ein Aufenthaltsverbot insbesondere dann gerechtfertigt sei, wenn der Fremde mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes 1969 oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden sei. Wenngleich der Beschwerdeführer nicht mehrmals (d.h. dreimal) wegen Übertretung der genannten Gesetze bestraft worden sei und die Übertretungen noch nicht als schwerwiegend bezeichnet werden mögen, so seien sie dennoch im Rahmen der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als beachtlich zu berücksichtigen. Ebenso beachtlich sei auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer schon vor dem Jahr 1987 jahrelang der "Schwarzarbeit" nachgegangen sei, werfe dies doch ein bezeichnendes Licht auf sein Verhalten und seine Verantwortung während des nunmehrigen Aufenthaltes in Österreich. Die sich daran anschließenden Ausführungen in der Bescheidbegründung legen dar, daß und weshalb in bezug auf den Beschwerdeführer nach Meinung der belangten Behörde auch der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 7 FrPolG als verwirklicht anzusehen sei.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 FrPolG argumentierte die belangte Behörde dahin, daß ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht vorliege, weil seine Familienangehörigen in Polen lebten und auch sonst keine intensiven Bindungen zu Österreich bestünden. Das berufliche Fortkommen des Beschwerdeführers sei schon mangels einer Erlaubnis, in Österreich eine Beschäftigung auszuüben, nicht beeinträchtigt.

Durch die Befristung des Aufenthaltsverbotes solle der Beschwerdeführer für jenen Zeitraum, der für die Besinnung auf die Pflichten gegenüber dem Gastland erforderlich erscheine, von der Einreise und dadurch von einer sichtvermerksfreien Einreise (zum Zweck der Arbeitsaufnahme) ausgeschlossen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, wobei sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, daß nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gegen ihn ein Aufenthaltsverbot erlassen werde, verletzt erachtet.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 FrPolG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 6) gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen; (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, daß er innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland insgesamt drei Jahre einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

Zufolge des § 2 Abs. 1 FrPolG idF BGBl. Nr. 190/1990 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn (Z. 1) sie unter Einhaltung der Bestimmungen des Paßgesetzes in das Bundesgebiet eingereist sind, es sei denn, daß sie die Grenzkontrolle umgangen haben oder daß die Republik Österreich aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarung oder internationaler Gepflogenheit zu ihrer Rücknahme verpflichtet war, (Z. 2) ihnen von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt oder mit Bescheid eine Aufenthaltsberechtigung verlängert wurde.

Gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1) Die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2) die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen; 3) die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2. Die belangte Behörde hat, woran der Spruch und die damit übereinstimmende Begründung des bekämpften Bescheides keine Zweifel aufkommen lassen, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auf die Tatbestände des § 3 Abs. 2 Z. 6 und 7 (iVm § 3 Abs. 1) FrPolG, nicht aber (auch), wie dies die Beschwerde irrigerweise annimmt, auf § 3 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. gestützt. Sie hat § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG (hier näherhin: unrichtige Angaben des Beschwerdeführers gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen über den Zweck seines Aufenthaltes, um sich die Einreise zu verschaffen) im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer gegenüber ergangene Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. April 1990 als verwirklicht angesehen. Mit letzterem war der Beschwerdeführer deshalb einer Übertretung des § 23 Abs. 1 iVm § 40 Abs. 1 Paßgesetz 1969 schuldig erkannt worden, weil er "am 15.1.1990 sichtvermerksfrei zur Arbeitsaufnahme nach Österreich eingereist (ist)", obwohl er bei der Einreise eine Erklärung unterschrieben habe, in Österreich keiner Arbeit nachzugehen. Angesichts dessen, daß dieses Straferkenntnis - dies wird auch von der Beschwerde ausdrücklich eingeräumt - in Rechtskraft erwachsen ist, stand für die belangte Behörde - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt - bindend fest, daß der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt hat, das dem § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG in Ansehung des vorhin wiedergegebenen Subtatbestandes zu subsumieren ist. Da somit von der belangten Behörde zu Recht - im Wege des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG - das Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" angenommen wurde, gelangte sie damit in rechtlich unbedenklicher Weise auch zu dem Ergebnis, es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde (§ 3 Abs. 1 FrPolG).

Da bereits die Verwirklichung EINES der Tatbestände des § 3 Abs. 2 FrPolG die im § 3 Abs. 1 leg. cit. näher umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. dazu das hg.Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0307), gelangte die belangte Behörde (vorbehaltlich der Unbedenklichkeit der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 FrPolG) schon aufgrund der Erfüllung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG zu Recht zu dem Ergebnis, es lägen die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer vor. Damit ist es für den Gerichtshof entbehrlich, auf die Frage einzugehen, ob die belangte Behörde auch die Verwirklichung des § 3 Abs. 2 Z. 7 FrPolG (Fehlen eines Nachweises, daß der Beschwerdeführer über die Mittel zu seinem Unterhalt verfügt) annehmen durfte. Unbeschadet dessen sei festgehalten, daß gegen die Berücksichtigung der zwei rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes bzw. des Paßgesetzes 1969 wie auch der Tatsache jahrelanger unerlaubter Arbeit (vor dem Jahr 1987) unter dem Gesichtspunkt des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers (Subsumtion unmittelbar unter § 3 Abs. 1 FrPolG) keine rechtlichen Bedenken bestehen.

3. Da die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FrPolG vorgenommene Interessenabwägung in der Beschwerde unbekämpft blieb, erübrigen sich dazu im vorliegenden Erkenntnis weitere Ausführungen.

4. Da nach dem Gesagten der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinem im Beschwerdepunkt bezeichneten Recht (oben I.2.) verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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