VwGH 89/05/0184

VwGH89/05/018420.2.1990

N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 4. August 1989, Zl. R/1-V-88189 betreffend Abweisung eines Bauansuchens (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Bad Vöslau)

Normen

ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 5. Oktober 1988 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Erteilung der nachträglichen baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Schweinestalles in der Größe von 24 x 12,4 m auf dem Grundstück Nr. nn/1 des Grundbuches über die Katastralgemeinde Vöslau abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 4. August 1989 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Die Aufsichtsbehörde wies in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, daß der Amtssachverständige für Landwirtschaft, Landwirtschafts- und Umweltschutz am 10. August 1987 ein Gutachten erstattet habe, demzufolge der Beschwerdeführer in Ermangelung entsprechend großer, eigener Bewirtschaftungsflächen die Schweinehaltung vor allem mit nicht selbst erzeugten Futtermitteln, nämlich überwiegend mit zugekauftem Futter und Küchenabfällen, betreibe und somit kein Zusammenhang zwischen Grund und Boden und der Tierhaltung bestehe, wodurch der Schweinestall nach den Bestimmungen des § 19 Abs. 2 und 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) nicht erforderlich sei. Den Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach zur Prüfung der Erforderlichkeit von Gebäuden im Grünland als Grundlage das Betriebskonzept des Antragstellers heranzuziehen und daher entgegen der Ansicht der Baubehörde von einer Stückzahl von 70 bis 80 Schweinen und einem zweifachen Umtrieb auszugehen sei, entgegnete die Aufsichtsbehörde unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß es bei der Lösung der Frage, ob eine Baulichkeit für die entsprechende Nutzung erforderlich sei, auf subjektive, in der Person des Antragstellers liegende Gesichtspunkte nicht ankomme. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei daher zu prüfen, ob das eingereichte Gebäude, das bei objektiver Beurteilung ca. 135 Liegeplätze aufweise, in dieser Größe für eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes erforderlich sei. Aus dem erwähnten Gutachten des Amtssachverständigen ergebe sich schlüssig, daß dem Beschwerdeführer unter der Voraussetzung, daß auch die Wiesenflächen bewirtschaftet werden, eine Fläche von ca. 5,33 ha zur Getreideproduktion zur Verfügung stehe, was eine jährliche Getreideernte von insgesamt 21.320 kg erwarten lasse. Unter Berücksichtigung des in der Praxis üblichen 2,5fachen Umtriebes könnten im eingereichten Schweinestall auf Grund der vorhandenen Liegeplätze (ca. 135) insgesamt etwa 337 Schweine gemästet werden. Da zur Produktion eines Mastschweines ca. 240 kg Getreide benötigt würden, sei eine Getreidemenge von ca. 81.000 kg zur Fütterung dieser Schweine notwendig. Zur Produktion von 81.000 kg Getreide seien jedoch ca. 20 ha Ackerfläche nötig. Selbst wenn man nach dem Betriebskonzept des Beschwerdeführers nur von einem zweifachen Umtrieb und damit von der Mast von ca. 270 Schweinen ausgehe, würden zu deren Fütterung 64.800 kg Getreide benötigt, was wiederum eine Ackerfläche von ca. 16 ha notwendig mache. Da die dem Beschwerdeführer maximal zur Verfügung stehende Ackerfläche auf Grund ihrer zu erwartenden Getreideernte die Mast von höchstens 90 Schweinen zulasse, sei in keinem Fall das nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Verhältnis zwischen der Größe der landwirtschaftlich zu nutzenden Fläche und der geplanten Baulichkeit gegeben, weshalb der gegenständliche Schweinestall nach den Bestimmungen des § 19 Abs. 2 und 4 ROG nicht erforderlich sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hat um die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für einen Schweinestall angesucht, welcher auf einer Liegenschaft mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft errichtet worden ist.

Gemäß § 19 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) sind nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse für Flächen, die für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für familieneigene Wohnbedürfnisse der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, für Grüngürtel, für Schutzhäuser, für im Grünland erhaltenswerte Bauten, für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien, für Gärtnereien und Kleingärten, für Sportstätten, für Friedhöfe und Parkanlagen, für Campingplätze, für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Aus Abs. 4 dieser Gesetzesstelle ergibt sich, daß im Grünland Neu-, Zu- und Umbauten nur vorgesehen werden dürfen, wenn sie für eine Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte - in offensichtlicher Übereinstimmung mit den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - davon aus, daß die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Schweinemast als eine auf einer Liegenschaft mit der Grünlandwidmung zulässige landwirtschaftliche Nutzung im Sinne des § 19 Abs. 2 leg. cit. zu qualifizieren ist, und folgt der Auffassung der belangten Behörde, daß im Hinblick auf die Regelung des § 19 Abs. 4 leg. cit. zu prüfen war, ob das - bereits errichtete - Gebäude des Beschwerdeführers in dieser Größe für die geplante Schweinemast benötigt wird.

Der Gerichtshof kann sich allerdings der in der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides vertretenen Ansicht der belangten Behörde nicht anschließen, daß der Schweinestall in der vorhandenen Größe deshalb als nicht erforderlich im Sinne der letztgenannten Bestimmung anzusehen ist, weil die dem Beschwerdeführer "maximal zur Verfügung stehende Ackerfläche auf Grund ihrer zu erwartenden Getreideernte die Mast von höchstens 90 Schweinen zuläßt" und daher das nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes "geforderte Verhältnis zwischen der Größe der landwirtschaftlich zu nutzenden Fläche und der der geplanten Baulichkeit" nicht gegeben ist. Der Gerichtshof hat zwar derartige Erwägungen etwa in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 1981, Zl. 05/2688/80, für notwendig erachtet, in welchem erörtert worden ist, ob ein geplantes Gebäude für einen Buschenschankbetrieb angesichts der dem Bauwerber für die Weinbaunutzung zur Verfügung stehenden Grundflächen in dieser Größe als im Sinne des § 19 Abs. 4 leg. cit. erforderlich zu beurteilen ist, doch folgt daraus nicht, daß derartige Kriterien für den im Beschwerdefall beabsichtigten Schweinemastbetrieb maßgebend sind, weil für die vom Gesetzgeber statuierte Erforderlichkeit, wie schon erwähnt, allein entscheidend ist, ob dieses Gebäude in der geplanten Größe für eine Schweinemast in dem vom Beschwerdeführer beabsichtigten Ausmaß notwendig ist. Die zulässige Größe eines Schweinestalles hängt demnach bei der hier maßgeblichen baurechtlichen Beurteilung nicht davon ab, ob der Bauwerber in der Lage ist, allein oder überwiegend mit Hilfe der auf den betriebszugehörigen Liegenschaften gewonnenen Futtermittel die Schweinemast zu bewerkstelligen, sondern davon, ob zur Verwirklichung des Betriebskonzeptes des Bauwerbers ein Gebäude der geplanten Dimension erforderlich ist.

Der Amtssachverständige für Landwirtschaft, Landwirtschafts- und Umweltschutz hat nun diese Frage, wie schon bei der Wiedergabe der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt worden ist, zusammengefaßt im wesentlichen mit der Feststellung verneint, daß in dem in Rede stehenden Schweinestall auf Grund der vorhandenen Liegeflächen ca. 135, also wesentlich mehr als die vom Beschwerdeführer in seiner - für die Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit maßgebenden - Projektbeschreibung angeführten 70 bis 80 Schweine gehalten werden können. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten allerdings nicht zu erkennen gegeben, welche Berechnungen ihn zu dieser Schlußfolgerung veranlaßt haben, weshalb auch der Gerichtshof nicht nachvollziehen kann, inwieweit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß "eine schlachtreife Sau mindestens ca. 1,4 m lang ist, mindestens so viel Platz braucht, daß sie sich umdrehen kann und dazu noch Platz erforderlich ist, für die gezüchteten Ferkel, damit sie nicht von der Muttersau wegen Platzmangels erdrückt werden", unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG Bedeutung zukommt. Mit dem in der Gegenschrift gegebenen Hinweis der belangten Behörde, ein Mastschwein sei kleiner und weise weniger Gewicht auf als ein Zuchtschwein, daher benötige ein Mastschwein einen kleineren Liegeplatz (1 m2) als ein Zuchtschwein (2 bis 4 m2), kann dieser Begründungsmangel nicht beseitigt werden.

Die belangte Behörde hätte demnach entweder den Berufungsbescheid der mitbeteiligten Gemeinde wegen dieses Mangels des Gutachtens aufheben oder selbst eine entsprechende Ergänzung desselben veranlassen müssen, weshalb der angefochtene Bescheid im Hinblick auf diese Unterlassung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen mußte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz im beantragten Ausmaß gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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