VwGH 90/19/0125

VwGH90/19/012523.4.1990

1. N und 2. A gegen Tiroler Landesregierung 1. vom 2. November 1989, Zl. IIIa2-2407/1, 2407/2, und 2. vom 6. November 1989, Zlen. IIIa2-2406/1, 2406/2, betreffend Wiederaufnahme von Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen des TJG 1983

Normen

AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 litc;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs2;
AVG §71 Abs1;
JagdG Tir 1983 §12 Abs1;
JagdG Tir 1983 §42 Abs1;
StGB §137;
StGB §139;
VStG §5 Abs2;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 litc;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs2;
AVG §71 Abs1;
JagdG Tir 1983 §12 Abs1;
JagdG Tir 1983 §42 Abs1;
StGB §137;
StGB §139;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von je S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer wurde mit Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 29. Dezember 1988 und 25. Jänner 1989 wegen insgesamt vier Übertretungen nach § 7 VStG 1950 in Verbindung mit §§ 42 Abs. 1 und 12 Abs. 1 TJG 1983 bestraft, weil er vorsätzlich zwei namentlich bezeichneten Jagdgästen, welche nicht im Besitz eines Jagderlaubnisscheines gewesen seien, die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach dem TJG 1983 dadurch erleichtert habe, daß er als Mitpächter einer bestimmten Eigenjagd dem einen Jagdgast am 23. August 1988 den Abschuß eines Gamsbockes der Klasse II und am 24. September 1988 dem andern Jagdgast den Abschuß eines Murmeltieres habe tätigen lassen, obwohl es verboten sei, ohne schriftliche Bewilligung des Jagdausübungsberechtigten ein Jagdgebiet mit einem Jagdgewehr zu durchstreifen und der Jagdgast bei Ausübung der Jagd den Erlaubnisschein mitzuführen habe.

Der Zweitbeschwerdeführer wurde gleichfalls mit Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 29. Dezember 1988 und 25. Jänner 1989 wegen insgesamt vier Übertretungen nach § 7 VStG 1950 in Verbindung mit den §§ 42 Abs. 1 und 12 Abs. 1 TJG 1983 bestraft, weil er vorsätzlich zwei namentlich bezeichneten Jagdgästen, welche nicht im Besitz eines Jagderlaubnisscheines gewesen seien, die Begehung einer Übertretung nach dem TJG 1983 dadurch erleichtert habe, daß er als Mitpächter einer bestimmten Eigenjagd den einen Jagdgast am 23. August 1988 in die Eigenjagd geführt und ihm dort den Abschuß eines Gamsbockes der Klasse II habe tätigen lassen und am 24. September 1988 dem andern Jagdgast den Abschuß eines Murmeltieres habe tätigen lassen, obwohl es verboten sei, ohne schriftliche Bewilligung des Jagdausübungsberechtigten ein Jagdgebiet mit einem Jagdgewehr zu durchstreifen und der Jagdgast bei Ausübung der Jagd den Erlaubnisschein mitzuführen habe.

Alle genannten Strafverfügungen sind in Rechtskraft erwachsen.

Am 23. Mai 1989 langten bei der erstinstanzlichen Behörde Anträge der Beschwerdeführer auf Wiederaufnahme der mit den angeführten Strafverfügungen abgeschlossenen Strafverfahren ein. Als Wiederaufnahmegründe machten die Beschwerdeführer geltend, daß sie am 10. Mai 1989 wegen der Verstöße vom 23. August 1988 bzw. 24. September 1988 rechtskräftig gerichtlich freigesprochen worden seien. Diese Entscheidungen, an die die Behörde gebunden sei, bestätigten eindeutig, daß die Beschwerdeführer nicht die ihnen zur Last gelegten Verstöße begangen hätten, andernfalls sie "im Sinne des § 137 ff StGB" für schuldig erkannt worden wären. Zu den Freisprüchen sei es gekommen, weil der Mitpächter R im Rahmen seiner Zeugenaussage am 10. Mai 1989 eine schriftliche Vereinbarung vorgelegt habe, der entnommen werden könne, daß jeder Mitpächter berechtigt gewesen sei, über den ihm zugeteilten Abschuß zu verfügen bzw. diesen auch an Dritte abzugeben. In Unkenntnis des Tiroler Jagdgesetzes sei ferner festgelegt worden, daß Jagderlaubnisscheine alleine von R zu fertigen wären. Die Existenz dieser Urkunde habe R bis dahin verneint, sodaß sie für die Beschwerdeführer nicht greifbar gewesen sei. Diese Vereinbarung sei von den Beschwerdeführern irrtümlich als "Blankojagderlaubnis" bzw. "Blankojagderlaubnisschein" qualifiziert worden. Der Rechtsirrtum schließe jedoch den Vorsatz bei der ihnen angelasteten Verwaltungsübertretungen aus.

Diese Wiederaufnahmeanträge wurden mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 19. September 1989 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß die gerichtlichen Freisprüche den gerichtlich zu ahndenden Tatbestand des Eingriffes in ein fremdes Jagdrecht betroffen hätten. Daraus lasse sich eine Bindungswirkung für die gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht ableiten. Die als neues Beweismittel vorgelegte schriftliche Vereinbarung zwischen den Mitpächtern sei im Jahr 1987 verfaßt worden und den Beschwerdeführern bekannt gewesen. Die bloße Unkenntnis über das Vorhandensein dieser Urkunde wäre kein Hindernis gewesen, sie in den Verwaltungsstrafverfahren anzuführen oder den Antrag zu stellen, nach ihr zu forschen. Versäume der Bestrafte diese Gelegenheit, so müsse er die Folgen tragen und könne sich nicht auf § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 berufen.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufungen, in denen sie unter anderem geltend machten, daß R "das Verfahren erschlichen" habe und "zufolge Urkundenunterdrückung eines gemeinsamen Beweismittels straffällig" sei, weil er der Verpflichtung, die schriftliche Vereinbarung bei der Anzeigeerstattung vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Es liege daher auch der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 vor.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden diese Berufungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Behauptung, zwischen den Jagdpächtern der gegenständlichen Eigenjagd sei eine Vereinbarung abgeschlossen worden, wonach jeder der Jagdpächter frei über den ihm zugeteilten Abschuß verfügen könne, der Jagdbehörde erster Instanz bereits vor Erlassung der gegenständlichen Strafverfügungen bekannt gewesen sei, weil die Beschwerdeführer bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Gendarmerie diese schriftliche Vereinbarung erwähnt hätten. Wenn sie nunmehr vermeinten, daß durch das Verhalten des R, welcher als einer der Jagdpächter gegen sie Anzeige erstattet und in seiner niederschriftlichen Einvernahme die zwischen den Jagdpächtern bestehende Vereinbarung unerwähnt gelassen habe, der "Sachverhalt des § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950" gegeben sei, so sei zu überprüfen, ob dadurch eine Irreführung der Behörde herbeigeführt worden sei. Durch die Angaben der Beschwerdeführer habe aber für die Erstbehörde die Möglichkeit bestanden, die Angaben des R durch amtswegige Ermittlungen zu überprüfen. Von einem Erschleichen des Bescheides könne aber dann nicht gesprochen werden, wenn die Behörde die Möglichkeit gehabt habe, die Unrichtigkeit des Parteienvorbringens durch amtswegige Ermittlungen ohne Schwierigkeiten zu widerlegen und von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Dies habe aber auch im vorliegenden Fall zu gelten, zumal R vor dem Bezirksgericht Z anstandslos Auskunft über die angeführte Vereinbarung zwischen den Jagdpächtern erteilt habe und zudem die Möglichkeit bestanden hätte, den dritten an dieser Abmachung beteiligten Jagdpächter einzuvernehmen. Hinsichtlich des Sachverhaltes nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 sei auf die Verpflichtung der Beschwerdeführer hinzuweisen, bereits im Hauptverfahren zur umfassenden Tatsachensammlung und zum umfassenden Vorbringen beizutragen. Dies wäre den Beschwerdeführern durch die Stellung entsprechender Beweisanträge etwa im Zuge eines Einspruches gegen die ergangenen Strafverfügungen möglich und zumutbar gewesen. Somit treffe die Beschwerdeführer aber ein Verschulden im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950. Zudem vermögen neue Tatsachen oder Beweismittel eine Wiederaufnahme nur zu rechtfertigen, wenn diese einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Eine interne Vereinbarung zwischen den Jagdpächtern stelle aber keinesfalls einen Ausnahmetatbestand zur Vorschrift des § 12 TJG 1983 dar. Auch sei der Einwand der Beschwerdeführer, sie seien irrtümlich zu der Überzeugung gelangt, eine solche Vereinbarung könne einen Jagderlaubnisschein ersetzen, da im Tiroler Jagdgesetz eine konkrete Formvorschrift betreffend die Erstellung eines Jagderlaubnisscheines nicht zu finden sei, nicht stichhältig und könne den gegen sie gerichteten Vorwurf der vorsätzlichen Begehung nicht entkräften. § 12 Abs. 1 zweiter und dritter Satz TJG 1983 legten klar und unmißverständlich dar, daß eine Jagderlaubnis der Schriftform bedürfe und von ALLEN Jagdpächtern unterzeichnet sein müsse; auch habe der Jagdgast bei der Ausübung der Jagd den Erlaubnisschein mit sich zu führen. Schließlich sei aber auch das Vorliegen des Vorfragentatbestandes nach § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 zu verneinen, da es sich bei der Frage, ob der Tatbestand der §§ 137 ff StGB (Eingriff in ein fremdes Jagdrecht) erfüllt worden sei, nicht um ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die von der Verwaltungsstrafbehörde zu treffende Entscheidung handle. Vielmehr bleibe eine Verletzung der Vorschriften der §§ 12 und 42 TJG 1983 von einer allfälligen strafrechtlichen Relevanz dieses Verhaltens gänzlich unberührt.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsstrafverfahren vor und erstattete Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

b) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

c) der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen anhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entscheiden wurde.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrunde Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Soweit sich das Vorbringen der Beschwerdeführer auf den Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 bezieht, ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführer das Sachverhaltsvorbringen zu diesem Wiederaufnahmegrund nicht in den Wiederaufnahmeanträgen, sondern erst in den Berufungen gegen die erstinstanzlichen Bescheide, mit denen ihre Wiederaufnahmeanträge abgewiesen worden waren, erstatteten. Da für die Beurteilung der Frage, ob einem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben ist, allein die innerhalb der Frist des § 69 Abs. 2 AVG 1950 vorgebrachten Wiederaufnahmegründe maßgebend sind (vgl. zur gleichgelagerten Rechtslage bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG 1950 n. v.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1960, Slg. Nr. 5346/A), muß dem den Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950 betreffenden Beschwerdevorbringen schon aus diesem Grunde der Erfolg versagt bleiben.

Was den Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 anlangt, so ging die belangte Behörde zu Recht davon aus, daß die als neu hervorgekommenes Beweismittel geltend gemachte schriftliche Vereinbarung zwischen den Pächtern des Eigenjagdgebietes nicht geeignet gewesen wäre, allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen der Verfahren voraussichtlich im Hauptinhalt des Spruches anderslautende Bescheide herbeizuführen. Der Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie die von den Beschwerdeführern in Beziehung auf diese Urkunde aufgestellten Behauptungen, sie hätten bei der Begehung der ihnen zur Last gelegten Delikte rechtsirrtümlich gehandelt, als nicht stichhältig erachtete, kann doch bei Jagdausübungsberechtigten vorausgesetzt werden, daß sie eine zwischen ihnen getroffene Vereinbarung über den Abschuß von einem EINEM JAGDGAST erteilten Jagderlaubnisschein im Sinne des § 12 Abs. 1 TJG 1983 oder einer EINEM JAGDGAST erteilten Bewilligung zum Durchstreifen eines Jagdgebietes mit einem Gewehr im Sinne des § 42 Abs. 1 leg. cit. zu unterscheiden vermögen. Schon dieser Umstand steht - unabhängig von der Frage des Verschuldens an der Nichtgeltendmachung - der Annahme eines tauglichen Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 entgegen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer vermag auch die Tatsache, daß sie in den gegen sie wegen des Vergehens des Eingriffes in ein fremdes Jagdrecht nach § 137 in Verbindung mit § 139 StGB durchgeführten gerichtlichen Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen wurden, keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund darzustellen. Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß die Frage, ob sich die Beschwerdeführer mit ihrem Verhalten der ihnen zur Last gelegten gerichtlich strafbaren Vergehen schuldig machten, für die gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht präjudiziell ist. Die belangte Behörde belastete daher ihre Bescheide nicht mit einer Rechtswidrigkeit, wenn sie auch das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 verneinte.

Die Beschwerden waren somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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