Spruch:
Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem hg. Beschluß vom 3. Juli 1990, Zl. 90/08/0080, wurde das Verfahren über die von der Wiedereinsetzungswerberin erhobene Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Juli 1989 betreffend Begünstigung gemäß §§ 500 ff ASVG gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil die Beschwerdeführerin der am 8. Mai 1990 an sie ergangenen Aufforderung, die Mängel der gegen den vorbezeichneten Verwaltungsakt eingebrachten Beschwerde zu beheben, dadurch nicht fristgerecht nachgekommen war, daß sie dem Gerichtshof das Original der ursprünglich eingebrachten Beschwerde entgegen der im Verbesserungsauftrag erteilten Belehrung nicht wieder vorgelegt hatte.
Im nunmehr vorliegenden und - gemessen am Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses, mit welchem die Einstellung des Verfahrens verfügt wurde - rechtzeitigen Wiedereinsetzungsantrag wird zusammengefaßt vorgebracht, daß der Verbesserungsauftrag in Abwesenheit des Beschwerdevertreters in dessen Kanzlei eingelangt und von einer in seiner Kanzlei beschäftigten Substitutin der langjährigen und versierten Kanzleileiterin des Beschwerdevertreters zur Bearbeitung übergeben worden sei, zu deren Agenden seit Jahren die selbständige Bearbeitung von Verbesserungsaufträgen bis zur Unterschriftsreife zähle.
Diese Substitutin habe das Schreiben vom 18. Juni 1990 verfaßt und dem (nunmehr wieder aus dem Urlaub zurückgekehrten) Beschwerdevertreter samt Beilagen zur Unterschrift vorgelegt. Dieser habe das Schreiben in Unkenntnis des Verbesserungsauftrages in der Annahme unterfertigt, "daß formlos weitere Kopien und Unterlagen" benötigt würden. Er habe auch bei größter Aufmerksamkeit nicht wissen können, daß es sich bei dem ihm in der Unterschriftsmappe vorgelegten Schreiben um die Erledigung der vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen Verbesserung gehandelt habe, zumal diese während seines Urlaubs in der Kanzlei eingelangt und andererseits im Text des (ihm zur Unterschrift vorgelegten) Schreibens in keiner Weise auf eine Verbesserung eingegangen worden sei. Der Beschwerdevertreter habe daher nur überprüft, ob die im Brief aufgezählten Unterlagen diesem auch tatsächlich beigelegen seien.
Das an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete und im Betreff auf die Beschwerdesache samt Geschäftszahl bezugnehmende Schreiben des Beschwerdevertreters vom 18. Juni 1990 lautet wörtlich:
"Sehr geehrte Damen und Herren!
In obiger Angelegenheit erlaube ich mir Ihnen gemäß Verfügung vom 8.5.1990, zugestellt am 15. Juni 1990, vier Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides sowie drei weitere Ausfertigungen der Beschwerde samt Beilagen vorzulegen.
Hochachtungsvoll
(unleserliche Unterschrift)
Beilagen erw."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1
lit. e VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Ein Verschulden des Parteienvertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 656/657 zitierten hg. Beschlüsse).
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. die bei Pichler, Anw 1990, 180, verwiesene Judikatur) trifft den Rechtanwalt dann jedenfalls ein Verschulden, wenn er die ihm obliegenden und nach der Sachlage erforderlichen Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht wahrnimmt. Einer Überwachung und Kontrolle durch den die Partei vertretenden Rechtsanwalt selbst oder (zumindest) durch einen mit der Sachlage vertrauten rechtskundigen und verläßlichen Substituten bedarf jedenfalls die Erledigung fristgebundener Maßnahmen, wenn die Fristversäumung den Verlust eines Rechtes der Partei zur Folge haben kann. Dies trifft auf Verbesserungsaufträge des Berichters im Sinne des § 34 Abs. 2 erster Satz VwGG zufolge der im letzten Halbsatz der genannten Gesetzesbestimmung angeordneten Rechtsfolge zu (vgl. dazu auch die hg. Beschlüsse vom 24. April 1979, Zl. 777/79, und vom 18. September 1979, Zl. 2318/79). Dabei reicht es aus, wenn die (erstmalige) Kontrolle der Erledigung eines Verbesserungsauftrages auf Vollständigkeit und Richtigkeit bei der Unterfertigung durch den Rechtsanwalt (oder seinen Substituten) erfolgt und die Vorbereitung bis zur Unterschriftsreife einer nicht rechtskundigen, verläßlichen Kanzleikraft überlassen wird.
Nun wird im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet, daß eine (frühere) Kontrolle der gegenständlichen Erledigung im aufgezeigten Sinne vorgenommen worden wäre und (bejahendenfalls) durch welche Umstände die Fehlerhaftigkeit der Erledigung dabei nicht zutage getreten wäre; die Behauptung geht vielmehr dahin, daß der Beschwerdevertreter im Zeitpunkt der Zustellung des Verbesserungsauftrages urlaubsbedingt abwesend gewesen sei und auch bei Unterfertigung nicht hätte erkennen können, daß sich die ihm zur Unterschrift vorgelegte Erledigung auf eine (fristgebundene) Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 34 Abs. 2 VwGG bezogen hätte.
Letzteres trifft allerdings nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes schon deshalb nicht zu, weil dieses Schreiben vom 18. Juni 1990 (entgegen dem anderslautenden Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag) auf die "Verfügung vom 8.5.1990, zugestellt am 15.6.1990" deutlich Bezug nimmt und dem Beschwerdevertreter damit auch erkennbar sein mußte, daß eine schriftliche Verfügung zugestellt worden war, und nicht etwa bloß ein formloses - etwa telefonisches - Ersuchen der Gerichtskanzlei vorlag. Wenn der Beschwerdevertreter - wie er vorbringt - die Vollzähligkeit der im Text erwähnten Beilagen überprüft und auch erkannt hatte (wie er nicht bestreitet), daß die Beilagen für den Verwaltungsgerichtshof bestimmt waren, dann mußte er jedenfalls auch die ausdrückliche Bezugnahme auf die zitierte Berichterverfügung wahrgenommen haben. Es wird nämlich im Wiedereinsetzungsantrag weder behauptet, daß der Beschwerdevertreter das Schreiben nicht gelesen hat (dies stünde einerseits mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Widerspruch, andererseits würde es - unter dem Gesichtspunkt der dargelegten Überwachungspflicht des Beschwerdevertreters - ein Verschulden begründen, welches den Grad minderen Versehens jedenfalls übersteigt) noch wird ein sonstiges unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis behauptet, welches den Beschwerdevertreter am Lesen des ihm vorgelegten Schreibens und der Kontrolle der Vollständigkeit der Erledigung anhand des erteilten Verbesserungsauftrages gehindert hätte. Es kann daher auf sich beruhen, ob und mit welchem Verschuldensgrad der Kanzleikraft das ihr unterlaufene Versehen vorzuwerfen ist, weil deren Versehen für die Unvollständigkeit der Erledigung nach dem im Wiedereinsetzungsantrag dargelegten Sachverhalt letztlich nicht allein maßgebend war. Aus dem Wortlaut des Begleitschreibens war für den Beschwerdevertreter jedenfalls erkennbar, um welche Angelegenheit es sich handelte; dies hätte - bei Anwendung der nach den Umständen zu erwartenden Sorgfalt - eine (erstmalige) Überprüfung der Vollständigkeit der Erledigung anhand der Berichterverfügung auslösen müssen. Selbst wenn der Beschwerdevertreter durch urlaubsbedingte Abwesenheit (zunächst) an der Kenntnisnahme des verwaltungsgerichtlichen Verbesserungsauftrages gehindert war, so hörte dieses Hindernis spätestens in jenem Zeitpunkt auf, zu dem ihm das Schreiben vom 18. Juni 1990, welches diese Verfügung ausdrücklich erwähnt, zur Unterschrift vorgelegt wurde.
Da somit der Beschwerdevertreter - entgegen seinem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag - durch kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Wahrnehmung der Berichterverfügung vom 8. Mai 1990 (und damit an der wirksamen Kontrolle des ihm vorgelegten Schriftstückes) gehindert war, liegt schon deshalb der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG nicht vor.
Der von der Beschwerdeführerin gestellte Wiedereinsetzungsantrag mußte daher abgewiesen werden, ohne daß es eines Eingehens auf das übrige Vorbringen bedurft hätte, welches die in der Kanzlei des Beschwerdevertreters für den Fall des Einlangens fristgebundener Schriftstücke getroffenen Vorkehrungen und die damit verbundenen Kontrollen betrifft.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)