VwGH 89/16/0102

VwGH89/16/010218.1.1990

N-reg GenmbH gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. März 1989, Zl. GA 11 - 1357/88, betreffend Nachsicht einer Grunderwerbsteuerschuldigkeit

Normen

BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §6 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
GrEStG 1955 §17 Z4;
BAO §119 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §6 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
GrEStG 1955 §17 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Die Beschwerdeführerin - ein gemeinnütziger Bauträger im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 lit. a GrEStG 1955 (in der Folge: GrEStG) - war Eigentümerin einer Liegenschaft in G. in Niederösterreich und beabsichtigte, darauf ein Wohnhaus mit im Wohnungseigentum stehenden Wohnungen zu schaffen.

Auf Grund des mit ihr am 16. Februar/10. April 1981 abgeschlossenen Anwartschaftsvertrages (in der Folge: Vertrag) erwarben die Ehegatten EO und TO den Anspruch auf Übereignung des einer bestimmten Wohnung (samt Garage und Kellerabteil) entsprechenden Mindestanteiles (bzw. Anteiles am Mindestanteil) der genannten Liegenschaft.

Nach Punkt VI. Abs. 4 des Vertrages waren die von den Ehegatten aufzubringenden Eigenmittel wie folgt zu bezahlen:

Bis längstens 20. März 1981 der Betrag von S 73.690,-- und bis längstens 20. September 1981 ein weiterer Betrag von S 70.000,--.

Gemäß Punkt XII. Abs. 1 des Vertrages konnte ihn die Beschwerdeführerin zum letzten eines jeden Monats kündigen, wenn die Ehegatten unrichtige Erklärungen abgegeben ... Handlungen setzen, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen die berechtigten Interessen der Beschwerdeführerin oder anderer Wohnungseigentumsbewerber darstellen, insbesondere wenn sie einem Ausschließungsgrund des § 21 Abs. 1 und 2 WEG 1975 gleichkommen.

Laut Punkt XVI. des Vertrages tragen die Ehegatten alle mit der Errichtung und Durchführung dieses Vertrages sowie des noch abzuschließenden Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages verbundenen Kosten, Steuern, Gebühren und Abgaben aller Art. Auf Grund des Punktes XIX. Abs. 1 des Vertrages haften die Ehegatten für die Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag zur ungeteilten Hand, im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod ... vor Abschluß des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages wird der überlebende ... Partner als alleiniger Wohnungseigentümer verbüchert.

In der gemäß § 18 GrEStG an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: FA) erstatteten Abgabenerklärung vom 10. April 1981 beantragte die Beschwerdeführerin die besondere Ausnahme des vorstehend angeführten Erwerbsvorganges von der Besteuerung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 (lit. b) GrEStG.

TO verstarb am 1. Februar 1982. EO, der in dem betreffenden - von ihm wegen seiner aus seiner bisherigen Unterkunft in G in Niederösterreich erfolgten Delogierung nicht (mehr) unterschriebenen - Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag entsprechend der oben erwähnten Vereinbarung allein genannt war, verzog laut der dem FA auf dessen Anfrage erteilten Auskunft des Marktgemeindeamtes G in Niederösterreich vom 3. August 1987 am 26. September 1983 nach Y in Finnland.

Mit Bescheid vom 21. September 1987 setzte das FA gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß § 17 Z. 4 GrEStG in Verbindung mit § 6 BAO für den vorstehend angeführten Erwerbsvorgang Grunderwerbsteuer mit einem Betrag von S 47.015,-- fest, weil die eingangs erwähnte besondere Ausnahme von der Besteuerung nicht gewährt habe werden können, da Wohnungseigentum innerhalb von acht Jahren nicht begründet worden sei.

Nachdem die Beschwerdeführerin am 16. November 1987, 14. Dezember 1987 und 15. Jänner 1988 jeweils mit Erfolg und am 28. Jänner 1988 ohne Erfolg die Verlängerung der Berufungsfrist beantragt hatte, stellte sie am 24. Februar 1988 den Antrag, die erwähnte Grunderwerbsteuerschuldigkeit nachzusehen, weil deren Einhebung nach der Lage des Falles offensichtlich unbillig sei. EO sei unauffindbar und offensichtlich in das Ausland verreist. Die Beschwerdeführerin habe daher - es seien weder Zahlungen geleistet noch sei die Wohnung übernommen worden - die Räumungsklage eingebracht und bemühe sich, die Wohnung anderwärtig zu verwerten. Dadurch sei die achtjährige Frist für die Begründung von Wohnungseigentum nicht mehr einzuhalten.

Diesen Antrag der Beschwerdeführerin wies das FA mit Bescheid vom 14. März 1988 mangels Vorliegens einer Unbilligkeit ab.

In ihrer dagegen eingebrachten Berufung vom 22. März 1988 führte die Beschwerdeführerin ergänzend im wesentlichen aus, sie habe in der Vergangenheit immer damit rechnen können und müssen, daß der Erwerb der von ihr errichteten Eigentumswohnungen steuerfrei gewesen sei. Darauf seien auch ihre Kalkulationen aufgebaut, die letztendlich von amtlicher Stelle überprüft würden, weil die Beschwerdeführerin Bestandteil desjenigen Apparates sei, der zur Versorgung der Bevölkerung mit billigen Wohnungen errichtet worden sei.

Die Beschwerdeführerin habe die Wohnung mit Räumungsklage freimachen müssen und bemühe sich zur Zeit, sie anderwärtig zu verwerten. Nach "Lage des Falles" trete hier offensichtlich eine anormale Belastungswirkung auf, weil auf Grund der Situation die achtjährige Frist nicht habe gewahrt werden können und der vertragsmäßige Schuldner der Grunderwerbsteuer, der auch nach allgemeinem wirtschaftlichen Verständnis die Grunderwerbsteuer wirtschaftlich hätte tragen müssen, nicht auffindbar sei. Dieser Fall liege aber auch außerhalb des normalen unternehmerischen Risikos, weil die Beschwerdeführerin als gemeinnützige Baugesellschaft ausdrücklich steuerfreie Grunderwerbe bzw. Grundverkäufe hätte durchführen sollen und nicht von vornherein damit habe gerechnet werden können, daß bei einem Wohnungseigentumsbewerber ein derartiger Fall eintrete.

Mit der im Spruch des vorliegenden Erkenntnisses näher bezeichneten Berufungsentscheidung wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (in der Folge: belangte Behörde) die dargestellte Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Dies im wesentlichen unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 236 Abs. 1 BAO und des § 17 Z. 4 GrEStG mit folgender Begründung:

Wenn auch eine Vielzahl der Rechtsvorgänge, an denen die Beschwerdeführerin beteiligt sei, von der Besteuerung ausgenommen sei, so könne nicht davon gesprochen werden, sie habe nicht von vornherein mit einem Fall wie dem vorliegenden rechnen können. Im Hinblick auf die eindeutige Gesetzeslage habe jeder, der sich an einem der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäft beteilige, mit der Besteuerung als gesetzlicher Folge des verwirklichten Erwerbsvorganges zu rechnen. Aus der Vielzahl der steuerbefreiten Vorgänge könne aber nicht im Wege einer Wahrscheinlichkeitsüberlegung auf eine Nichtbesteuerung geschlossen werden. Auf subjektive Vorstellungen könne aber kein Bedacht genommen werden.

Auch in der Tatsache, daß die Abgabenschuld von einer juristischen Person, die gemeinnützige Zwecke verfolge, gefordert werde, könne keine Unbilligkeit erblickt werden. Die Abgabenverwaltung erhebe auch bei anderen gemeinnützigen Rechtsträgern Grunderwerbsteuer. Es sei nicht einmal behauptet worden, daß die Beschwerdeführerin durch die Entrichtung der Steuer in ihrem wirtschaftlichen Bestehen ernstlich gefährdet wäre.

Eine Besonderheit des Einzelfalles liege bei der Beschwerdeführerin nicht vor.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und sinngemäß auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin, die in ihrer Beschwerde im wesentlichen ihr oben dargestelltes Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt, scheint vor allem folgendes zu übersehen:

Ein Nachsichtswerber muß im Hinblick auf die der Abgabenbehörde im Falle eines - bei der Beschwerdeführerin auf Grund des § 17 Z. 4 GrEStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BAO gegebenen - Gesamtschuldverhältnisses obliegende Prüfungspflicht, ob die Nachsichtsvoraussetzungen bei allen Mitschuldnern gegeben sind oder nicht, der Abgabenbehörde gegenüber zunächst behaupten, daß die Einhebung der Abgabe auch bei den übrigen Gesamtschuldnern unbillig wäre.

Schon die im vorliegenden Fall festzustellende Unterlassung einer solchen Behauptung hat die Abweisung der Beschwerde als unbegründet zur Folge (siehe z.B. die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. September 1987, Zl. 86/16/0123, ÖStZB 4/1988, S. 126, und vom 15. Oktober 1987, Zl. 86/16/0204, ÖStZB 11/1988, S. 277, mit weiteren Hinweisen).

Zur Vermeidung von Mißverständnissen und der Vollständigkeit halber wird jedoch folgendes bemerkt:

In Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast naturgemäß beim Nachsichtswerber. Seine Sache ist es, einwandfrei und unter Ausschluß jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin insbesondere im Nachsichtsverfahren selbst jede Darstellung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse unterlassen hatte (siehe z.B. das angeführte Erkenntnis vom 15. Oktober 1987).

Der Verwaltungsgerichtshof fordert in ständiger Rechtsprechung für den Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder des Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementes, aus dem sich ein wirtschaftliches Mißverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den in jenem subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt. Daher kann eine steuerliche Auswirkung, die ausschließlich die Folge eines als generelle Norm mit umfassendem personellem Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist, nicht durch Nachsicht behoben werden (siehe z.B. das wiederholt angeführte Erkenntnis vom 15. Oktober 1987).

Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, der vorliegende Fall sei ohne ihr Verschulden zu einem besonderen geworden, dann übersieht sie nicht nur die oben erwähnte Behauptungs- und Beweislast, sondern auch folgendes:

Die Ehegatten waren nach der oben geschilderten Vereinbarung schon verpflichtet, bis längstens 20. März 1981 einen - die in Rede stehende Abgabenschuldigkeit weit übersteigenden - Betrag von S 73.690,--. zu bezahlen. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Nachsichtsantrag wurde weder dieser Betrag noch der weitere bis längstens 20. September 1981 zu bezahlende von S 70.000,-- entrichtet. Im Hinblick darauf hätte die Beschwerdeführerin jedenfalls noch innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld den Erwerbsvorgang durch Vereinbarung im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG rückgängig machen können, wonach auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt worden wäre.

Gemäß § 20 erster Satz BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, zwar in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Im Falle eines Ansuchens um Nachsicht haben die Abgabenbehörden aber zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff in dem § 236 Abs. 1 BAO "Einhebung nach der Lage des Falles als unbillig" entspricht. Verneinen sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr; demnach ist der betreffende Antrag abzuweisen (siehe z. B. das mehrmals angeführte Erkenntnis vom 15. Oktober 1987).

Die vorliegende Beschwerde ist daher durch den nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte