Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit zwei, unter Berufung auf § 15 (dem Inhalt nach insbesondere Abs. 3) des O.ö. Sozialhilfegesetzes (LGBl. Nr. 66/1973, in der Fassung der Novelle 2/1984, im folgenden kurz: SHG) bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gestellten Anträgen vom 4. und 5. Juli 1988 begehrte die Beschwerdeführerin die Gewährung von Krankenhilfe für Tadeusz B, welcher sich in der Krankenanstalt, deren Rechtsträger die Beschwerdeführerin ist, in stationärer Behandlung befunden habe und in der Folge ambulant behandelt worden sei. Es wurde die Übernahme der stationären Behandlungskosten und der ambulanten Behandlungskosten begehrt.
Mit Bescheid vom 24. Juli 1989 entschied die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über diese Anträge dahin, daß das Verfahren gemäß § 38 AVG 1950 bis zur Entscheidung des "Zivilverfahrens" vor dem Kreisgericht Wels (zu einer näher angeführten Geschäftszahl) ausgesetzt werde.
In der Begründung dieses Bescheides wurde darauf verwiesen, im vorliegenden Fall sei beim Kreisgericht Wels ein "Zivilverfahren" wegen Bezahlung der in Rede stehenden stationären und ambulanten Behandlungskosten für Tadeusz B in dem erwähnten Krankenhaus (einschließlich Schmerzensgeld) anhängig. Die gerichtliche Entscheidung sei im Zusammenhang mit der Frage der Übernahme der stationären und ambulanten Krankenhauskosten von Bedeutung und müsse als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG angesehen werden. Bis zur Entscheidung dieses Verfahrens sei das Verfahren daher auszusetzen gewesen.
Der gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 31. Oktober 1989 keine Folge.
In der Begründung führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die §§ 7, 8 und 15 Abs. 3 SHG im wesentlichen aus, zur Subsidiarität des § 8 leg. cit. regle § 35 Abs. 3 des O.ö. Krankenanstaltengesetzes (LGBl. Nr. 10/1976, in der Fassung der Novelle 59/1987, im folgenden kurz: KAG), daß der zuständige Sozialhilfeträger erst dann zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege(Sonder-)gebühren verpflichtet sei, wenn diese Gebühren weder nach Abs. 1 noch auch gemäß Abs. 2 hereingebracht werden könnten. Wesentliches Kriterium für die Zuerkennung von Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wozu u.a. auch Krankenhilfe zähle, sei die (wirtschaftliche) Hilfsbedürftigkeit. Diese bestehe erst dann, wenn die gemäß § 35 Abs. 1 und 2 KAG Vorverpflichteten die offenen Krankenpflegekosten tatsächlich nicht leisteten. Unerheblich sei hiebei der allenfalls spätere Zeitpunkt der Zahlung. Dadurch, daß das beim Kreisgericht Wels anhängige Zivilrechtsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, könne nicht völlig ausgeschlossen werden, daß nicht doch der "beschuldigte" Arbeitgeber des obgenannten Patienten zur Zahlung der gesamten oder eines Teiles der aushaftenden Krankenpflegekosten früher oder später gerichtlich verurteilt werde. Daß es einer Krankenanstalt zumutbar sei, bei einem geringen Prozentsatz von Patienten auf die Bezahlung der Pflege(Sonder-)gebühren etwas länger zuzuwarten, habe bereits der Gesetzgeber bedacht, indem in § 36 KAG entsprechende Regelungen (Stundung, Ratenzahlung, Rechtsmittelverfahren) vorgesehen worden seien. Somit könne auf der Basis des § 8 SHG erst nach Abschluß des schwebenden zivilgerichtlichen Verfahrens festgestellt werden, inwieweit der Patient klaglos gehalten werde, das heißt Dritte Hilfe leisten (müssen) und inwieweit somit allenfalls Sozialhilfe für die Abdeckung der dann noch ungedeckten Pflegegebühren erforderlich sein werde. Weiters müsse im gegenständlichen Fall auch die (Ausnahme-) Situation bedacht werden, daß eine Notlage im Sinne des § 2 SHG nicht vorliege, da die nötige sofortige Hilfe in Form von Kranken-(Unfall-)behandlung bereits erfolgt sei und somit eigentlich nur noch ein Kostenersatzverfahren gemäß § 56 SHG vorliege, verbunden mit einer Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen, weil Kostenersatz an Dritte nur dann zu leisten sei, wenn tatsächlich Hilfsbedürftigkeit (hier Krankenhilfe im eigentlichen Sinn) vorgelegen sei. Schließlich müsse auch bedacht werden, daß die Durchsetzung von Rechtsansprüchen gegen Dritte dem Hilfeempfänger zumutbar sei, wenn dies nicht aussichtslos scheine. Dies umso eher, wenn die Raschheit der Hilfe, wie hier, nicht erforderlich gewesen sei, weil die kostenersatzbegehrende Krankenanstalt selber nicht in "Notlage" kommen könne. Ein weiterer Entscheidungsgrund für das Aussetzen des Verfahrens gemäß § 38 AVG werde darin gesehen, daß - wie im wirtschaftlichen Verkehr üblich - eine Zahlungsschuld erst dann zu leisten sei, wenn diese Schuld rechtskräftig fällig gestellt worden sei. Da aber die beeinspruchte Pflegegebührenvorschreibung (gegenüber dem Tadeusz B) noch nicht rechtskräftig sei, weil das diesbezügliche Gebührenfestsetzungsverfahren (ebenfalls) ausgesetzt worden sei, könne auch aus diesem Grunde eine Sozialhilfe für eine dem Grunde und der Höhe nach nicht rechtskräftige Gebührenvorschreibung nicht zuerkannt werden bzw. sei diese Entscheidung so lange auszusetzen, bis eine rechtskräftige Gebührenvorschreibung vorliege und die allfällige Hilfsbedürftigkeit (finanzielle Notlage) des Patienten im entsprechenden Ausmaß feststellbar sei. Dieser Zeitpunkt sei frühestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des anhängigen Zivilrechtsverfahrens beim Kreisgericht Wels, das auch eine Abklärung der Frage der allfälligen Hilfsbedürftigkeit erbringen werde, gegeben. Erst dann werde auch zu prüfen sein, inwieweit nicht doch noch weitere Vorverpflichtete (etwa das Bundesministerium für Inneres) dem Sozialhilfeträger vorgingen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Streitentscheidend ist die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht unter Anwendung des § 38 AVG das gegenständliche Verfahren aussetzen durfte.
Nach dieser Vorschrift ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheide zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 86/10/0129) ist unter einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren zu entscheiden ist; präjudiziell - und somit Vorfragenentscheidung im verfahrensrechtlich relevanten Sinn - ist nur eine Entscheidung, die eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar, das heißt eine notwendige Grundlage ist, und die diese Rechtsfrage in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt.
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht den Ausgang des beim Kreisgericht Wels anhängigen Zivilprozesses als für das gegenständliche Verwaltungsverfahren präjudiziell angesehen. Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht:
Gemäß § 7 SHG hat auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes einen Rechtsanspruch, wer seinen Lebensbedarf (dazu zählt gemäß § 11 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe) für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen und Einrichtungen (§ 8) erhält. Nach § 8 erster Satz SHG ist Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes soweit nicht zu gewähren, als andere Personen oder Einrichtungen auf Grund gesetzlicher, statutarischer oder vertraglicher Verpflichtung oder ohne eine solche Verpflichtung Hilfe leisten.
Gemäß § 15 Abs. 3 SHG kann der Antrag auf Gewährung der erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung einer ausreichenden Krankenhilfe auch von einer Krankenanstalt für einen in die Krankenanstalt aufgenommenen oder in einer Krankenanstalt ambulant behandelten Hilfeempfänger (Hilfesuchenden) bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde gestellt werden. (Abs. 5 regelt u.a. die Befristung eines nach Abs. 3 gestellten Antrages.)
Im vorliegenden Beschwerdefall ist allerdings auch die Vorschrift des § 35 KAG zu beachten. Diese Vorschrift lautet wörtlich wie folgt:
"Pflegegebühren, Sondergebühren; Verpflichtete
(1) Zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren ist in erster Linie der Pflegling selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise hiezu verpflichtet ist oder hiefür Ersatz zu leisten hat.
(2) Können die Pflege-(Sonder-)gebühren nicht beim Pflegling selbst oder bei den sonstigen im Abs. 1 genannten Personen hereingebracht werden, sind zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen. § 51b Abs. 1 des O.ö. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 66/1973, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 2/1984 gilt sinngemäß.
(3) Unbeschadet des § 15 Abs. 3 und 5 O.ö. Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 66/1973, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 2/1984 ist der zuständige Sozialhilfeträger erst dann zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren verpflichtet, wenn sie weder nach Abs. 1 noch auch bei unterhaltspflichtigen Personen gemäß Abs. 2 hereingebracht werden können.
(4) Andere als die in den §§ 33, 34 und 34a vorgesehenen Gebühren oder Entgelte dürfen nicht eingehoben werden".
Aus der insoweit maßgeblichen Bestimmung des § 35 Abs. 3 KAG ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kein Anhaltspunkt dafür, daß der zuständige Sozialhilfeträger dann nicht zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege-(Sonder-)gebühren verpflichtet ist, wenn der Pflegling (vgl. Abs. 1) einen in Zukunft realisierbaren Anspruch gegenüber einem Dritten hat, kann doch die Beantwortung der Frage, ob diese Gebühren "hereingebracht werden können", nur auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bezogen werden. Gleiches gilt hinsichtlich der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Vorschrift des § 8 erster Satz SHG. Auch hier kommt es nicht auf allenfalls erst in Zukunft realisierbare Ansprüche des Hilfsbedürftigen gegenüber einem Dritten an.
Ausgehend davon ist die in dem erwähnten gerichtlichen Verfahren zu klärende Frage, ob ein Arbeitgeber gegenüber dem Tadeusz B. zur Bezahlung der Pflegegebühren verpflichtet ist, nicht präjudiziell im Sinne des § 38 AVG 1950.
Was schließlich den Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die nicht rechtskräftige Gebührenvorschreibung anlangt, weshalb eine Sozialhilfe nicht zuerkannt werden könne, so braucht darauf nicht näher eingegangen werden, weil dies nicht Gegenstand des im Instanzenzug ergangenen Spruches des angefochtenen Bescheides ist.
Da die belangte Behörde sohin in Verkennung der Rechtslage von der Vorschrift des § 38 AVG 1950 Gebrauch gemacht hat, erweist sich der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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