VwGH 90/09/0020

VwGH90/09/002031.5.1990

R gegen Disziplinarvorgesetzten (Regimentskommandant des Landwehrstammregiments n1 in A) vom 13. Dezember 1989, Zl. 7.842-3170/89, betreffend Disziplinarverfahren (Schuldspruch ohne Strafe)

Normen

HDG 1985 §2 Abs1 idF 1988/342;
HDG 1985 §2 Abs4;
HDG 1985 §6 Abs1;
HDG 1985 §6 Abs4;
HDG 1985 §2 Abs1 idF 1988/342;
HDG 1985 §2 Abs4;
HDG 1985 §6 Abs1;
HDG 1985 §6 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer leistet als Zeitsoldat (§ 32 WehrG) Wehrdienst und führt den Dienstgrad Wachtmeister (§ 10 Abs. 1 Z. 3 WehrG). Seine Dienststelle ist die 1. Ausbildungskompanie des Landwehrstammregiments n1 in A.

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Einheitskommandant der 1. Ausbildungskompanie des Landwehrstammregiments n1 den Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis vom 14. November 1989 schuldig gesprochen, er hätte am 9. Oktober 1989 als Wachkommandant des Munitionslagers S vergessen a) die beiden Mülltonnen der Militärwache vor dem Tor aufzustellen und b) seine Adjustierungserleichterung in den Wachrapport einzutragen. Dadurch hätte er gegen § 22 Abs. 11, § 23 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV) sowie gegen § 44 Abs. 3 WehrG verstoßen und eine Pflichtverletzung iSd § 2 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes 1985, BGBl. Nr. 294 (HDG), begangen. Von der Verhängung einer Strafe war im Grunde des § 6 Abs. 4 HDG abgesehen worden.

Der Regimentskommandant als Disziplinarvorgesetzter gab mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. Dezember 1989 der Berufung des von einem Soldaten verteidigten Beschwerdeführers, in der die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung bekämpft worden war, keine Folge und "bestätigte die verhängte Strafe". Zur Begründung war ausgeführt worden, zu dem Berufungsvorbringen sei festzustellen, daß die Wachvorschrift ausdrücklich anordne, daß die Mülltonnen vor die Gehtüre beim Tor 1 zu stellen seien. Außerdem sei unmißverständlich an der Wachvorschrift festzuhalten, daß Adjustierungserleichterungen im Wachrapport zu vermerken seien. Es lägen daher Pflichtverletzungen vor, die sich ausdrücklich gegen Bestimmungen der Wachvorschrift richteten und daher als Schuld im Sinne des Heeresdisziplinargesetzes zu werten seien. Bei der Bemessung des "Strafausmaßes" seien bereits die Schwere der Pflichtverletzung bzw. das bisherige tadellose Verhalten des Beschwerdeführers berücksichtigt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen in dem Recht verletzt, nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG einer Dienstpflichtverletzung für schuldig erkannt zu werden. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, was den ersten Anschuldigungspunkt betreffe, könne seines Erachtens schon an sich ein einmaliges Vergessen einer solchen Verrichtung nicht als schuldhaft gewertet werden. Jedenfalls sei aber eine solche Wertung dann unzulässig, wenn noch besondere Gründe hinzukommen, welche das Versäumnis ganz konkret als verständlich erscheinen ließen. Hinsichtlich des zweiten Anschuldigungspunktes sei er nach wie vor der Auffassung, daß seine Interpretation, daß nur generelle Anordnungen (für die gesamte Wache oder zumindest für andere Wachsoldaten als den Wachkommandanten selbst) in das Rapportbuch einzutragen seien. Selbst wenn er aber darin geirrt haben sollte, wäre es geradezu undenkbar, ihm deshalb eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung anzulasten.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 2 Abs. 4 HDG ist disziplinär nur strafbar, wer schuldhaft handelt. Niemand darf bestraft werden, wenn seine Schuld nicht erwiesen ist ("nulla poena sine culpa"; vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0023). Dies gilt auch für den Schuldspruch ohne Strafe.

Schuldhaft verletzt der Soldat seine Pflichten nur dann, wenn er ihnen entweder vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt. Zur Feststellung einer Dienstpflichtverletzung gehört der Nachweis, der Beamte habe mit Bewußtsein (Wissen), pflichtwidrig zu handeln oder unter Außerachtlassung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt gegen seine ihm auferlegten Pflichten verstoßen. Dazu kommt, daß die Feststellung der Schuldform (Grad des Verschuldens) vor allem für die Schwere der Dienstpflichtverletzung und damit für die Bemessung der Strafe (§ 6 Abs. 1 erster Satz HDG) entscheidend ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Instanzenzug die spruchmäßige Feststellung der Disziplinarbehörde erster Rechtsstufe, der Beschwerdeführer habe die ihm zur Last gelegten beiden Pflichtverletzungen durch "Vergessen" begangen, bestätigt. Feststellungen darüber, aus welchen Gründen dieses "Vergessen" vorwerfbar (subjektive Tatseite) und als Dienstpflichtverletzung zu qualifizieren ist (objektive Tatseite), fehlen vollends.

Abgesehen davon, daß das "Vergessen" über die Schuld des Beschwerdeführers nichts aussagt, gibt die belangte Behörde in der Begründung ihres angefochtenen Bescheides, mit dem sie "die verhängte Strafe bestätigte" zu erkennen, daß sie aus dem bloßen Zuwiderhandeln auf die Schuldhaftigkeit des Beschwerdeführers schließt.

Sie hat damit die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG der Aufhebung verfallen mußte, ohne daß auf das weitere, in Richtung auf eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerichtete Vorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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