Normen
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs4 idF 8200-5;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §2 Z5;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg impl;
BauRallg;
Richtlinien für geordnete Mülldeponien BMLF 1977;
ROG NÖ 1976 §19;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs4 idF 8200-5;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §2 Z5;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg impl;
BauRallg;
Richtlinien für geordnete Mülldeponien BMLF 1977;
ROG NÖ 1976 §19;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. September 1987 wurde der Erstmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Deponie für Gießereialtsande und Schlacken auf den Grundstücken Nr. 1391/2 und 1408/2 des Grundbuches über die Kat. Gem. X erteilt, wobei in der Begründung dieses Bescheides festgestellt worden ist, daß die Einwendungen der Beschwerdeführer, soweit sie von der Baubehörde wahrzunehmen sind, durch die Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen berücksichtigt worden seien.
Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. August 1988 keine Folge gegeben.
Mit Bescheid der NÖ. Landesregierung vom 10. Februar 1989 wurde die gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und die der Zweitbeschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen.
Diese Zurückweisung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Zweitbeschwerdeführerin nicht Eigentümerin jenes Grundstückes, "auf dem sich die Firma befindet", sei, sondern die Erstbeschwerdeführerin. Der Zweitbeschwerdeführerin komme daher als Anrainer gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ. Bauordnung 1976 im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung zu, weshalb ihre Vorstellung als unzulässig habe zurückgewiesen werden müssen.
Zum Rechtsmittel der Erstbeschwerdeführerin führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides nach einer Wiedergabe des Wortlautes des § 100 Abs. 4 sowie des § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ. Bauordnung 1976 aus, daß der Nachbar zwar nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungs- und Nutzungsarten von Flächenwidmungsplänen besitze, ihm aber dann, wenn die bestimmte Widmungs- und Nutzungsart einen Immissionsschutz gewährleiste, ein solches Recht zukomme. Für die Grundstücke der Bauwerberin sei im örtlichen Raumordnungsprogramm die Widmungs- und Nutzungsart Grünland - Müllablagerungsplatz gemäß § 19 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 festgelegt, und nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründe die Widmung "Grünland" im Sinne des § 19 leg. cit. kein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht, da diese Vorschrift keine Merkmale enthalte, durch die das räumliche Naheverhältnis (§ 118 Abs. 9 der NÖ. Bauordnung 1976) berührt werde. Daher stehe der erteilten Baubewilligung die Einschränkung durch eine die Nachbarschaft vor Immissionen schützende bestimmte Nutzungsart nicht entgegen. Die Baubehörden hätten daher kein umweltschutztechnisches und sanitätspolizeiliches Gutachten einholen müssen. Dazu komme noch, daß es sich bei einem Lagerplatz nicht um eine "Baulichkeit" handle, auf welche die Sondervorschrift des § 62 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 angewendet werden könnte. Dem von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachten Einwand der Verletzung von Verfahrensvorschriften sei entgegenzuhalten, daß diese nur dann rechtlich erheblich wäre, wenn dadurch eine Verletzung eines ihr zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechtes gegeben sei, was aber hier nicht vorliege. Auf Grund dieser Erwägungen habe die Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen werden müssen.
Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1990, Zl. B 413/89-22, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - gemäß § 34 Abs. 2 VwGG ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die erstmitbeteiligte Partei erwogen:
Gemäß § 118 Abs. 8 erster Satz der NÖ. Bauordnung 1976 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Zufolge § 118 Abs. 9 des Gesetzes werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
- 1) den Brandschutz;
- 2) den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
- 3) die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
- 4) die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Zunächst ist festzuhalten, daß die eben wiedergegebene Bestimmung des § 118 Abs. 8 erster Satz leg. cit. nach ihrem eindeutigen Wortlaut hinsichtlich der Frage der Parteistellung des Anrainers auf den Grundstückseigentümer abstellt, also weder auf allfälliges künftiges Grundeigentum noch auf das bloße Eigentum am Haus selbst Bedacht nimmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 85/05/0049, BauSlg. Nr. 421). Da der Zweitbeschwerdeführerin an den Nachbargrundstücken unbestritten kein Eigentumsrecht zusteht, ist ihre Vorstellung gegen den Berufungsbescheid der mitbeteiligten Gemeinde von der belangten Aufsichtsbehörde zu Recht mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen worden.
Im übrigen ergibt sich aus den erwähnten Bestimmungen deutlich, daß einem Nachbarn (Anrainer) im Baubewilligungsverfahren nach der NÖ. Bauordnung nur eine beschränkte Parteistellung zukommt. Das bedeutet zunächst, daß der Erstbeschwerdeführerin nicht schlechthin ein Rechtsanspruch auf Einhaltung der von den Baubehörden wahrzunehmenden Vorschriften zukommt, vielmehr die belangte Behörde als Gemeindeaufsichtsbehörde auf Grund der Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin nur unter der Voraussetzung zu einer Aufhebung des angefochtenen Baubewilligungsbescheides berechtigt war, daß die Erstbeschwerdeführerin die Verletzung eines ihr zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne der Vorschriften des § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ. Bauordnung 1976 hätte dartun können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/05/0130, BauSlg. Nr. 1227).
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Hinweis auf das eben zitierte hg. Erkenntnis, wie schon erwähnt, zutreffend festgestellt, daß die Widmung "Grünland" im Sinne des § 19 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 kein subjektiv-öffentliches Anrainerrecht begründet, da diese Vorschrift keine Merkmale enthält, durch die das räumliche Naheverhältnis im Sinne des § 118 Abs. 9 der NÖ. Bauordnung 1976 berührt wird. Die Erstbeschwerdeführerin kann daher aus dieser Bestimmung kein subjektiv-öffentliches Recht auf einen Schutz vor Immissionen ableiten, welche von der im Gegenstande geplanten Deponie, die in einem Gebiet mit der Flächenwidmung "Grünland - Müllablagerungsplatz" errichtet werden soll, ausgehen könnten. Gleiches gilt auch für die von der Erstbeschwerdeführerin ins Treffen geführte Regelung des § 62 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976, da diese zwar nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer dient (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1983, Zl. 83/05/0127, BauSlg. Nr. 150), doch kann sich die Erstbeschwerdeführerin im vorliegenden Fall nicht zu Recht auf diese Norm berufen, weil es sich, wie ebenfalls schon die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit Recht hervorgehoben hat, bei einem Lagerplatz nicht um eine "Baulichkeit" im Sinne dieser Bestimmung handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Slg. N. F. Nr. 11.418/A). Die Erstbeschwerdeführerin hat zwar darauf hingewiesen, daß die geplante Deponie auch "zahlreiche Sondereinrichtungen, wie Drainagen, Kanalisation, ein betoniertes Rückhaltebecken und die Installation einer Beregnungsanlage benötigt", weshalb nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß im Zuge dieses Bauvorhabens auch "sonstige bauliche Anlagen" im Sinne der Legaldefinition des Begriffes "Baulichkeit" im § 2 Z. 5 der NÖ. Bauordnung 1976 errichtet werden, doch bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme und wurde von der Erstbeschwerdeführerin auch gar nicht behauptet, daß diese Teile des Vorhabens für sie unter dem Gesichtspunkt des hier von der Baubehörde wahrzunehmenden Immissionsschutzes von Bedeutung sein könnten.
Zum Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, mangels allgemeiner baurechtlicher Abstandsbestimmungen zum Schutz vor Immissionen sei auf bestehende Richtlinien, insbesondere die vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft herausgegebenen Richtlinien für geordnete Mülldeponien im Interesse des Gewässerschutzes aus dem Jahre 1977, Rücksicht zu nehmen, ist zu bemerken, daß es sich bei diesen Richtlinien nicht um eine im baubehördlichen Bewilligungsverfahren anzuwendende generelle Norm handelt, weshalb die Erstbeschwerdeführerin schon aus diesem Grund keinen Rechtsanspruch auf Einhaltung dieser Regelungen in dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bauverfahren haben kann (vgl. dazu auch § 100 Abs. 4 der NÖ. Bauordnung 1976 in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl. 8200-6).
Wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt zu sein, daß in Wohngebieten "keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung erwachsen" (vgl. dazu die Umschreibung der Widmungskategorie "Wohngebiete" im § 16 Abs. 1 Z. 1 NÖ. ROG 1976 in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1987, Zlen. G 134, 143/87-8), so muß ihr entgegnet werden, daß im baubehördlichen Bewilligungsverfahren für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens in einer bestimmten Widmungskategorie ausschließlich die Widmung des zu verbauenden Grundstückes und nicht die benachbarter Grundflächen entscheidend ist (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1988, Zl. 86/05/0135, BauSlg. Nr. 1199). Im übrigen hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hingewiesen, daß das Grundstück der Erstbeschwerdeführerin Nr. 1415 des Grundbuches über die Kat. Gem. X im Flächenwidmungsplan gar nicht als Bauland - Wohngebiet gewidmet ist.
Angesichts der geschilderten materiellen Rechtslage braucht auf die von der Erstbeschwerdeführerin geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht eingegangen zu werden, weil die prozessualen Rechte einer Partei nur der Durchsetzung ihrer materiellen Rechte dienen und daher nicht weiter gehen können als diese (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1988, Zl. 88/05/0089, BauSlg. Nr. 1132).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Damit erübrigte sich eine gesonderte Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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