Normen
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
GrKontrG 1969 §15;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
GrKontrG 1969 §15;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Ausweis der Akten ist der am 5. August 1968 geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, am 9. Juli 1988, ohne im Besitz eines Sichtvermerkes zu sein, nach Österreich eingereist. Mit Eingabe vom 29. September 1988 beantragte er bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck die "Verlängerung des Sichtvermerkes auf ein Jahr, allenfalls auf einen kürzeren Zeitraum, allenfalls bis zum Abschluß des gegenständlichen Ermittlungsverfahrens". Zur Begründung führte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer aus, seine Familie sei bereits seit langem in Österreich ansässig (der Vater seit 1973, die Mutter seit 1986, ein Bruder seit 1976, dessen Frau seit 1984 und ein weiterer minderjähriger Bruder seit 1986). Sein Vater sowie sein Bruder und dessen Gattin seien in Österreich als Arbeiter beschäftigt und erzielten ein monatliches Einkommen von je ca. S 10.000,--. Der Beschwerdeführer beabsichtige sich nun im Rahmen der Familienzusammenführung ebenfalls in Österreich niederzulassen. Er sei sich im klaren darüber, daß dies langfristig nur dann möglich sei, wenn er einer entsprechenden Beschäftigung nachgehe. Diesen Entschluß habe er nun gefaßt. Als ersten Schritt habe er bei der Volkshochschule Innsbruck einen Deutschkurs für Ausländer inskribiert. Er könne weiterhin bei seiner Familie in Innsbruck wohnen. Die Familie verpflichte sich auch, für seinen Unterhalt im vollen Umfang aufzukommen.
Diesen Antrag wies die Bundespolizeidirektion Innsbruck (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 25 Abs. 1 und Abs. 2 Paßgesetz 1969 ab. Nach der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde zunächst fest, der Beschwerdeführer habe vor seiner Einreise nach Österreich (9. Juli 1988) bereits am 30. Juni 1988 bzw. am 1. Juli 1988 versucht, nach Österreich einzureisen, doch sei er jeweils von den österreichischen Grenzorganen zurückgewiesen worden, da er die entsprechende "Bescheinigung" der Wohnsitzbehörde seiner in Österreich lebenden Angehörigen nicht habe vorweisen können. Auf Ersuchen seines Vaters habe die belangte Behörde eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt, nachdem der Vater versichert habe, daß der Beschwerdeführer sich nur für drei Monate zu Urlaubszwecken bei ihm in Innsbruck aufhalten wolle und anschließend wieder in die Türkei zurückkehren würde. Der nunmehr gestellte Antrag widerspreche in jeder Hinsicht diesen Erklärungen des Vaters des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer, der sich bisher nie für einen längeren Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten habe, habe in der Türkei die Schule besucht und, nach den seinerzeitigen Angaben des Vaters, bei seinem Bruder in der Türkei gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei der deutschen Sprache nicht mächtig, seine Eltern und ein Bruder hielten sich seit Jahren in Österreich auf. Daraus folgerte die belangte Behörde, von einer Familienzusammenführung im fremdenpolizeilichen Sinn könne schon angesichts der Volljährigkeit des Beschwerdeführers keine Rede sein. Auch stimme es nicht, daß die ganze Familie des Beschwerdeführers in Österreich aufhältig sei, da er laut den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers bis zu seiner Abreise aus der Türkei bei einem volljährigen Bruder in Istanbul gewohnt und in dessen Betrieb gearbeitet habe. Der Erteilung des Sichtvermerkes stünden im gegenständlichen Fall öffentliche Interessen entgegen. So bestünde die Gefahr, daß der Beschwerdeführer, der nach den gegebenen Erfahrungen keine Chance habe, eine Beschäftigungsbewilligung zu erhalten, in diesem Fall versuchen könnte, entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes Arbeiten auszuüben. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers würde daher dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Kontrolle des Arbeitsmarktes in bezug auf die Ausländerbeschäftigung widersprechen. Außerdem ergebe sich aus den vergeblichen Versuchen des Beschwerdeführers nach Österreich einzureisen, und jenen Zusicherungen des Vaters des Beschwerdeführers, daß dieser keineswegs beabsichtige, in Österreich länger als drei Monate zu bleiben, eindeutig, daß der Beschwerdeführer schon bei seiner Einreise nach Österreich die Absicht gehabt habe, hier zu bleiben und eine Arbeit anzunehmen. Es habe sich somit um unwahre Angaben gehandelt, die allein den Zweck gehabt hätten, eine Bescheinigung ausgestellt zu erhalten, die es dem Beschwerdeführer ermöglichen sollte, nach Österreich einreisen zu dürfen. Der Aufenthalt von Fremden, die sich durch falsche Angaben über Zweck und Dauer ihres Aufenthaltes in Österreich den Aufenthalt im Bundesgebiet gewissermaßen "erschleichen" würden, beeinträchtige daher das öffentliche Interesse an einem geregelten und kontrollierten Zuzug von Fremden in das Bundesgebiet. Bei einer Gegenüberstellung der vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleiben in Österreich mit den dargestellten öffentlichen Interessen, sei die belangte Behörde daher zu dem Ergebnis gelangt, daß die öffentlichen Interessen die privaten Interessen überwiegen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 des Paßgesetzes 1969 (PaßG) bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet außer einem gültigen Reisedokument eines österreichischen Sichtvermerkes, soweit nicht durch zwischenstaatliche Vereinbarungen anderes bestimmt ist. Nach Art. 1 Abs. 3 des zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Gänze in Kraft gestandenen österreich-türkischen Abkommens über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 194/1955, müssen die Staatsangehörigen jedes der beiden Vertragsstaaten, welche wünschen, sich in der Türkei bzw. in Österreich niederzulassen oder dort länger als drei Monate Aufenthalt zu nehmen, ebenso wie die in Art. 3 des Abkommens angeführten Personen noch vor ihrer Einreise unbedingt von den zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretungsbehörden den erforderlichen Sichtvermerk einholen. Nach Art. 1 Abs. 4 müssen gleichwohl die österreichischen und türkischen Staatsangehörigen, die ohne Sichtvermerk nach der Türkei oder nach Österreich eingereist sind und aus berechtigten Gründen ihren Aufenthalt verlängern müssen, von den örtlichen Behörden die erforderliche Bewilligung erlangen, wobei es den besagten Behörden freisteht, diese zu bewilligen oder zu verweigern.
Nach § 25 Abs. 1 PaßG kann einem Fremden auf Antrag ein Sichtvermerk erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß § 25 Abs. 3 vorliegt. Dem Abs. 2 des zitierten Paragraphen zufolge hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkwerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen.
Nach § 25 Abs. 3 lit. d PaßG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkwerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer bekämpft die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe von vornherein bereits bei seiner Einreise nach Österreich die Absicht gehabt, auf Dauer in Österreich zu bleiben und hier eine Arbeit anzunehmen. Es handle sich nur um eine Vermutung der belangten Behörde, die durch die Ermittlungsergebnisse der belangten Behörde keine Deckung finde.
Der Verwaltungsgerichtshof kann im Rahmen der ihm zustehenden Überprüfung der Beweiswürdigung (vgl. die Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht finden, daß der belangten Behörde bei der Feststellung, der Beschwerdeführer habe bereits im Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich die Absicht gehabt, für dauernd in Österreich zu bleiben und eine Arbeit anzunehmen, eine Rechtswidrigkeit unterlaufen ist. Nach den von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, die durch die Aktenlage gedeckt sind, und selbst vom Beschwerdeführer nicht bestritten werden, hat der Vater des Beschwerdeführers, nachdem ein Antrag auf Nachführung des Beschwerdeführers im Jahre 1987 abgelehnt worden war, und der Beschwerdeführer überdies bei zwei Grenzübertrittsversuchen im Jahre 1988 jeweils zurückgewiesen worden war, bei der belangten Behörde neuerlich um eine Nachführungsbescheinigung für den Beschwerdeführer mit der Versicherung angesucht, der Beschwerdeführer komme nur zu einem Besuch nach Österreich und werde nicht länger als drei Monate in Österreich verbleiben. Nur auf Grund dieser Erklärung wurde von der belangten Behörde die "Nachführungsbescheinigung" ausgestellt, die es dem Beschwerdeführer ermöglichte, am 9. Juli 1988 sichtvermerksfrei nach Österreich einzureisen. Wenn die belangte Behörde in Bewertung der seiner Einreise nach Österreich vorangehenden Anstrengungen des Beschwerdeführers, eine Genehmigung für einen dauernden Aufenthalt in Österreich zu erhalten, seiner ohne einer näheren plausiblen Begründung in seinem Antrag auf Ausstellung eines Sichtvermerkes abgegebenen Erkärung, er habe den Entschluß, sich im Rahmen der Familienzusammenführung in Österreich niederzulassen und einer entsprechenden Beschäftigung nachzugehen, "nun" gefaßt, keinen Glauben geschenkt und geschlossen hat, daß der Beschwerdeführer schon von jeher vor seiner Einreise nach Österreich die Absicht gehabt habe, sich in Österreich niederzulassen und einer Beschäftigung nachzugehen, so kann diese Feststellung nicht als unschlüssig erkannt werden. Beabsichtigte der Beschwerdeführer jedoch, nach Österreich einzureisen, um dort länger als drei Monate Aufenthalt zu nehmen, dann wäre er nach Art. 1 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Türkei und Österreich, BGBl. Nr. 194/1955, verpflichtet gewesen, vor seiner Einreise unbedingt von den österreichischen diplomatischen oder konsularischen Vertretungsbehörden den erforderlichen Sichtvermerk einzuholen. Dies hat der Beschwerdeführer unterlassen und damit gegen die angeführte Bestimmung verstoßen. Die Rechtsordnung mißt der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung paßrechtlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliegt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 1987, Slg. Nr. 12.459/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise nach Österreich zu verschaffen. Somit liegt ein Sachverhalt vor, der nach § 3 Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung des Bundesgesetzes vom 5. November 1987, BGBl. Nr. 575, als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 der genannten Gesetzesstelle zu gelten hat und die Annahme rechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Zufolge des eingangs zitierten § 25 Abs. 3 lit. d PaßG ist aber die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, daß der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Wenn die belangte Behörde bei dem gegebenen Sachverhalt den begehrten Sichtvermerk nicht erteilt hat, kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann eine Auseinandersetzung mit den gegen die Ermessensübung der belangten Behörde gerichteten Beschwerdeausführungen unterbleiben.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)