VwGH 89/13/0228

VwGH89/13/022814.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des R gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. September 1989, GZ. GA 7 - 1269/46/89, betreffend Nachsicht von Abgabenschulden, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §236 Abs1;
BAO §236 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. März 1971 schlossen der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen einen Vergleich mit der X, in welchem auf die Geltendmachung aller im Zusammenhang mit anhängig gewesenen Ausgleichs- und Konkursverfahren unter anderem gegen die X und die Republik Österreich (Organhaftung) erhobenen Ansprüche verzichtet wurde. Demgegenüber verpflichtete sich die X dem Beschwerdeführer unter anderem eine monatliche Rente von S 18.000,-- (Kündigungsrecht ab 1.1.1988) zu bezahlen. Für diesen Betrag wurde eine Wertsicherung auf Basis Lebenshaltungskostenindex 1969 vereinbart.

Im Zuge einer Betriebsprüfung wurden im Sinne des durch das Abgabenänderungsgesetz 1980 geänderten § 27 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 die auf Grund der genannten Wertsicherungsklausel bezahlten Mehrbeträge der Einkommensteuer unterworfen. Diese Vorgangsweise der Betriebsprüfung wurde vom Beschwerdeführer unbestrittenermaßen unter Rechtsmittelverzicht anerkannt.

Im Hinblick auf die in Rede stehenden Feststellungen der Betriebsprüfung wurden dem Beschwerdeführer für die Jahre 1981 bis 1984 Einkommensteuernachforderungen in Höhe von S 266.070,-- vorgeschrieben.

Mit Eingabe vom 27. April 1987 begehrte der Beschwerdeführer die Nachsicht dieses Abgabenbetrages. Begründend führte er aus, daß durch die Besteuerung der Wertsicherungsbeträge die aus dem Vergleich resultierenden privatrechtlichen Verpflichtungen der Republik Österreich wesentlich geschmälert worden seien. Außerdem sei die Restaurierung des Schlosses N, die im Interesse der Allgemeinheit liege, im Falle der Einhebung der nachgeforderten Abgabenbeträge gefährdet. Die Einhebung stelle sich daher als unbillig dar.

Gegen den Bescheid, mit welchem das Finanzamt diesen Antrag abwies, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in welcher er im wesentlichen die gleichen Argumente, wie in seinem Nachsichtsansuchen vorbrachte.

Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist dasselbe der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend im wesentlichen aus:

Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertrete, eine Unbilligkeit der Einhebung der in Rede stehenden Abgabe sei deshalb gegeben, weil durch die Besteuerung die privatrechtliche Verbindlichkeit der Republik Österreich aus dem Vergleich vom 9. März 1971 gegenüber dem Beschwerdeführer insofern geändert werde, als sich die Republik zu einem Teil der in dem Vergleich vereinbarten Verpflichtungen entziehe, indem sie durch die Besteuerung ihre aus dem Vergleich resultierende finanzielle Belastung de facto verringere, sei dem entgegenzuhalten, daß der Vergleich nicht zwischen der Republik Österreich und dem Beschwerdeführer, sondern zwischen diesem und der X abgeschlossen worden sei. Durch diesen Vergleich seien der Republik keineswegs irgendwelche zivilrechtliche Verpflichtungen erwachsen.

Die steuerliche Belastung der zwischen zwei Privatpersonen vereinbarten Wertsicherungsbeträge "stellen einen Vermögenseingriff dar, der für den gegebenen Sachverhalt durchaus typisch und vom Gesetzgeber beabsichtigt ist".

Was den Hinweis des Beschwerdeführers anlange, die Einhebung der in Rede stehenden Abgabenbeträge würde die im öffentlichen Interesse gelegene Restaurierung des Schlosses N gefährden, sei zu bemerken, daß diese Restaurierung dem Beschwerdeführer keineswegs vorgeschrieben worden sei. Es seien für diesen Zweck lediglich über Antrag Subventionen unter der Bedingung gewährt worden, die Restaurierungsarbeiten im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt durchzuführen. Die gewährten Zuschüsse von etwa zwei Drittel der betreffenden Kosten "trugen bereits dem sicherlich gegebenen öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Schlosses N Rechnung".

Im Zuge des Verwaltungsverfahrens habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß die X mit 31. Dezember 1987 ihre Zahlungen an ihn zur Gänze eingestellt habe und er daher nunmehr praktisch nicht nur vermögens- sondern auch einkommenslos sei. Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers werde seither von seiner Gattin bestritten. Diese Ausführungen des Beschwerdeführers hätten entsprechende Erhebungen des Finanzamtes bestätigt. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt sei "die Einhebung der gegenständlichen Abgaben nach der Lage des Falles als unbillig anzusehen".

Nunmehr sei daher zu prüfen, ob die Gewährung der begehrten Abgabennachsicht vorliegendenfalls zweckmäßig und billig sei.

In diesem Zusammenhang sei davon auszugehen, daß dem Beschwerdeführer die Besteuerung der Wertsicherungsbeträge spätestens bei der Schlußbesprechung am 6. Februar 1987 zur Kenntnis gebracht worden sei. Die Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1984 seien am 3. April 1987 ergangen. 1987 habe der Beschwerdeführer von der X Zahlungen von S 647.508,-- erhalten und habe außerdem noch "Einkünfte aus Vermögensverwaltung in Höhe von S 36.000,-- und aus Kapitalvermögen in Höhe von S 22.670,--" bezogen. Es wäre ihm daher ohne weiteres möglich gewesen, die Einkommensteuernachforderung auf Grund der Betriebsprüfung aus den ihm 1987 zugeflossenen Mitteln abzudecken.

Der Beschwerdeführer habe nicht nur die Nachforderung nicht entrichtet, sondern "auch gegen die im Zuge der Veranlagungen der Jahre 1985 und 1986 vorgenommene Besteuerung der in diesen Jahren zugeflossenen Wertsicherungsbeträgen Berufung erhoben", obwohl er die Besteuerung der gleichen Beträge für die Jahre 1981 bis 1984 unter Rechtsmittelverzicht anerkannt habe. Gleichzeitig mit der Berufung habe er einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

Diese Tatsachen ließen den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer sich seinen Abgabenverpflichtungen entziehen wolle bzw. gar nicht versucht habe, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen oder für die Abdeckung der Verbindlichkeiten vorzusorgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschulden auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach Lage des Falles unbillig" entspricht. Verneint sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, demnach ist der Antrag abzuweisen. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung liegt eine Ermessensüberschreitung keinesfalls darin, daß die Behörde den Erwägungen der Zweckmäßigkeit gegenüber denen der Billigkeit den Vorrang einräumt, doch müssen die Zweckmäßigkeitserwägungen mit dem Sinn des Gesetzes im Einklang stehen, d.h. die Behörde darf sich bei ihrer Entscheidung nicht von unsachlichen Erwägungen leiten lassen (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Wien 1980, Seite 583 f).

Wie sich nun aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, hat die belangte Behörde die Rechtsfrage, ob die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten unbillig ist, bejaht, womit die Voraussetzung für eine von ihr zu treffende Ermessensentscheidung gegeben erscheint. Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Gerichtshof darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmißbrauches - nicht der Fall gewesen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. November 1984, Zl. 83/13/0086, und die dort angeführte hg. Judikatur).

Als Begründung dafür, warum die belangte Behörde das ihr durch § 236 BAO eingeräumte Ermessen nicht im für den Beschwerdeführer positiven Sinn gehandhabt hat, weist sie auf den konkret nicht bestrittenen Sachverhalt hin, wonach der Beschwerdeführer einerseits die in Rede stehende Abgabennachforderung unter Rechtsmittelverzicht anerkannte und andererseits im Zeitpunkt der Fälligkeit dieses Nachforderungsbetrages über jene Mittel verfügte, welche ihn in die Lage versetzt hätten, den fraglichen Steuerbetrag entweder sofort zu entrichten oder doch wenigstens Vorsorge für die spätere Entrichtung desselben - allenfalls im Wege einer Zahlungserleichterung - zu treffen. Der Beschwerdeführer hat jedoch - wie die belangte Behörde weiter richtig ausführt - weder eine Sofortzahlung vorgenommen, noch hat er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für eine spätere Bezahlung der Steuerschulden vorgesorgt; er hat vielmehr diese Mittel ohne Rücksicht auf die von ihm anerkannte Steuernachforderung anderweitig verbraucht. Aus dieser nicht in Streit stehenden tatsächlichen Vorgangsweise des Beschwerdeführers schließt die belangte Behörde, daß dieser nicht einmal versuchte, seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, sondern sich vielmehr seinen Abgabenverpflichtungen entziehen wollte.

Diese von der belangten Behörde angestellten, sich auf das im gegebenen Zusammenhang geübte Verhalten des Beschwerdeführers beziehenden Erwägungen, auf welche sie die Versagung der beantragten Nachsicht stützt, stellen sich nach Ansicht des Gerichtshofes als durchaus sachlicher Art dar und lassen nicht erkennen, daß die belangte Behörde ihr Ermessen willkürlich handhabte.

Das Vorbringen in der Beschwerde, mit welchem versucht wird, im Streitfall das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO darzutun, geht - worauf in der Gegenschrift sinngemäß richtig hingewiesen wird - deshalb zur Gänze ins Leere, weil, wie schon oben ausgeführt, im angefochtenen Bescheid das Vorliegen einer Unbilligkeit ohnehin bejaht wird. Hinsichtlich der von der belangten Behörde vorliegendenfalls jedoch zu Recht getroffenen Ermessensentscheidung wird in der Beschwerde wirklich Substantielles nicht vorgebracht.

Auch durch den Hinweis des Beschwerdeführers, er habe die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Restaurierung des Schlosses N verwendet, vermag er für sein vorliegendes Begehren nichts zu gewinnen; denn wenn solche Maßnahmen auch vom kulturellen Standpunkt aus zweifellos äußerst verdienstvoll sind - die öffentliche Hand hat dieselben, wie sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt, durch die Gewährung von Zuschüssen entsprechend gewürdigt - so erscheinen sie doch nicht geeignet, die Vernachlässigung der abgabenrechtlichen Pflichten durch den Beschwerdeführer zu entschuldigen.

Da der Beschwerdeführer demnach die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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