VwGH 90/01/0024

VwGH90/01/002420.6.1990

N gegen Bundesminister für Inneres vom 8. Mai 1989, Zl. 237.132/6-II/9/88, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. Juni 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und stellte fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.

In der Bescheidbegründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, sei am 20. Februar 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 23. desselben Monats Asyl beantragt. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 1. März 1988 habe er angegeben, 1980 in Mosul die Mittelschule abgeschlossen zu haben. Schon im Jahr 1978 hätte die irakische Regierung die Kurden in den Grenzgebieten umgesiedelt. Zu dieser Zeit hätte der Beschwerdeführer mit anderen Personen ein illegales Komitee zur Unterstützung der Umgesiedelten gegründet. Am 20. September 1981 sei ihm ein Reisepaß ausgestellt worden und er habe noch in diesem Jahr in Jugoslawien ein Studium begonnen; deshalb sei er auch nicht zum Militärdienst einberufen worden. Bei einem Besuch im Heimatland 1982 sei der Beschwerdeführer von der Polizei festgenommen und über seine Tätigkeiten in Verbindung mit Kurden sowie in Jugoslawien befragt worden. Er habe jedoch unbeanstandet wieder nach Jugoslawien ausreisen und dort sein Studium fortsetzen können. Seit 1983 sei der Beschwerdeführer Mitglieder der "kurdischen Studentenvereinigung in Europa" und hätte in Jugoslawien Flugblätter an irakische Studenten verteilt. Die irakische Botschaft in Jugoslawien habe dies beanstandet und dem Beschwerdeführer Fotos von einem Neujahrsfest vorgehalten, das der Beschwerdeführer organisiert hätte. Nach Beendigung des Studiums und Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung des Beschwerdeführers in Jugoslawien hätte er im Herbst 1987 in den Irak zurückkehren müssen, habe jedoch befürchtet, entweder eingesperrt oder hingerichtet zu werden. Am 18. September 1987 habe er seinen irakischen Paß bis 7. Oktober 1988 verlängern lassen. Am 19. Februar 1988 habe die österreichische Botschaft in Belgrad einen Sichtvermerk für den Beschwerdeführer ausgestellt. Am 23. Februar 1988 sei der Beschwerdeführer nach Traiskirchen gefahren, um dort Asylantrag zu stellen. Bei der ergänzenden Vernehmung vom 1. Juni 1988 habe der Beschwerdeführer auf Vorhalt, für ihn sei das UNHCR Büro in Belgrad zuständig, angegeben, er wolle nicht nach Jugoslawien zurückkkehren, weil er befürchte, an den Irak ausgeliefert zu werden. Er hätte schon zweimal im Büro des UNO-Hochkommissariates in Belgrad vorgesprochen, jedoch dort keine Unterstützung erhalten.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, habe der Beschwerdeführer vorgebracht, bei seiner Einvernahme sei kein Dolmetsch beigezogen worden, sodaß er sich nicht genügend verständlich machen habe können. Das Komitee, in dem der Beschwerdeführer in den Jahren 1978 bis 1981 tätig gewesen sei, wäre von der irakischen Regierung verboten worden. Die Mitglieder würden verfolgt. Bei Nachweis der Mitgliedschaft würde die Todesstrafe verhängt. Zwei Mitglieder der Gruppe seien bereits dem irakischen Regime zum Opfer gefallen. Für dieses Vorbringen habe sich der Beschwerdeführer auf die zeugenschaftliche Einvernahme eines Mitgliedes dieser Gruppen, das in Wien wohnhaft sei, berufen. Auslösendes Moment für die Flucht des Beschwerdeführers nach Jugoslawien sei eine Polizeiaktion gegen ein von Mitgliedern der genannten Gruppe gefeiertes kurdisches Neujahrsfest gewesen, wobei von der Schußwaffe Gebrauch gemacht worden sei. Daraufhin habe sich der Beschwerdeführer unter Umgehung der irakischen Behörden einen Studienplatz in Jugoslawien verschafft. In Jugoslawien sei der Beschwerdeführer wegen fortgesetzter Aktivitäten für die kurdische Volksgruppe von der Polizei und Angehörigen der irakischen Botschaft kontrolliert und unter Druck gesetzt worden. Dem Beschwerdeführer seien Fälle bekannt, in welchen Jugoslawien Personen in den Irak abgeschoben habe. Er habe für dieses Vorbringen weitere Zeugen, die in Jugoslawien wohnhaft seien, namhaft gemacht. In Jugoslawien sei der Beschwerdeführer von einer finnischen Staatsangehörigen, die Recherchen über Minderheiten angestellt habe, interviewt worden, worauf dem Beschwerdeführer die Abschiebung in den Irak angedroht worden sei. Er habe auch die zeugenschaftliche Einvernahme der genannten Person beantragt.

Weiters wird in der Bescheidbegründung ausgeführt, es sei aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren erster Instanz ersichtlich, daß er derzeit keine Arbeit und keinen Verdienst hätte und daher der öffentlichen Hand zur Last falle. Aus den Eintragungen in seinem Reisepaß sei eine umfangreiche Reisetätigkeit in verschiedene Länder Europas ersichtlich. Aus den Paßeintragungen sei auch ein österreichischer Sichtvermerk aus dem Jahr 1987 und eine österreichische Grenzkontrolle ersichtlich.

Auf Grund der eigenen Angaben und der offenkundigen Verhältnisse in der Heimat des Beschwerdeführers seien weitere Ermittlungen entbehrlich gewesen. Das Verhalten des Beschwerdeführers lasse nach seinen eigenen Angaben keine Rückschlüsse auf Furcht vor Verfolgung zu. Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, bei seiner Einvernahme sei kein Dolmetsch beigezogen worden, sei aktenwidrig. Sowohl bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 1. März als auch bei jener am 3. Juni 1988 sei ein Dolmetsch anwesend gewesen. Wäre es tatsächlich zu Mißverständnissen gekommen, so hätte der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt, diese richtig zu stellen. Zu prüfen sei im vorliegenden Fall, ob der Beschwerdeführer aus objektiver Sicht eine wohlbegründete Furcht, aus Konventionsgründen im Heimatland verfolgt zu werden, bescheinigt habe. Selbst wenn man die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei seit 1978 für Belange der Kurden tätig, als richtig ansehe, lasse sich daraus im Zusammenhang mit dem übrigen Sachverhalt eine persönliche und konkrete Verfolgung oder eine Furcht vor Verfolgung nicht schlüssig ableiten. Auf den Beweis, daß der Beschwerdeführer in einem Komitee zur Unterstützung der Kurden tätig gewesen sei, dieses Komitee verboten worden sei und die Mitglieder verfolgt worden seien, sowie daß die irakische Polizei ein kurdisches Neujahrsfest gesprengt habe, sei daher zu verzichten gewesen. Dem Beschwerdeführer werde geglaubt, daß er in Jugoslawien für die kurdische Bewegung tätig gewesen sei. Daher sei auf die Einvernahme der jugoslawischen Zeugen zu verzichten gewesen. Da der Beschwerdeführer mit seinem irakischen Reisepaß nach Abschluß der Mittelschule nach Jugoslawien ausgereist sei und dort ein Studium aufgenommen habe, von wo er im Jahre 1882 freiwillig in sein Heimatland zurückgekehrt sei, sei eine Furcht vor Verfolgung bis dahin nicht ersichtlich. Obwohl die irakische Polizei den Beschwerdeführer über seine "kurdischen Tätigkeiten" verhört hätte, habe er das Studium in Jugoslawien beenden können. Seine kurzfristige angebliche Verhaftung sei in diesem Zusammenhang nicht relevant. Auch daraus, daß man den Beschwerdeführer nicht aus Jugoslawien vorzeitig abgeschoben habe, sei ersichtlich, daß er weder dort noch im Irak konkreten Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei. Durch die Verlängerung des irakischen Reisepaßes am 18. September 1987 habe der Beschwerdeführer den Schutz der Behörden seines Heimatlandes in Anspruch genommen und sich erneut unter den Schutz des Heimatlandes gestellt. Damit habe er selbst zum Ausdruck gebracht, daß eine Furcht vor Verfolgung objektiv nicht vorliege. Warum der Beschwerdeführer trotz seiner angeblichen Tätigkeit für die Kurden persönlich nicht verfolgt worden sei, sei nicht zu untersuchen. Es werde lediglich darauf hingewiesen, daß es dafür viele Ursachen geben könne. In einem undemokratischen System sei auch der Gleichheitsgrundsatz nicht verwirklicht, sodaß in dieser Hinsicht nicht von einem Fall auf den anderen geschlossen werden könne. Der Sachverhalt - Studium im Ausland, Aufschub des Wehrdienstes, Heimatbesuche und Information der Behörden über die Tätigkeit in bezug auf Kurden - ließen auf eine Wohlgewogenheit des Regimes schließen. Die freiwillige Kooperation des Beschwerdeführers mit den irakischen Behörden sei nicht auszuschließen. Objektiv ergeben sich keine Anhaltspunkt für individuelle und konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers aus Konventionsgründen, geschweige denn für eine Furcht vor Verfolgung. Die diesbezüglichen Behauptungen des Beschwerdeführers stünden im Widerspruch zum tatsächlichen Sachverhalt und seien bloße "Lippenbekenntnisse", um dem Antrag mehr Aussicht auf Erfolg zu geben. Die bloße Behauptung, kontrolliert oder unter Druck gesetzt zu werden, reiche nicht aus, um Verfolgungshandlungen im Sinn der Konvention erkennen zu lassen. Auf die Einvernahme der vom Beschwerdeführer als Zeugin geführten finnischen Staatsangehörigen sei zu verzichten gewesen, weil der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit gehabt habe, seine Gründe darzulegen, und die bloße Androhung der jugoslawischen Polizei, den Beschwerdeführer abzuschieben, für die Entscheidung nicht relevant sei. Der Beschwerdeführer habe seinen Angaben zufolge nicht einmal versucht, in Jugoslawien einen Asylantrag zu stellen. Berücksichtige man, daß der Beschwerdeführer nach seinen Angaben aus Eigeninitiative unter Umgehung der irakischen Behörden in Jugoslawien einen Studienplatz erhalten habe, so wäre unter der Voraussetzung, daß er im Irak tatsächlich verfolgt würde, diese Unterlassung unverständlich. Jugoslawien sei ein "Mitglied der Flüchtlingskonvention" und es wäre Aufgabe der UNHCR sich - ausreichende Gründe vorausgesetzt - um die Einhaltung der Konventionsbestimmungen zu kümmern. Ziehe man die umfangreiche Reisetätigkeit des Beschwerdeführers seit seinem Aufenthalt in Jugoslawien in Erwägung, so hätte er, falls tatsächlich gravierende Eingriffe in seine Grundrechte vorgelegen wären, sicherlich rechtzeitig Asylantrag in einem Land seiner Wahl eingebracht. Da der Beschwerdeführer diese Möglichkeit nicht genützt habe, erscheine es unglaubwürdig, daß er nun sieben Jahre nach Verlassen seines Heimatlandes und nach Abschluß seines Studiums Furcht behaupte. Dabei sei hervorzuheben, daß der Beschwerdeführer schon im Jahre 1987 in Österreich gewesen sei, ohne seine jetzigen Behauptungen aufzustellen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, Furcht vor Verfolgungen zu haben, sei daher nicht glaubhaft. Von einer wohlbegründeten Furcht könne erst dann gesprochen werden, wenn die Zustände im Heimatland auch aus objektiver Sicht dergestalt seien, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland aus den in der Konvention genannten Gründen unerträglich geworden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß die Voraussetzungen des Artikel 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt sind, und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Artikel 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Flüchtlingskonvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne des Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im Beschwerdefall ist von folgendem von der Behörde auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers festgestellten und auch in der Beschwerde nicht bestrittenem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer hat seinen Heimatstaat im Jahre 1981 verlassen, um in Jugoslawien zu studieren. Er erhielt deshalb eine Befreiung vom Wehrdienst. Nach Beendigung seines Studiums in Jugoslawien ließ er sich dort am 18. September 1987 den irakischen Reisepaß verlängern. Geht man von diesen Tatsachen aus, dann erweisen sich die Ausführungen der Beschwerde im Ergebnis als unbegründet. Insbesondere können die Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Tätigkeit für die kurdische Minderheit in Irak vor Antritt seines Studiums schon deshalb nicht als Gründe im Sinn der Konvention anerkannt werden, weil sie schon viele Jahre zurückliegen und der Beschwerdeführer darüber hinaus im Jahre 1982 seinen Heimatstaat besucht hat. Seine Behauptung, er sei dort von der Polizei verhaftet und wegen seiner "Tätigkeit für die Kurden" vernommen worden, bestätigt aber im Zusammenhalt damit, es sei ihm danach möglich gewesen, legal seinen Heimatstaat zu verlassen, daß die vorher von ihm gesetzten Handlungen nicht zum Anlaß von Verfolgungshandlungen der irakischen Behörden genommen worden sind. Der Beschwerdeführer hat nach Abschluß seiner Studien am 18. September 1987 in Jugoslawien durch die irakische Vertretungsbehörde eine neuerliche Verlängerung seines Reisepasses erhalten. Diese Tatsache zeigt im Zusammenhalt mit seiner legalen Ausreise aus seinem Heimatland zu Studienzwecken, mit hinreichender Deutlichkeit, daß der Beschwerdeführer seitens der irakischen Behörden Verfolgungshandlungen weder selbst befürchtete noch zu befürchten hatte (vgl. dazu Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1989, Zl. 89/01/0416, vom 12. Juli 1989, Zlen. 89/01/0209, 0210 und vom 11. November 1987, Zl. 87/01/0102). Dazu hat die belangte Behörde auch ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß der Beschwerdeführer durch sein Verhalten nicht nur die Behörden seines Heimatlandes in Anspruch genommen, sondern sich auch dadurch unter den Schutz dieses Heimatlandes gestellt hat. Der Beschwerdeführer hat aber im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, daß nach der Verlängerung seines Passes durch den Heimatstaat Umtände eingetreten seien, die ihn zu einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung aus in der Konvention genannten Gründen verlaßt hätten.

Geht man von diesem Sachverhalt aus, dann gehen aber die Ausführungen der Beschwerde, mit der Begründungs- und Feststellungsmängel geltend gemacht werden, schon deshalb ins Leere, weil sie für die Entscheidung der Sache nicht relevant sind.

Die Beschwerde mußte somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Der Auspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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