Normen
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
EGVG Art8/Wr Fall2 Lärmerregung;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita impl;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
EGVG Art8/Wr Fall2 Lärmerregung;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Schriftsatz vom 23. Mai 1989 stellte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers bei der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat A, einen Antrag auf Wiedereinsetzung, der folgenden Inhalt aufweist:
"Das Straferkenntnis vom 1989-02-02, n 1, wurde dem ausgewiesenen Vertreter am 1989-02-08 zugestellt. Die Post wurde von der Sekretärin, E, übernommen und wie immer mit den dazugehörenden Akten der ausgewiesenen Vertreterin vorgelegt. An jenem Tag, also dem 1989-02-08, war eine weitere Polizeisache im gleichen Akt eingelangt, nämlich im Verfahren n 2 des Bezirkspolizeikommissariates A, welche unter einem der Vertreterin vorgelegt wurde. Hiedurch muß das gegenständliche Straferkenntnis so zwischen andere Schriftstücke des gegenständlichen Aktes hineingerutscht sein, daß übersehen wurde, die Berufungsfrist vorzumerken. Es waren zu dem Zeitpunkt schon derart zahlreiche Verwaltungsverfahren anhängig, daß dies auch nicht sofort auffiel. Die Fristvormerkung hatte bisher tadellos funktioniert und wurde sie sehr gewissenhaft vorgenommen. Die von der ausgewiesenen Vertreterin stichprobenartig vorgenommenen Überprüfungen der Fristvormerke haben immer die ausgesprochene Richtigkeit bestätigt. Im Grunde ist es unerklärlich, wie dieses Versäumnis passieren konnte. Die ausgewiesene Vertreterin selbst war den ganzen Tag bei Verhandlungen und kam erst am Abend dazu, die Post durchzusehen. Durch diese besondere Verkettung - mehrere Schriftstücke in der besonderen Sache, zahlreiche bereits anhängige Verfahren, nicht sofortiges Sehen der eingelangten Post - hat offenbar verursacht, daß das Straferkenntnis übersehen wurde. Erst am 1989-05-22 wurde bei einer Durchsicht des Aktes zufällig das Straferkenntnis entdeckt."
1.2. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1989 wies die Bundespolizeidirektion Wien diesen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat A vom 2. Februar 1989, Zl. n 1, gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 in Zusammenhang mit § 24 VStG 1950 als unbegründet ab.
In der Begründung vertrat die Bundespolizeidirektion die Auffassung, daß ein Rechtsanwalt allein mit einer stichprobenartigen Durchsicht des Fristvormerkbuches seiner Überwachungspflicht nicht ausreichend nachkomme. Ein Rechtsanwalt müsse die Organisation des Kanzleibetriebes so einrichten, daß die Vormerkungen von Terminen vollständig und richtig erfolge. Er werde also neben der Richtigkeit auch die Vollständigkeit der Vormerkungen zu überwachen haben. Dabei sei durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach ausgeschlossen seien. Da ein Verschulden des Rechtsvertreters der Partei anzulasten sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien bestätigt. Gleichzeitig wurde die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen.
Nach der Begründung sei der gegenständliche Bescheid durch ein Versehen der Kanzleikraft der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers zwischen andere Schriftstücke eines Aktes hineingerutscht, sodaß übersehen worden sei, die Berufungsfrist vorzumerken. Erst am 22. Mai 1989 sei das Straferkenntnis bei einer Durchsicht der Akten zufällig bemerkt worden. Es sei dahingestellt, ob das mehrmonatige Übersehen eines Schriftstückes im Handakt der Vertreterin noch als leichte Fahrlässigkeit beurteilt werden könne. Die Bestimmung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 sehe eine Wiedereinsetzung aber nur dann vor, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten. Ein verschuldensfreies Verhalten könne aber - lege man das Parteienvorbringen zugrunde - im vorliegenden Fall nicht erkannt werden.
1.4. Gegen diesen Bescheid - soweit er die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages betrifft - richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wird dabei im wesentlichen ein Verschulden der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin in Abrede gestellt. Durch das Zusammentreffen mehrerer Ereignisse sei im vorliegenden Fall offenbar eine Überforderung eingetreten, die aber nicht wirklich zum Vorwurf gemacht werden könne. Es gebe eine zumutbare Grenze, innerhalb welcher eine Sorgfaltsausübung möglich sei. Bei einer derartigen Überlastung, wie sie im Wiedereinsetzungsantrag geschildert werde, sei aber davon auszugehen, daß die Zumutbarkeitsgrenze überschritten worden sei und das Versehen auf einem menschlichen Versagen beruhe, das allgemein begreiflich sei und nicht als Verschulden angelastet werden könne. Das Verfahren vor der belangten Behörde sei insofern mangelhaft geblieben, weil die Behörde nicht festgestellt habe, warum im konkreten Fall eine stichprobenartige Überprüfung nicht genügen solle.
1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:
2.1. Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Das Versehen eines Kanzleibediensteten ist für einen Rechtsanwalt (und damit für die von ihm vertretene Partei) nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhinderte, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleibediensteten nachgekommen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1990, Zl. 89/03/0254).
Wenn der Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend macht, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, daß es zur Fehlleistung der Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Erlaubt das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag über das beim Rechtsanwalt des Wiedereinsetzungswerbers eingerichtete Kontrollsystem und über die konkreten Umstände, auf die die Versäumung der Beschwerdefrist zurückzuführen ist, eine Beurteilung der Frage nach den letzteren nicht, so schließt dies die Annahme eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes aus (vgl. dazu den Beschluß vom 21. Februar 1990, Zlen. 90/03/0021, 0022).
2.2. Die Vertreterin des Beschwerdeführers hat in ihrem Wiedereinsetzungsantrag vom 23. Mai 1989 den Umstand, daß das Straferkenntnis vom 2. Februar 1989 in einen fremden Akt "hineingerutscht" und dort übersehen wurde, im wesentlichen auf ein "Versehen" ihrer Sekretärin zurückgeführt. Die Fristvormerkung habe bisher tadellos funktioniert und sei sehr gewissenhaft vorgenommen worden. Die von der Vertreterin stichprobenartig vorgenommenen Überprüfungen der Fristvormerke hätten immer die ausgesprochene Richtigkeit bestätigt.
Vor dem Hintergrund der unter Punkt 2.1. wiedergegebenen Rechtslage läßt der Wiedereinsetzungsantrag nicht erkennen, daß die Vertreterin des Antragstellers ohne ihr Verschulden verhindert gewesen wäre, die Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 2. Februar 1989 einzuhalten. Es fehlen nämlich jegliche Angaben darüber, inwiefern die Vertreterin des Antragstellers die Vorlage der Eingangsstücke überwacht, d.h. mit welchen organisatorischen Maßnahmen sie dem etwaigen Verschwinden von Eingangsstücken zu begegnen versucht. Das bloß allgemein gehaltene Vorbringen, sie kontrolliere ihre Sekretärin "stichprobenartig", kann in diesem Zusammenhang nicht als ausreichend anerkannt werden.
2.3. Auf Grund dieser Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1989/206.
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