VwGH 89/17/0002

VwGH89/17/00026.7.1990

A gegen Wiener Landesregierung vom 11. November 1988, Zl. MDR-D 31/88/Str, betreffend Verwaltungsübertretung in einer Marktgebührenangelegenheit

Normen

LAO Wr 1962 §251 Abs1 lita;
Marktgebührentarif Wr 1980;
VStG §5 Abs1;
LAO Wr 1962 §251 Abs1 lita;
Marktgebührentarif Wr 1980;
VStG §5 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 3. August 1988 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe für den Marktstand in Wien, X-Markt 34, die Marktgebühr für den Monat November 1987, fällig gewesen am 16. November 1987, bis zum 23. November 1987 nicht entrichtet und bis dahin auch die Gründe für die nicht fristgerechte Entrichtung der Abgabe der Abgabenbehörde nicht bekanntgegeben. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung 2ach § 251 Abs. 1 lit. a der Wiener Abgabenordnung - WAO begangen. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe: 18 Stunden) verhängt.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid unter Bestätigung des Bescheides der Behörde erster Rechtsstufe keine Folge. Dies im wesentlichen mit der Begründung, nach der Aktenlage stehe fest, daß der Beschwerdeführer die Marktgebühr für den Monat November 1987 nicht spätestens am fünften Tag nach ihrer Fälligkeit entrichtet und auch bis dahin die Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung der Abgabenbehörde nicht bekanntgegeben habe. § 251 Abs. 1 lit. a WAO sei entgegen der Rechtsansicht des Beschwerdeführers auch auf die in Rede stehende Marktgebühr anzuwenden, weil es sich hiebei um eine NICHT BESCHEIDMÄSZIG FESTZUSETZENDE Abgabe handle.

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 genüge, wenn die Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimme, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, doch ziehe schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimme und der Täter nicht glaubhaft mache, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Die Voraussetzungen des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG seien bei der Übertretung des § 251 Abs. 1 lit. a WAO gegeben, weswegen der Beschwerdeführer ein mangelndes Verschulden hätte glaubhaft machen müssen. Eine solche Glaubhaftmachung sei ihm aber nicht gelungen, da es nicht gerechtfertigt erscheine, daß der Gebührengläubiger als unfreiwilliger Kreditgeber fungiere. Da Verwaltungsübertretungen des § 251 Abs. 1 lit. a WAO gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafen bis zu S 30.000,-- zu ahnden seien, erscheine die verhängte Strafe ohnedies milde und berücksichtige die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernden Umstand. Immerhin sei das Interesse, dem die Strafdrohung diene (die fristgerechte Gebührenentrichtung), erheblich gefährdet gewesen. Das Verschulden des Beschwerdeführers könne auch nicht als geringfügig angesehen werden, zumal die Marktgebühr im Vergleich zu anderen Formen der Bestandgabe ohnedies niedrig sei und daher bei einer kaufmännischen Betriebsführung erwirtschaftet werden könne. Da der Beschwerdeführer trotz behördlicher Aufforderung seine Erwerbs-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht offengelegt habe, hätten diese Verhältnisse geschätzt werden müssen. Auf Grund der Aktenlage sei von einem nicht nennenswerten Vermögen und einem durchschnittlichen Einkommen des Beschwerdeführers auszugehen. Hinweise auf Sorgepflichten lägen nicht vor. Unter diesem Gesichtspunkt sei die verhängte Strafe nicht als überhöht anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Straffreiheit für die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung gemäß § 251 WAO, in eventu in seinem Recht auf schuldangemessene Bestrafung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 251 Abs. 1 lit. a WAO macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, daß der Zahlungs-(Abfuhr)pflichtige bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages und die Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung (Abfuhr) bekanntgibt; im übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermins für sich allein nicht strafbar.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird die Verwaltungsübertretung in den Fällen des Abs. 1 lit. a und c leg. cit. mit einer Geldstrafe bis zu 30.000,-- S, im Nichteinbringungsfall mit Arrest bis zu sechs Wochen, geahndet.

Vorauszuschicken ist, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zlen. 88/17/0219, 0220, die Rechtsansicht vertreten hat, bei den Marktgebühren nach dem Wiener Marktgebührentarif 1980 handle es sich im Sinne des § 251 lit. a WAO um Selbstbemessungsabgaben und damit um "Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind"; zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (§ 43 Abs. 2 VwGG). Von dieser, vom Beschwerdeführer bestrittenen Rechtsansicht abzugehen, bietet der vorliegende Beschwerdefall keinen Anlaß.

Der Verwaltungsgerichtshof hat als nächstes geprüft, an welches Verhalten eines Abgabepflichtigen § 251 Abs. 1 lit. a WAO im Tatbestand anknüpft. Diese Gesetzesstelle könnte auch so verstanden werden, daß die bloße Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) von nicht bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben innerhalb von fünf Tagen nach ihrer Fälligkeit den Tatbestand der Verwaltungsübertretung bildet und daß für den Fall der bis zum gleichen Zeitpunkt erfolgenden Bekanntgabe der Höhe des Betrages der Abgabenschuld und der Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung (Abfuhr) ein Strafausschließungsgrund normiert ist. Gegen diese Auslegung spricht aber der letzte Satz dieser Gesetzesstelle, der mit den Worten "im übrigen ..."

beginnt. Daraus folgt, daß nicht JEDE Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) von nicht bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben als durch die vorhergehenden Bestimmungen zum objektiven Tatbild der Verwaltungsübertretung gehörend zu betrachten ist. Die in Rede stehende Gesetzesstelle ist vielmehr nach der darin zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers, die Versäumung eines Zahlungstermines nicht schon für sich allein unter Strafe zu stellen, dahin auszulegen, daß nur ein Verhalten mit Strafe bedroht ist, bei dem zur bloßen Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) einer nicht bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe noch hinzukommt, daß der Abgabepflichtige der Abgabenbehörde nicht bis zum fünften Tag nach der Abgabenfälligkeit die Höhe der Abgabenschuld und die Gründe für die nicht rechtzeitige Entrichtung (Abfuhr) der Abgabe bekanntgibt; pönalisiert ist also nur jene Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) von Selbstbemessungsabgaben, bei denen der Vertrauensvorschuß, den ein Abgabengesetz dem Steuerplichtigen durch die Selbstbemessung einräumt, durch Unterlassung der in Rede stehenden Bekanntgaben mißbraucht wird (siehe hiezu etwa das zur vergleichbaren, allerdings Vorsatz voraussetzenden Bestimmung des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG ergangene hg. Erkenntnis vom 14. November 1987, Zl. 87/15/0062, das dort bezogene Vorerkenntnis und Schrifttum).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Marktgebühr für den Monat November 1987 nicht nur nicht bis zu dem vorhin genannten Zeitpunkt entrichtet, sondern darüber hinaus der Abgabenbehörde auch weder die Höhe des geschuldeten Betrages noch die Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung (Abfuhr) dieser Marktgebühr bekanntgegeben. Demnach sind im Beschwerdefall die objektiven Merkmale für die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung gegeben.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, im Beschwerdefall seien die Voraussetzungen des zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG gegeben, weswegen es dem Beschwerdeführer oblegen hätte, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, was ihm aber nicht gelungen sei.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, bei der Verwaltungsübertretung nach § 251 Abs. 1 lit. a WAO handle es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, ist verfehlt. Nach der zuletzt zitierten Gesetzesstelle zieht schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt und der Täter nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist.

Bei der Verwaltungsübertretung nach § 251 lit. a WAO ist Tatbestandsmerkmal die Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) von nicht bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben unter den oben angeführten weiteren Voraussetzungen. Die Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) von Abgaben spätestens fünf Tage nach Fälligkeit stellt aber für den Abgabengläubiger einen Schaden dar, sodaß schon das an erster Stelle im zweiten Satz des § 5 Abs. 1 VStG angeführte Merkmal, daß zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens nicht gehört, hier nicht erfüllt ist.

Dementsprechend traf im Beschwerdefall die Verwaltungsstrafbehörden nicht nur die Beweislast für die objektive Tatseite, sondern auch für das Verschulden des Beschwerdeführers. Dadurch, daß die belangte Behörde in diesem Punkt dem angefochtenen Bescheid eine unrichtige Rechtsansicht zugrundegelegt hat, hat sie diesen mit der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, aus welchem Grund dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte; hiebei war es nicht mehr erforderlich, auf das vom Beschwerdeführer nicht näher begründete Beschwerdevorbringen einzugehen, die Strafe sei im vorliegenden Fall nicht "schuldangemessen" verhängt worden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Stempelgebührenersatz war nur für die zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.

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