VwGH 89/18/0184

VwGH89/18/018411.5.1990

N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 25. Oktober 1989, Zl. I /7-St-0-8849, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960

Normen

StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Oktober 1989 wurde der Beschwerdeführer unter anderem im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 3. Juni 1988 um 18.05 Uhr im Ortsgebiet Reidling auf der Neustiftgasse vor dem Haus Nr. 11 als Fahrzeuglenker die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er das Fahrzeug an diesem Tag gegen

16.20 Uhr in Reidling auf der Neustiftgasse gegenüber dem Haus Nr. 11 bei der Fahrt aus Richtung der Ahrenberger Kellergasse kommend gelenkt und dort abgestellt habe und es habe vermutet werden können, daß er sich bei dieser Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b und § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde eine Geldstrafe von S 12.000,-- (Ersatzarreststrafe 15 Tage) verhängt. Der Berufungsbescheid enthält ferner einen im Instanzenzug ergangenen Schuldspruch wegen der Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 3 lit. d StVO. In der die erstgenannte Verwaltungsübertretung betreffenden Begründung des Berufungsbescheides heißt es unter anderem, die Gendarmeriebeamten AA und BB hätten den Beschwerdeführer am Nachmittag des Tattages im Gasthaus Schmid angetroffen und bei ihm Alkoholisierungsmerkmale festgestellt. Der Beschwerdeführer habe dort erklärt, ca. 16.20 Uhr seine Fahrt mit seinem Pkw beendet und das Gasthaus Schmid aufgesucht zu haben, wo er nur einen Kaffee konsumiert habe. Nach Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe habe der Beschwerdeführer diese mit der Begründung, daß es ohnehin nicht notwendig sei, verweigert. Hinsichtlich des zeitlichen Abstandes zwischen Beendigung der Lenkertätigkeit und Aufforderung zur Atemluftprobe verwies die Berufungsbehörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Aufforderung zwei Stunden, ja sogar fünf Stunden später noch rechtmäßig sei und ein brauchbares Ergebnis bringen könne. Im vorliegenden Fall betrage dieser Zeitraum 1 3/4 Stunden. Daher habe sich die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens erübrigt. Der Beschwerdeführer habe ja selbst behauptet, nach Beendigung der Lenkertätigkeit keinen Alkohol zu sich genommen zu haben; die trotzdem vorhandenen Alkoholisierungsmerkmale (Geruch der Atemluft nach Alkohol aus einer Entfernung von ca. 30 cm, stark gerötete Augenbindehäute, äußerst agressives Benehmen) müßten also mit einem Alkoholkonsum vor Fahrtbeginn zusammenhängen. Es sei unrichtig, daß die Aufforderung zur Atemluftprobe nur in zeitlich unmittelbarem Anschluß an eine Lenkertätigkeit ergehen könne. Auf den Ort, an dem die Aufforderung erfolge, komme es nicht an, wenn nur eine Lenkertätigkeit auf Straßen mit öffentlichem Verkehr vorangegangen sei. Die Behörde folge den Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten. Ein (ergänze: ausschließlicher) Nachtrunk des Beschwerdeführers sei auszuschließen, da der Beschwerdeführer gegenüber den Gendarmeriebeamten gerade einen solchen in Abrede gestellt habe. Es sei eine Erfahrungstatsache, daß gerade die ersten Angaben eines beanstandeten Lenkers mehr der Wahrheit entsprächen als späteres Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren. Aus diesen Gründen sei auch die Vernehmung des angebotenen Zeugen CC entbehrlich gewesen, ebenso aber die Vernehmung der Zeugen DD und EE. Nicht zu klären sei die Frage, ob der Beschwerdeführer sein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO gelenkt habe. Entscheidend sei die objektiv begründete Vermutung der Alkoholisierung seitens der Straßenaufsichtsorgane, die erfolgte Aufforderung und die Verweigerung der Befolgung.

Hinsichtlich der Strafhöhe sei erwogen worden:

Der Beschwerdeführer beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von S 8.400,--, sei für ein Kind sorgepflichtig und vermögenslos. Bei Berücksichtigung dieser Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sowie bei Berücksichtigung des Erschwerungsgrundes einer nicht getilgten rechtskräftigen Verwaltungsvorstrafe wegen Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO und bei Fehlen von Milderungsgründen könne die Berufungsbehörde unter Bedachtnahme auf die eingetretene Gefährdung der vom Gesetz geschützten Interessen und den Grad des Verschuldens nicht finden, daß die Erstbehörde die Strafen unangemessen hoch festgesetzt habe und daß rücksichtswürdige Umstände soweit überwögen, daß Anlaß zu einer Strafmilderung oder zu einer Strafnachsicht gegeben gewesen wäre. Die verhängten Strafen lägen jeweils erheblich unter der gesetzlichen Obergrenze. Der Beschwerdeführer solle durch die Bestrafung in Hinkunft von einem gleichartigen strafbaren Verhalten abgehalten werden; die Bestrafung solle auch eine generalpräventive Wirkung haben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeerklärung und der Beschwerdeantrag beziehen sich auf den gesamten Bescheid der Berufungsbehörde (also auf beide Verwaltungsübertretungen), der unter der Bezeichnung "Beschwerdegrund" genannte Beschwerdepunkt allerdings allein auf die Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO, ebenso die Ausführungen zur Begründung der Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß nur diese Übertretung Gegenstand der Beschwerde ist.

Er hat über sie erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO in der Fassung der 13. Novelle sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in bestimmter Weise zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Vorweg ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in folgenden Fragen zu verweisen:

Eine Untersuchung der Atemluft auf Alkohol kann so lange verlangt werden, als noch praktische Ergebnisse der Atemluftprobe erwartet werden können. Bei einem großen Zeitabstand zwischen der Beendigung des Lenkens und der Verweigerung der Atemluftprobe ist die Behörde jedoch verpflichtet, näher zu begründen, warum trotz der verstrichenen langen Zeit noch verwertbare Ergebnisse der Atemluftprobe zu erwarten gewesen wären. Unter einem großen Zeitabstand im obigen Sinn hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Zeiträume von 3 Stunden 40 Minuten, von ca. 4 Stunden, von 4 1/2 Stunden und von 5 Stunden verstanden (Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl. 86/02/0130 und die darin zitierte weitere Judikatur). Bei einem zeitlichen Abstand bis zu 3 Stunden ist aber eine solche besondere Begründung nicht erforderlich (Erkenntnis vom 4. November 1981 Zl. 03/3855/80 und die darin zitierte weitere Rechtspechung).

Das Zugeständnis des Lenkers, innerhalb von etwa drei Stunden vor dem Lenken eines Fahrzeuges Alkohol konsumiert zu haben, rechtfertigt für sich allein die Aufforderung zur Atemluftprobe (Erkenntnis vom 28. Februar 1986, Zl. 85/18/0376).

Mit der Begründung, nach Beendigung der Lenkertätigkeit Alkohol zu sich genommen zu haben (sogenannter Nachtrunk), darf die Vornahme der Atemluftprobe nicht verweigert werden (Erkenntnis vom 14. September 1983, Zl. 82/03/0103 und die darin zitierte weitere Rechtsprechung).

Daraus ergibt sich zunächst, daß bei der zwischen Beendigung der Lenkertätigkeit und Aufforderung zur Atemluftprobe verstrichenen Zeit von 1 Stunde und 45 Minuten es keiner besonderen Begründung für die Zulässigkeit der Aufforderung zur Atemluftprobe bedurfte. Ferner ergibt sich daraus, daß die Frage eines Nachtrunkes des Beschwerdeführers unentscheidend ist.

Was die vom Beschwerdeführer vermißte örtliche und zeitliche nahe Beziehung zwischen dem Lenken eines Fahrzeuges und der Aufforderung zur Atemluftprobe anlangt, kann hinsichtlich des Zeitraumes auf die obige Rechtsprechung verwiesen werden. Hinsichtlich des Ortes der Aufforderung zur Atemluftprobe entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß dieser Ort keineswegs jene Straße mit öffentlichem Verkehr sein muß, auf der die vorhergehende Lenkertätigkeit stattfand; so kann z.B. die Aufforderung zur Atemluftprobe auch im Wohnhaus des Lenkers erfolgen (Erkenntnis vom 19. Okober 1983, Zl. 83/03/0062 und die weitere darin zitierte Judikatur).

Auch hinsichtlich der vom Beschwerdeführer als geeignete Alkoholisierungsmerkmale bestrittenen Rötung der Augenbindehäute und des Geruchs der Atemluft nach Alkohol kann auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden (Erkenntnis vom 13. September 1989, Zl. 89/18/0080).

In Anbetracht der eingangs zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie die Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen unterließ.

Auch die Vernehmung der zum Beweise eines Nachtrunkes geführten Zeugen konnte ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften unterbleiben; dies geht einerseits aus obigen rechtlichen Ausführungen über die mangelnde Bedeutung eines Nachtrunkes hervor. Andererseits lagen nicht nur Beweisergebnisse (wie z.B. die mit dem Beschwerdeführer vor der Gendarmerie aufgenommene Niederschrift vom 3. Juni 1988), sondern es lag auch ein ausdrückliches Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung vom 3. November 1988 vor, wonach er zwischen 17.00 und 17.30 Uhr des Tattages ein Seidel und ein Glas Bier sowie zwischen 17.30 Uhr und 18.15 Uhr des Tattages zwei Achtelliter Wein gespritzt konsumiert habe. Schon dieses Zugeständnis allein hätte im Sinne obiger Rechtsprechung die Beamten zur Aufforderung zur Atemluftprobe berechtigt.

Die Rüge in der Schuldfrage vermag somit nicht zu überzeugen.

Aber auch die Straffrage wurde ohne Rechtsirrtum gelöst:

Die Behauptung, der Beschwerdeführer sei noch unbescholten, steht mit den diesbezüglich unbekämpften Feststellungen der belangten Behörde, die sich auf die auf Seite 1 der Anzeige vorgemerkten Vorbestrafungen des Beschwerdeführers stützen, in Widerspruch. Worin der Rechtsirrtum des Beschwerdeführers bestanden haben soll - er ist Inhaber einer LenkerberechtigungÜ - wird in der Beschwerde nicht näher ausgeführt. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht der Ansicht, daß es sich um einen "Grenzfall dessen handelt, wo eine ... Atemluftprobe gerade noch zulässig ist", dies im Hinblick auf die oben zitierte Judikatur über die zwischen Beendigung der Lenkertätigkeit und Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe verstrichene Zeit.

Der Verwaltungsgerichtshof kann insgesamt nicht finden, daß die belangte Behörde von dem ihr im Rahmen der Strafbemessung zustehenden Ermessen gesetzwidrigerweise Gebrauch gemacht hat.

Da die Beschwerde somit nicht vermochte, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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