Normen
BAO §236 Abs2;
BAO §237;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
BAO §236 Abs2;
BAO §237;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte zunächst die Nachsicht einer gem § 33 TP 5 Abs. 1 GebG 1957 festgesetzten Rechtsgeschäftsgebühr beantragt. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Nachsichtsantrag ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 3. November 1986, Zl. 85/15/0182, als unbegründet ab. Der Gerichtshof führte im wesentlichen aus, daß ein Nachsichtswerber im Hinblick auf die der Abgabenbehörde im Falle eines abgabenrechtlichen Gesamtschuldverhältnisses obliegende Prüfungspflicht, ob die Nachsichtsvoraussetzungen bei allen Mitschuldnern gegeben sind, der Abgabenbehörde gegenüber zumindest behaupten muß, daß die Einhebung der Rechtsgeschäftsgebühr auch bei den übrigen Gesamtschuldnern unbillig wäre. Eine solche Behauptung hatte die Beschwerdeführerin nicht aufgestellt.
Am 29. Dezember 1987 beantragte die Beschwerdeführerin die Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO, wobei sie das Vorliegen von Billigkeitsgründen betreffend auf ihr Vorbringen im Nachsichtsantrag verwies.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, daß seit der Entrichtung der Abgabenschuld kein Gesamtschuldverhältnis mehr bestehe, aus dem die Beschwerdeführerin entlassen werden könne. Anders als bei einer Nachsicht nach § 236 BAO seien Maßnahmen nach § 237 BAO hinsichtlich bereits entrichteter Abgaben nicht vorgesehen und daher unzulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf "Gebührennachsicht in Form der Entlassung aus der Gesamtschuld" verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß Abs. 2 der genannten Vorschrift findet deren Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb der Frist des § 238 zulässig.
Nach § 237 Abs. 1 BAO kann auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.
Gemäß Abs. 2 der zitierten Vorschrift lebt der Abgabenanspruch gegen den bisher aus der Gesamtschuld entlassenen Schuldner (Abs. 1) wieder auf, wenn die Entlassung aus der Gesamtschuld widerrufen wird (§ 294).
Durch § 237 BAO sollte die Möglichkeit geschaffen werden, einen Schuldner aus dem Gesamtschuldverhältnis zu entlasten, also eine nur diesem gegenüber wirkende Schuldbefreiung auszusprechen, ohne daß hiedurch der Abgabenanspruch als solcher gegenüber den anderen Gesamtschuldnern erlischt, um unbilligen Härten, die sich allenfalls durch ein Gesamtschuldverhältnis ergeben könnten, zu begegnen (vgl. den Bericht des Finanz- und Budgetausschusses 456 Blg. NR IX. GP).
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, die "Entlassung aus der Gesamtschuld" sei bereits entrichtete Abgaben betreffend deshalb nicht zulässig, weil dies - anders als bei einer Nachsicht nach § 236 BAO - im Gesetz (§ 237 BAO) nicht vorgesehen sei.
Diese Rechtsauffassung der belangten Behörde steht mit Lehre und Rechtsprechung im Einklang.
In der Lehre (vgl. Reeger - Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung 787 f) wird die Auffassung vertreten, eine Entlassung aus der Gesamtschuld hinsichtlich bereits vom Antragsteller entrichteter Abgaben sei im Gegensatz zu § 236 Abs. 2 BAO im Gesetz nicht vorgesehen und somit selbst dann unzulässig, wenn die gegen diesen Gesamtschuldner geführte Vollstreckung tatsächlich unbillig gewesen wäre. Diesfalls stehe dem in Anspruch genommenen Gesamtschuldner nach Maßgabe der zivilrechtlichen Rechtslage (insbesondere der Abmachungen zwischen den Gesamtschuldnern) nur ein Regreßanspruch gegen seine Mitschuldner zu, der auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erst vor kurzem ausgesprochen, daß mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die Möglichkeit fehlt, einen Gesamtschuldner, der in dieser Eigenschaft eine Abgabe bereits entrichtet hat, gemäß § 237 BAO aus der Gesamtschuld zu entlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1990, Zl. 86/13/0130, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird).
Die Ausführungen der Beschwerde bieten keinen Anlaß, von der im zitierten Erkenntnis dargelegten Auffassung abzugehen. Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, es widerspräche dem Gebot der verfassungskonformen (im vorliegenden Fall wohl: am Gleichheitsgrundsatz orientierten) Interpretation von Gesetzen, wenn man annehmen wollte, daß zwar einem einzelnen Schuldner eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit zu erstatten sei, wenn sich die Einhebung der Abgabe im nachhinein als unbillig herausstelle, daß dies aber im Falle mehrerer Gesamtschuldner, von denen nur einer um die Entlassung aus der Gesamtschuld, sohin um die Rückerstattung der bereits entrichteten Abgabe, ansuche, unzulässig wäre.
Dabei läßt die Beschwerdeführerin folgendes außer acht:
Durch die Entlassung eines Gesamtschuldners aus der Gesamtschuld wird der Abgabenanspruch gegenüber den verbleibenden Gesamtschuldnern nicht berührt (§ 237 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Eine Entlassung aus der Gesamtschuld wirkt daher nur gegenüber dem Entlassenen. Demgegenüber hat aber die Entrichtung der Abgabe durch einen der Gesamtschuldner das Erlöschen des Abgabenanspruches gegenüber allen Gesamtschuldnern zur Folge (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1990, Zl. 86/13/0130). Letzteres entspricht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch der zivilrechtlichen Rechtslage (vgl. z.B. Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I8 290;
Mayrhofer/Ehrenzweig, Schuldrecht allgemeiner Teil 561 f). Bei diesem Unterschied im Tatsächlichen kann nicht davon gesprochen werden, daß unter Bedachtnahme auf den Gleichheitsgrundsatz eine Gesetzesanwendung geboten wäre, die Nachsichtmaßnahmen (im weiteren Sinne) bereits entrichtete Abgaben betreffend gegenüber Allein- und Gesamtschuldnern in gleicher Weise zuließe.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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