VwGH 89/11/0297

VwGH89/11/029712.6.1990

B gegen die Bezirkshauptmannschaft Gmunden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines

Normen

B-VG Art131a;
KFG 1967 §76 Abs1;
B-VG Art131a;
KFG 1967 §76 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der Gegenschrift der belangten Behörde, der Replik des Beschwerdeführers zu dieser Gegenschrift und aus den in Ablichtung vorgelegten Aktenteilen betreffend ein (mit dem gegenständlichen Vorfall im Zusammenhang stehendes) Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 ergibt sich folgender unbestrittener Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (ein Berufskraftfahrer) wurde im Zusammenhang mit seiner Heimfahrt nach einem Gasthausbesuch mit seinem Pkw am 26. November 1989 beim Gendarmeriepostenkommando Scharnstein fernmündlich angezeigt, bei dieser Fahrt stark alkoholisiert gewesen zu sein. Ein Gendarmeriebeamter hat daraufhin den Beschwerdeführer in seiner Wohnung aufgesucht und festgestellt, daß dieser stark alkoholisiert war. Einer Aufforderung zur Durchführung einer Atemluftprobe mit einem Alcomat-Gerät auf dem Gendarmerieposten kam der Beschwerdeführer nach. Das Meßergebnis betrug um 15.38 bzw.

15.40 Uhr 1,30 bzw. 1,24 mg/l. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer um 15.50 Uhr der Führerschein vorläufig abgenommen.

Gegen diese Maßnahme richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer beantragt, die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme kostenpflichtig festzustellen. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er u.a. infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Diese Annahme wird u.a. dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (vgl. das Erkenntnis vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0146, und die dort zitierte Vorjudikatur). Es ist daher für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdefall ohne Relevanz, ob der Beschwerdeführer bei seiner Heimfahrt durch Alkohol beeinträchtigt war und ob er dabei eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat oder nicht. Es hat daher auch jener als Beiblatt zur Anzeige bezeichnete Aktenvermerk des Postenkommandanten des Gendarmeriepostens Scharnstein für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedeutung, weshalb auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm werde diesbezüglich zu Unrecht die Akteneinsicht verweigert und die belangte Behörde betreibe "geheime Kabinettsjustiz", nicht weiter eingegangen zu werden braucht.

Der Beschwerdeführer begründet die Behauptung, die vorliegende Führerscheinabnahme sei rechtswidrig, damit, daß nicht zu besorgen gewesen sei, er werde in dem - von ihm für den maßgebenden Zeitpunkt nicht bestrittenen - durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Er habe seinen Pkw im Hof seines Hauses abgestellt gehabt und sei von dem Gendarmeriebeamten in seiner Wohnung angetroffen worden.

Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, der einschreitende Gendarmeriebeamte habe gewußt, daß der Beschwerdeführer Kraftfahrer sei und am nächsten Tag (einem Montag) um 6 Uhr früh einen Schulbus zu lenken gehabt hätte. Der Gendarmeriebeamte hätte davon ausgehen können, daß der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt seine Alkoholisierung nicht soweit abbauen könne, daß ihm das Lenken des Busses ohne Alkoholbeeinträchtigung möglich gewesen wäre.

Dem tritt der Beschwerdeführer in seiner Replik insofern entgegen, als er behauptet, für den nächsten Tag, den 27. November 1989, Urlaub genommen zu haben.

Der Beschwerdeführer bestreitet weder die Richtigkeit des Ergebnisses der Untersuchung seiner Atemluft noch den Umstand, daß er regelmäßig - wenn auch nicht täglich - Schulbusse lenkt. Der Gendarmeriebeamte konnte bei der gegebenen Sachlage auf Grund seines Wissensstandes tatsächlich annehmen, der Beschwerdeführer werde am nächsten Tag am frühen Morgen in beruflicher Eigenschaft ein Kraftfahrzeug zu lenken haben. Da der Beschwerdeführer nicht vorbringt, dem Gendarmeriebeamten gegenüber ausdrücklich behauptet zu haben, am nächsten Tag keine derartige berufliche Verpflichtung zu haben, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, was eine solche Behauptung zur Folge gehabt hätte, insbesondere ob sie die - ausnahmsweise - Verpflichtung des Gendarmeriebeamten ausgelöst hätte, Erhebungen über die Richtigkeit dieser Behauptung anzustellen. Bei dieser Sachlage konnte der Gendarmeriebeamte befürchten, der Beschwerdeführer werde in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug lenken oder in Betrieb nehmen.

Auf Grund des hohen Ausmaßes der beim Beschwerdeführer festgestellten Alkoholisierung - sie betrug immerhin das Dreifache des gesetzlichen Höchstwertes - konnte der Gendarmeriebeamte auch davon ausgehen, daß diese - selbst ohne weiteren Alkoholgenuß des Beschwerdeführers - bis zum nächsten Morgen nicht soweit abgebaut sein könne, daß dann allenfalls nur mehr von einer geringen, die Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht ausschließenden Alkoholisierung gesprochen werden könnte. In diesem Zusammenhang spielt die in der Literatur z.T. strittige Frage, ob Alkoholgehalt der Atemluft und Blutalkoholgehalt auf der Basis 1:2 (0,4 mg/l : 0,8 %o) gleichgesetzt werden können und ob die allgemein anerkannten Werte betreffend den Abbau des Blutalkoholgehaltes von 0,1 bis 0,12 %o pro Stunde auch auf eine im Wege der Atemluftprobe mit Alcomat-Gerät festgestellte Alkoholisierung angewendet werden können, keine Rolle. Die vom einschreitenden Gendarmeriebeamten vor der vorläufigen Führerscheinabnahme anzustellenden Erwägungen ließen jedenfalls die genannte Annahme zu. Der Beschwerdeführer hätte auf der Basis der Umrechnung 1:2 und unter Annahme eines stündlichen Abbaues von 0,12 %o Blutalkoholgehalt am nächsten Tag um 6 Uhr immer noch einen solchen von 0,8 %o aufgewiesen. Der Beschwerdeführer hat im übrigen auch in diesem Punkt der Meinung der belangten Behörde nicht widersprochen.

Aus all dem folgt, daß am 26. November 1989 um 15.50 Uhr der einschreitende Gendarmeriebeamte davon ausgehen konnte, es bestehe die begründete Besorgnis, der Beschwerdeführer werde in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug in Betrieb nehmen und lenken. Dies rechtfertigt die angefochtene Maßnahme. Die dagegen erhobene Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte