VwGH 90/09/0001

VwGH90/09/00015.4.1990

N gegen Disziplinarkommission für Bundeslehrer beim Landesschulrat für Salzburg vom 14. November 1989, Zl. 4/2/DZK/BL/89, betreffend Disziplinarverfahren (Verhandlungsbeschluß)

Normen

AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §124 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs2;
BDG 1979 §124;
BDG 1979 §126 Abs2;
AVG §58 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
BDG 1979 §124 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs2;
BDG 1979 §124;
BDG 1979 §126 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Professor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Bundesrealgymnasium A.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die belangte Behörde am 14. November 1989 beschlossen, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 123 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) ein Disziplinarverfahren durchzuführen und gemäß § 124 Abs. 1 leg. cit. eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Der Spruch dieses Bescheides hat folgenden Wortlaut:

"N wird beschuldigt, er habe die von seinem Dienstvorgesetzten Direktor Hofrat Dr. S am 9.10.1989 schriftlich erteilte Weisung, seinen Dienstpflichten am Bundesrealgymnasium A und in der Expositur E nachzukommen, nicht befolgt, dadurch gegen die Bestimmung des § 44 BDG verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG begangen."

 

Zur Begründung wurde, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, der Schulleiter habe dem Beschwerdeführer am 9. Oktober 1989 die schriftliche Weisung erteilt, seinen Dienstverpflichtungen am Bundesrealgymnasium A und in der Expositur E des Bundesrealgymnasiums nachzukommen. Gegenstand der schriftlichen Weisung sei die Einhaltung der Schwimmassistenz, der Mittagsaufsicht und der Bereitschaftsstunden gewesen. Gleichzeitig sei dem Beschwerdeführer sein Stundenplan für die Stammanstalt und die Expositur E übergeben worden. Der Beschwerdeführer habe die schriftliche Weisung mit dem Vermerk "vidi", seiner Paraphe und dem Datumsvermerk abgezeichnet. Ebenfalls mit Schreiben vom 9. Oktober 1989 habe der Schulleiter dem Landesschulrat für A gemeldet, daß der Beschwerdeführer nicht bereit sei, seiner Weisung nachzukommen. Am 13. Oktober 1989 habe der Expositurleiter mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer am 11. Oktober 1989 zur Schwimmassistenz im Hallenbad eingeteilt gewesen aber hiezu ebenso wie in den vorhergehenden Tagen nicht erschienen sei. Die Lehrer Prof. Mag. T und Mag. K hätten festgestellt, daß der Beschwerdeführer am 11. Oktober 1989 gegen 15.00 Uhr im Hallenbad erschienen sei, um die Schwimmassistenz des Bundesrealgymnasiums A zu halten. Hiebei habe er Prof. Mag. T gegenüber erklärt, daß er nicht bereit sei, die Schwimmassistenz für die Klassen der Expositur E zu halten. Da keiner der in § 44 Abs. 1 normierten Ablehnungsgründe vorgelegen sei, habe der Beschwerdeführer durch die Weigerung, die ihm schriftlich erteilte Weisung zu befolgen, eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen, für welche er sich nach § 91 leg. cit. zu verantworten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Disziplinarakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf, daß gegen ihn ein Verhandlungsbeschluß ohne Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 124 Abs. 1 und 2 BDG 1979 erlassen wurde, durch unrichtige Anwendung dieser Normen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung und die Bescheidbegründung verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, gemäß § 124 Abs. 2 BDG 1979 seien im Verhandlungsbeschluß die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gemäß § 105 BDG 1979 sei auf das vorliegende Verfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz subsidiär anzuwenden. In § 59 AVG 1950 werde der notwendige Inhalt eines Bescheidspruches präzisiert. Der Spruch des angefochtenen Bescheides werde dem in den den beiden genannten Normen verankerten Bestimmtheitserfordernis nicht gerecht. Es werde darin einerseits nicht ausgesprochen, durch welches Verhalten (bzw. durch welche Unterlassung) der Beschwerdeführer seinen "Dienstpflichten am Bundesrealgymnasium A und in der Expositur E" nicht nachgekommen sei. Anderseits fehle auch ein Hinweis auf den Zeitpunkt, zu dem er die Weisung vom 9. Oktober 1989 angeblich nicht befolgt habe. Da dem Spruch auch nicht zu entnehmen sei, auf welchen Zeitraum sich die genannte Weisung bezogen habe, sei auch nicht durch Rückschluß zu ermitteln, wann sich der Beschwerdeführer angeblich eines Verstoßes gegen § 44 BDG 1979 schuldig gemacht haben sollte. Es fehle sowohl an einer konkreten Tatumschreibung als auch an der Angabe der Tatzeit. Es sei damit nicht gewährleistet, daß nicht wegen desselben Verhaltens des Beschwerdeführers ein zweiter gleichartiger Bescheid ergehe. Es fehle an der erforderlichen Individualisierbarkeit. Im übrigen stehe der Spruch des Bescheides in Widerspruch zu der Begründung. Im Spruch werde dem Beschwerdeführer unter anderem vorgeworfen, er habe die Weisung nicht befolgt, seinen Dienstpflichten am Bundesrealgymnasium A nachzukommen. Der Begründung lasse sich aber nicht entnehmen, daß der Beschwerdeführer seine Dienstpflichten am Bundesrealgymnasium A in irgendeiner Weise verletzt hätte. Es fehle daher an der Grundlage für den Vorwurf, er hätte die entsprechende Weisung nicht befolgt. Die Begründung stehe aber nicht nur in Widerspruch zu dem Spruch, sondern halte auch sonst einer näheren Überprüfung nicht stand. Die belangte Behörde hätte nämlich pflichtgemäß Erhebungen darüber durchführen müssen, ob die dem Beschwerdeführer erteilte Weisung, Schwimmassistenz, Mittagsaufsicht und Bereitschaftsstunden zu halten, überhaupt zulässig gewesen sei. Eine dem Gesetz entsprechende, umfassende Sachverhaltsermittlung hätte ergeben, daß die Weisung rechtswidrig gewesen sei und daß für den Beschwerdeführer keine Veranlassung bestanden habe, sie zu befolgen.

Die Beschwerde ist begründet.

Hinsichtlich des Verhandlungsbeschlusses bestimmt § 124 BDG

1979:

"(1) Ist nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat die Disziplinarkommission die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluß) und zu dieser die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden. Die mündliche Verhandlung ist so anzuberaumen, daß zwischen ihr und der Zustellung des Beschlusses ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegt.

(2) Im Verhandlungsbeschluß sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen den Verhandlungsbeschluß ist kein Rechtsmittel zulässig."

 

Für den Verhandlungsbeschluß nach § 124 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 insofern zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Nach § 59 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 hat der Spruch u.a. die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

In der Begründung wird unter Beachtung des § 124 Abs. 1 BDG 1979 insbesondere darzulegen sein, welche Beweise und Erhebungen dazu geführt haben, daß der Sachverhalt ausreichend geklärt erscheint. Im Spruch des Verhandlungsbeschlusses sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Daraus folgt, daß im Anschuldigungspunkt der vom Beschuldigten angeblich gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumtion unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Aus dem Begriff der Anschuldigung folgt weiters, daß anzugeben ist, welche Dienstpflichten der beschuldigte Beschwerdeführer im einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird (vgl. das Erkenntnis vom 27. April 1989, Zl. 88/09/0004).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. April 1986, Zl. 85/09/0173, dargelegt hat, können Gegenstand und Grundlage eines Disziplinarerkenntnisses, welches gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten hat, nur die Anschuldigungspunkte sein, die im Verhandlungsbeschluß dem Beamten als Dienstpflichtverletzung zur Last gelegt wurden.

Angesichts dieser Bedeutung des Verhandlungsbeschlusses für den Gegenstand und die Entscheidungsgrundlagen des Disziplinarerkenntnisses kommt der "BESTIMMTEN" Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung erblickt wird, rechtserhebliche Bedeutung zu: Der vorgeworfene Sachverhalt muß der Eigenart der Dienstpflichtverletzung entsprechend substantiiert dargestellt sein, also schlüssig all die Einzelumstände darstellen, die Voraussetzung für den Tatbestand der Dienstpflichtverletzung und für die Strafbemessung sind. Danach gehört zum notwendigen Inhalt eines Verhandlungsbeschlusses die spruchmäßige Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung gesehen wird. So muß er eine so hinreichende Substantiierung enthalten, daß dem Beamten eine sachgerechte Verteidigung möglich und die - an den Inhalt und Umfang der Anschuldigung gebundene - Disziplinarkommission in der Lage ist, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen, ohne genötigt zu sein, aus einem allgemeinen Sachverhalt das herauszufiltern, was als konkrete Verletzung der Dienstpflichten in Betracht kommt.

Diesen Voraussetzungen entspricht die im oben wiedergegebenen Spruch erhobene "Anschuldigung" deshalb nicht, weil aus der "Nichtbefolgung einer schriftlich erteilten Weisung, seinen Dienstpflichten nachzukommen", wozu der Beschwerdeführer gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 aus eigenem verpflichtet ist und gemäß § 45 Abs. 1 leg. cit. von seinem Vorgesetzten dazu verhalten werden kann, weder der vorgeworfene Sachverhalt noch der daraus abgeleitete disziplinäre Vorwurf konkret und vollständig erkennbar sind. Es fehlt im Spruch jeder Hinweis, zur Erfüllung welcher konkreten Dienstpflichten der Beschwerdeführer mittels Weisung verhalten worden sein soll.

Da der vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfte Verhandlungsbeschluß mangels hinlänglicher Substantiierung den vom Gesetz verlangten Anforderungen nicht genügte, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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