Normen
BEinstG §1 Abs1;
BEinstG §4 Abs1 lita;
BEinstG §4 Abs3;
BEinstG §5 Abs1;
BEinstG §7;
BEinstG §9;
BEinstG §1 Abs1;
BEinstG §4 Abs1 lita;
BEinstG §4 Abs3;
BEinstG §5 Abs1;
BEinstG §7;
BEinstG §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.207,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß im Jahre 1988 zwischen der Beschwerdeführerin und den beiden gemäß § 2 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 721/1988 (in der Folge kurz: BEinstG), begünstigten Behinderten R und S aufrechte Dienstverhältnisse bestanden haben. Strittig ist ausschließlich die Frage, ob diese beiden Behinderten während jener Monate des Jahres 1988, in welchen sie im Bezug von Krankengeld standen, gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG auf die Pflichtzahl anzurechnen waren, bzw. in welcher Höhe der Beschwerdeführerin für diese Zeit eine Ausgleichstaxe gemäß § 9 BEinstG vorzuschreiben war.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 11. April 1990 hat die belangte Behörde in Bestätigung des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 30. Oktober 1989 der Beschwerdeführerin für das Jahr 1988 wegen Nichterfüllung bzw. nur teilweiser Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 1 BEinstG eine Ausgleichstaxe in der Höhe von S 197.370,-- vorgeschrieben, wobei die beiden oben genannten, bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Behinderten für die Zeit des Bezuges von Krankengeld auf die Pflichtzahl nicht angerechnet worden sind.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des vorangegangenen Verfahrensverlaufes und ausgehend vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. März 1989, Zl. 87/09/0158, im wesentlichen aus, daß die beiden Behinderten während des Bezuges von Krankengeld bei der Beschwerdeführerin nicht gegen Entgelt beschäftigt gewesen seien. Für die Qualifikation als Dienstnehmer im Sinne des BEinstG sei es aber nicht ausreichend, daß ein grundsätzlich entgeltliches Dienstverhältnis begründet worden sei, sondern es müsse am jeweiligen Stichtag eine tatsächliche Entgeltzahlungsverpflichtung des Dienstgebers vorliegen. Die belangte Behörde ging dabei vom Entgeltbegriff nach § 49 ASVG aus und ergänzte dazu, daß Sonderzahlungen und allfällige kollektivvertragliche oder freiwillige Zuschüsse des Dienstgebers zu einem in voller Höhe gebührenden Krankengeld nicht als Entgelt zu betrachten seien. Es sei somit festzuhalten, daß der weiterhin bestehende Anspruch auf Sonderzahlungen während des Bezuges von Krankengeld in voller Höhe nichts daran zu ändern vermöchte, daß der Entgeltanspruch des Beschäftigten ende und die Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 1 ASVG erlösche. Dies bedeute, daß der Mitarbeiter nach dem Auslaufen der Entgeltfortzahlung nicht mehr gegen Entgelt beschäftigt sei und ihm daher - trotz aufrechten Bestandes des Beschäftigungsverhältnisses - nicht mehr die Qualifikation eines Dienstnehmers im Sinne des BEinstG zukomme.
Gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG seien auf die Pflichtzahl u.a. die beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten anzurechnen. Daraus gehe hervor, daß auf die Pflichtzahl nur begünstigte Behinderte angerechnet werden könnten, denen auch die Stellung als Dienstnehmer im Sinne des Gesetzes zukomme. Dem Begriff "Entgelt" im § 7 BEinstG müsse dieselbe Bedeutung innewohnen wie im § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG (in welchem als Dienstnehmer nur "gegen Entgelt" beschäftigte Personen genannt werden). Zu diesem Ergebnis führten nach Ansicht der belangten Behörde auch auf die §§ 2 Abs. 3 und 4 Abs. 1 BEinstG gestützte Erwägungen. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung darauf verweise, daß die von den Behörden im Beschwerdefall vertretene Rechtsmeinung im Konnex mit der Stichtagsregelung des § 16 Abs. 2 BEinstG zu Zufallsergebnissen führe, dann sei ihr entgegenzuhalten, daß bei jeder Stichtagsregelung ein gewisses Zufallsmoment nicht auszuschließen sei; die generelle Problematik einer Stichtagsregelung werde durch die oben dargelegte Beurteilung der Anrechenbarkeit begünstigter Behinderter aber nicht grundsätzlich verschärft. Dieser Nachteil müsse aus Gründen der Einfachheit des Verfahrens im Vergleich zu den Schwierigkeiten einer tageweisen Berechnung der Ausgleichstaxe in Kauf genommen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, daß R und S bei der Ermittlung der Ausgleichstaxe infolge des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses für das ganze Jahr 1988 zu berücksichtigen seien.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß dem ersten Satz des § 1 Abs. 1 BEinstG sind alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen.
Gemäß Abs. 1 lit. a des mit "Berechnung der Pflichtzahl" überschriebenen § 4 BEinstG sind Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (einschließlich Lehrlinge). Für die Berechnung der Pflichtzahl sind gemäß § 4 Abs. 3 BEinstG von der gemäß Abs. 2 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer 10 v.H., wenn mehr als die Hälfte der Beschäftigten weibliche Dienstnehmer sind, 20 v.H. sowie die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen.
Nach dem Absatz 1 des mit "Erfüllung der Beschäftigungspflicht" überschriebenen § 5 BEinstG sind auf die Pflichtzahl die beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten, begünstigte Personen nach § 2 Abs. 3 und Dienstgeber anzurechnen, bei denen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 zutreffen.
§ 7 BEinstG normiert, daß das Entgelt, das den im Sinne dieses Bundesgesetzes beschäftigten begünstigten Behinderten gebührt, nicht aus dem Grunde der Behinderung gemindert werden darf.
§ 9 BEinstG regelt die alljährliche Vorschreibung einer Ausgleichstaxe, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist; § 9a BEinstG sieht für Dienstgeber, die mehr begünstigte Behinderte beschäftigen, als ihrer Einstellungspflicht entspricht, die Gewährung einer Prämie vor.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die in der Beschwerde vertretene Rechtsauffassung, daß zwischen der Frage, welche Dienstnehmer bei der Ermittlung der Pflichtzahl nach § 4 BEinstG zu berücksichtigen sind, und der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Dienstgeber seiner Beschäftigungspflicht nach den §§ 1 Abs. 1 und 5 Abs. 1 BEinstG nachkommt, zu unterscheiden ist.
Das von der belangten Behörde zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. März 1989, Zl. 87/09/0158, betraf ausschließlich die Berechnung der Pflichtzahl, wobei der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt ist, daß dabei Mitarbeiterinnen, die sich in Schutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz befinden und während dieser Zeit kein Entgelt vom Dienstgeber, sondern nur sozialversicherungsrechtliche Leistungen beziehen, nicht als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. a BEinstG zu werten seien.
Im Beschwerdefall geht es indes nicht um die Berechnung der Pflichtzahl, in welche beschäftigte begünstige Behinderte gemäß § 4 Abs. 3 BEinstG in keinem Fall einzurechnen sind. Anders als in dem angeführten Vorerkenntnis ist im Beschwerdefall die Frage strittig, ob ein Dienstgeber (die Beschwerdeführerin) seine aus den §§ 1 Abs. 1 und 5 Abs. 1 BEinstG resultierende Beschäftigungspflicht auch zu jenen Stichzeitpunkten erfüllt, in denen ein bei ihm eingestellter begünstigter Behinderter ausschließlich Leistungen aus der Sozialversicherung (hier: Krankengeld gemäß den §§ 138 ff ASVG) bezieht und nicht ein vom Dienstgeber unmittelbar auszuzahlendes Entgelt.
Nach § 1 Abs. 1 BEinstG erfüllt der Dienstgeber seine Beschäftigungspflicht, wenn er die erforderliche Zahl von begünstigten Behinderten "einstellt". Hier ist (im Gegensatz zu § 4 Abs. 1) von Entgelt nicht die Rede, es genügen die - im Beschwerdefall unbestritten zwischen der Beschwerdeführerin und den begünstigten Behinderten abgeschlossenen und im Jahre 1988 aufrechten - Arbeitsverträge. Um den Erfordernissen der Anrechnung auf die Pflichtzahl gerecht zu werden, genügt es aber nicht, daß der begünstigte Behinderte "eingestellt" und damit beim Dienstgeber beschäftigt wird, es tritt vielmehr nach § 5 Abs. 1 BEinstG dazu noch die Voraussetzung, daß der begünstigte Behinderte nach § 7 BEinstG entlohnt wird. Dies ist dann der Fall, wenn dem Behinderten im Arbeitsvertrag der gleiche Entgeltsanspruch gesichert wird wie einem gesunden Dienstnehmer. Daß im Beschwerdefall die zwischen der Beschwerdeführerin und den begünstigten Behinderten abgeschlossenen Arbeitsverträge diesem Diskriminierungsverbot des § 7 BEinstG widersprochen hätten, ist weder aktenkundig noch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgebracht worden.
Der Verwaltungsgerichtshof folgt mit diesen Erwägungen - wie bereits in seinem Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, Zl. 90/09/0075 - der von MARHOLD (Beschäftigungspflicht und Entgeltanspruch nach dem BEinstG, RdW 1990/2, S. 51 f) vertretenen und veröffentlichten Auffassung. Da sich daraus ergibt, daß der Wegfall des Entgeltanspruches des begünstigten Behinderten für die Zeit seines Krankengeldbezuges die Anrechenbarkeit dieses Behinderten auf die Pflichtzahl unberührt läßt, hat die belangte Behörde dadurch, daß sie der Beschwerdeführerin infolge des Krankengeldbezuges der beiden Behinderten im Laufe des Jahres 1988 und einer daraus abgeleiteten Nichtanrechenbarkeit dieser begünstigten Behinderten auf die Pflichtzahl entsprechende Ausgleichstaxenbeträge für das Jahr 1988 vorschrieb, die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
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