VwGH 90/07/0049

VwGH90/07/00492.10.1990

FL gegen Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 1. Februar 1990, Zl. LAS-514/14-85, betreffend Ausübung des agrarbehördlichen Aufsichtsrechtes über eine Agrargemeinschaft (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft Michelbacher)

Normen

FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs1 idF 1984/018;
Satzung AgrG Michelbacher Alpe §2;
FlVfGG §15;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs1 idF 1984/018;
Satzung AgrG Michelbacher Alpe §2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Der Ausschuß der am verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Partei (mP) hatte am 29. Jänner 1989 stimmenmehrheitlich beschlossen, den das Eigenjagdgebiet der mP betreffenden Pachtvertrag mit dem bisherigen Jagdpächter H zu den gleichen Bedingungen wie bisher mit einem jährlichen Pachtschilling von S 60.000,-- (wertgesichert) zu verlängern.

2. Über den gegen diesen Beschluß erhobenen Einspruch zweier Mitglieder der mP, darunter des nunmehrigen Beschwerdeführers, vom 10. Februar 1989 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) mit Bescheid vom 12. Mai 1989 gemäß § 37 Abs. 1, 2 und 6 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 (TFLG 1978) idF LGBl. Nr. 18/1984 dahingehend, daß der Beschluß des Ausschusses der mP vom 29. Jänner 1989 aufgehoben werde.

3. Über die gegen diesen Bescheid der AB eingebrachte Berufung der mP erkannte der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (die belangte Behörde) gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 37 Abs. 1 TFLG 1978 idF BGBl. Nr. 18/1984 wie folgt:

"Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Einsprüche des FL und des AS gegen den Ausschußbeschluß der Agrargemeinschaft M vom 29.1.1989, betreffend Jagdverpachtung, als unbegründet abgewiesen."

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 1 TFLG 1978 idF LGBl. Nr. 18/1984 zur Begründung ihres Bescheides im wesentlichen folgendes aus: Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß Agrargemeinschaften Selbstverwaltungskörper darstellten, die ihr Vermögen nach eigenem Gutdünken zu verwalten hätten. Die Agrarbehörde als Aufsichtsbehörde könne nur dann eingreifen, wenn der Grundsatz der zweckmäßigen Bewirtschaftung agrargemeinschaftlicher Grundstücke gröblich verletzt würde oder wenn die Beschlüsse gegen Gesetze verstießen. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Mitglieder des Ausschusses der mP seien persönlich zur Ausschußsitzung am 29. Jänner 1989 geladen worden. Dabei sei ihnen bekannt gewesen, daß es um die Verpachtung der Eigenjagd der mP gehe. Bei dieser Sitzung sei, wie aus dem Protokoll ersichtlich, der "letzte" Pachtvertrag den Mitgliedern des Ausschusses noch einmal zur Kenntnis gebracht worden. In diesem Pachtvertrag sei eine zehnjährige Pachtdauer vorgesehen gewesen. Angesichts des Beschlusses, den bisherigen Pachtvertrag zu den gleichen Bedingungen zu verlängern, sei klar, daß damit auch die neuerliche Pachtdauer mit zehn Jahren fixiert worden sei. Es entspreche daher nicht den Tatsachen, daß - wie die Erstinstanz meint - die Dauer der Verlängerung des Pachtverhältnisses nicht festgesetzt worden sei. Zu prüfen sei noch gewesen, ob der gegenständliche Pachtvertrag allenfalls mit Rücksicht auf einen zu niedrigen Pachtschilling dem Grundsatz der zweckmäßigen Bewirtschaftung agrargemeinschaftlicher Grundstücke zuwiderlaufe. Die belangte Behörde habe zu diesem Zweck bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz ergänzende Ermittlungen gepflogen und sei aufgrund dieser Erhebungen der Ansicht, daß der jährliche Pachtschilling in einer Höhe von S 60.000,-- als angemessen anzusehen sei. Mit Stand vom 1. April 1988 betrage der Durchschnittshektarpreis aller Eigenjagden des Bezirkes Lienz - dies wird anhand von Beispielen dargetan - S 56,--. Es könne demnach keine Rede davon sein, daß die agrargemeinschaftlichen Grundstücke nicht zweckentsprechend verwaltet würden. Wenn von den Einspruchswerbern behauptet werde, daß noch andere Interessenten für die Jagdpacht vorhanden gewesen seien, so müsse darauf hingewiesen werden, daß sich weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung eine Verpflichtung zur Einholung weiterer Anbote ableiten lasse. Vielmehr wäre es Aufgabe der Ausschußmitglieder gewesen, zur Ausschußsitzung bereits entsprechende Anbote beizubringen. Zusammenfassend bestehe somit für die belangte Behörde keine Veranlassung, den Ausschußbeschluß vom 29. Jänner 1989 in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufzuheben.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, wobei sich der Beschwerdeführer in seinen aus "§ 10 AVG, § 35 Abs. 8 und § 37 Abs. 1 und 2 TFLG" erfließenden Rechten verletzt erachtet. Begehrt wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen "Verletzung materiell- und formellrechtlicher Bestimmungen".

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird. Auch die mP hat eine Gegenschrift, verbunden mit dem Begehren, der Beschwerde nicht stattzugeben, eingebracht.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde behauptet zunächst - unter Hinweis auf § 35 Abs. 8 TFLG und § 10 AVG 1950 -, es liege seitens der mP keine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Bevollmächtigung eines Vertreters zur Einbringung einer Berufung gegen den Bescheid der AB vor.

1.2. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Laut dem im Akt der AB erliegenden Protokoll über die Sitzung des Ausschusses der mP vom 28. Mai 1989 hat dieser damals den Beschluß gefaßt (8 Stimmen: ja, 2 Stimmen: nein, 1 Stimmenthaltung), gegen den Bescheid "der Tiroler Landesregierung", mit dem der Ausschußbeschluß vom 29. Jänner 1989 aufgehoben worden war, "Einspruch" zu erheben. Mit Eingabe vom 30. Mai 1989 (beinhaltend die Berufung gegen den genannten Bescheid der AB) teilte der nunmehrige Rechtsvertreter der mP in deren Namen der AB unter gleichzeitiger Vorlage einer mit 28. Mai 1989 datierten und mit den Unterschriften von acht Mitgliedern des Ausschusses der mP, darunter des Obmannes, versehenen Vollmachtsurkunde mit, die Agrargemeinschaft habe das Vollmachtsverhältnis mit ihrem bisherigen Vertreter aufgelöst und Rechtsanwalt Dr. RK Vollmacht erteilt.

2.1. Gemäß § 37 Abs. 1 TFLG idF LGBl. Nr. 18/1984 unterliegen die Agrargemeinschaften der Aufsicht durch die Agrarbehörde. Die Aufsicht erstreckt sich auf (lit. a) die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes und der Satzungen, (lit. b) die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaften.

Zufolge des § 37 Abs. 2 TFLG 1978 hat über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges zu entscheiden.

§ 37 Abs. 6 leg. cit. normiert, daß Beschlüsse, die Gesetze verletzen, von der Agrarbehörde aufzuheben sind.

Nach § 2 der mit Bescheid der AB vom 3. Juni 1986 erlassenen Satzung der mP hat die Agrargemeinschaft den Zweck, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherzustellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen zu betreiben.

2.2. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, in Entsprechung des § 2 der Satzung wäre es Aufgabe des Obmannes der mP gewesen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß anderen vorhandenen Interessenten aus den Reihen der Mitglieder der mP die Möglichkeit eingeräumt werde, ihrerseits ebenfalls Pachtanbote zur Entscheidung zu unterbreiten. Da nur EIN Anbot zur Beratung und Beschlußfassung vorgelegen sei, hätte der Obmann die Beschlußfassung im Ausschuß zumindest so lange aufschieben müssen, bis Konkurrenzanbote vorgelegen wären; dies umso mehr, als dem Ausschuß zu Beginn der Sitzung bedeutet worden sei, daß sich noch andere Mitglieder der mP für die gegenständliche Jagdpachtung interessierten. Insofern Konkurrenzanbote finanziell gesichert erschienen wären und "anderweitige nachteilige Kriterien von Anbotstellern nicht vorgelegen hätten", hätte der Ausschuß aufgrund des § 2 der Satzung das Bestanbot heranziehen bzw. dem Bestbieter die Jagd verpachten müssen.

2.3. Zu prüfen ist, ob die belangte Behörde dadurch, daß sie eine Verletzung von Gesetzen wie auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaften durch den mehrfach genannten Ausschußbeschluß vom 29. Jänner 1989 verneinte - damit erachtete sie implizit auch einen Verstoß gegen § 2 der Satzung als nicht gegeben, da die dort genannte "bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder" sich mit der "Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung" i. S. des § 37 Abs. 1 lit. b TFLG 1978 idF LGBl. Nr. 18/1984 im wesentlichen deckt -, den Beschwerdeführer in seinen Rechten beeinträchtigte.

Das einzige Beschwerdevorbringen, das in Richtung der Behauptung eines Gesetzesverstoßes gedeutet werden könnte (und zwar vor dem Hintergrund der Argumentation der AB in ihrem den Beschluß aufhebenden Bescheid vom 12. Mai 1989), geht dahin, daß die Verlängerung des Pachtvertrages "zu den gleichen Bedingungen" (wie der erste Pachtvertrag) lediglich einen Zeitraum von neun Jahren, und nicht wie von der belangten Behörde ausgeführt von zehn Jahren, zum Inhalt hätte haben können, da der erste Pachtvertrag der seinerzeitigen Gesetzeslage entsprechend für die Mindestdauer von neun Jahren abgeschlossen worden sei. Nun mag dieses Vorbringen zwar zutreffen (vgl. die Kopie des von der mP mit ihrer Gegenschrift vorgelegten Jagdpachtvertrages vom 21. April 1980); nicht aufzuzeigen vermag die Beschwerde damit allerdings eine Gesetzwidrigkeit in Ansehung des geltenden Tiroler Jagdgesetzes 1983, LGBl. Nr. 60. Denn gemäß § 18 Abs. 2 dieses Gesetzes beträgt die Pachtdauer mindestens zehn Jahre, wogegen die Verlängerung eines Pachtvertrages auch auf kürzere Zeit erfolgen kann. Da der Ausschußbeschluß unbestrittenermaßen eine Verlängerung des 1980 mit H abgeschlossenen Jagdpachtvertrages zum Gegenstand hatte, war es nicht (jagd)gesetzwidrig, jene mit neun Jahren zu begrenzen.

Was den Tatbestand der "Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung" i. S. des § 37 Abs. 1 lit. b TFLG 1978 idF LGBl. Nr. 18/1984 anlangt, so hat die belangte Behörde als Ergebnis eines von ihr ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens, belegt durch Beispiele, im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß der durchschnittliche Hektarsatz für die Verpachtung aller Eigenjagden des Bezirkes Lienz (mit Stand 1. April 1988)

S 56,-- betrage, was unter Zugrundelegung des Pachtschillings von S 60.000,-- genau dem Hektarsatz für die Verpachtung der Eigenjagd der mP entspreche. Der daraus im bekämpften Bescheid gezogene rechtliche Schluß, daß die Verlängerung des Jagdpachtvertrages dem Kriterium der "Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung" entspreche, begegnet keinen Bedenken. Damit erweisen sich aber auch alle in der Beschwerde unter Hinweis auf § 2 der Satzung gegen den Ausschußbeschluß vom 29. Jänner 1989 ins Treffen geführten rechtlichen Einwände als nicht zielführend, besagt doch - wie bereits erwähnt - die dort verankerte Verpflichtung der Organe der mP, die "bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder" sicherzustellen, im Kern nichts anderes, als daß die Organe für die "Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung" zu sorgen haben. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers war die mP nicht verpflichtet, vor der freihändigen Verpachtung der Jagd an den bisherigen Pächter H.L. weitere Anbote abzuwarten, zumal andere Mitglieder der Agrargemeinschaft trotz bestehender Gelegenheit keine Pachtinteressenten namhaft gemacht hatten.

3. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, daß dem angefochtenen Bescheid, mit dem im Instanzenzug der Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Ausschußbeschluß vom 29. Jänner 1989 als unbegründet abgewiesen, mithin dem Begehren des Beschwerdeführers, diesen Beschluß in Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß § 37 TFLG 1978 idF LGBl. Nr. 18/1984 aufzuheben, nicht entsprochen worden ist, die in der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet. Diese war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mP beruht darauf, daß diese als Körperschaft des öffentlichen Rechtes (s. § 34 Abs. 3 TFLG 1978) gemäß § 2 Z. 3 Gebührengesetz 1957 von der Entrichtung von Gebühren befreit ist.

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