Normen
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1, Abs. 3 und 4 sowie gemäß § 11 in Verbindung mit § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), keine Folge. Sie ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer sei am 30. März 1963 in Budapest geboren worden und besitze von Geburt an die ungarische Staatsangehörigkeit. In Budapest habe er in der Zeit von 1969 bis 1977 die Volksschule und anschließend das Gymnasium besucht, welches er 1981 mit Matura abgeschlossen habe. Im selben Jahr sei er aus Ungarn nach Österreich geflohen. Hier sei ihm die Eigenschaft als Konventionsflüchtling zuerkannt worden. Er habe zunächst in Innsbruck Aufenthalt genommen, dann in Wien. Seit Ende Oktober 1985 sei der Beschwerdeführer ständig in Innsbruck, polizeilich gemeldet. Er befinde sich beim Taxi- und Mietwagenunternehmer B in Innsbruck in ungekündigter Stellung, sei nicht verheiratet und habe für niemanden zu sorgen. Mit Eingabe vom 15. Februar 1989 habe der Beschwerdeführer die Verleihung der Staatsbürgerschaft beantragt.
Nach Wiedergabe des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG sowie der Absätze 3 und 4 der zitierten Gesetzesstelle betonte die belangte Behörde, daß beim Beschwerdeführer von einem vierjährigen, ununterbrochenen, ordentlichem Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich gesprochen werden könne, ebenso von einem berücksichtigungswürdigen Grund, weil er die Voraussetzungen für die Anerkennung als Konventionsflüchtling erfüllt habe und sich bereits acht Jahre lang in Österreich aufhalte. Es sei aber auch zu prüfen gewesen, ob die Persönlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG zur Republik bejahend eingestellt sei und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit befürchten lasse. Aus den Aktenunterlagen, die die Bundespolizeidirektion Innsbruck vorgelegt habe, ergebe sich, daß der Beschwerdeführer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung begangen habe. Der Beschwerdeführer habe am 6. August 1988 gegen 0.30 Uhr seinen Pkw in Rum gelenkt und dabei die B 171 benutzt. Er habe sich dabei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und sei zudem im Bereich einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h mit 95 km/h gefahren. Er habe somit die erlaubte Geschwindigkeit um 25 km/h "übertreten". Aus diesem Grund sei ihm der Führerschein abgenommen worden. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 21. September 1988 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 50/10a StVO (Übertretung der Höchstgeschwindigkeit) und wegen Übertretung des § 5/1 StVO (Alkoholisierung) zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 9.360,--, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzarreststrafe von 9 Tagen und 1 Stunde, "herangezogen" worden.
In seiner Stellungnahme vom 24. Juli 1989 habe der Beschwerdeführer im wesentlichen vorgebracht, am 5. August 1988 abends einem Freund beim Übersiedeln von Neu-Rum nach Innsbruck behilflich gewesen zu sein. Es sei ein Lkw angemietet worden, mit dem mehrere Fahrten nach Innsbruck stattgefunden hätten. Gegen Mitternacht sei der Lkw nach Innsbruck zurückgestellt worden, der Beschwerdeführer selbst sei mit seinem Pkw ebenfalls in Richtung Innsbruck gefahren. Beim Zusammenpacken der Möbelstücke und der anderen Übersiedlungsgegenstände sei "leider" auch Bier getrunken worden. Der Beschwerdeführer habe sich damit keineswegs entschuldigen wollen, daß er sein Fahrzeug in der Folge in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, habe aber erklären wollen, daß dies auf "unglückliche Umstände" zurückzuführen sei. Er habe die Verwaltungsstrafe inzwischen gezahlt und sei im übrigen seit seiner Flucht nach Österreich im Jahr 1981 nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Der Beschwerdeführer habe die Meinung vertreten, aus dieser einmaligen Entgleisung könne keine negative Einstellung gegenüber den Gesetzen der Republik Österreich abgeleitet werden.
Die belangte Behörde stellte weiters fest, daß der Beschwerdeführer gerichtlich nicht vorbestraft sei und daß gegen ihn auch kein Gerichtsverfahren anhängig sei. Dem Beschwerdeführer könnte daher nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 StbG die Staatsbürgerschaft verliehen werden, jedoch sei der Antrag vor dem Hintergrund der Verfehlungen, die dem Beschwerdeführer im Jahre 1988 angelastet worden seien, zu beurteilen. Hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung sei zu bemerken, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im allgemeinen durch deutlich sichtbare Vorschriftszeichen angezeigt sei. Der Unrechtsgehalt der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO sei nicht unerheblich, weil durch den Verstoß gegen die erwähnte Bestimmung die Möglichkeit, daß sich ein Unfall ereignen könnte, nicht auszuschließen sei und die Möglichkeit einer Unfallgefahr nur erhöht werde. Schließlich sei seit der Beanstandung des Beschwerdeführers noch nicht soviel Zeit verstrichen, um schon auf ein zukünftiges Wohlverhalten schließen zu können. Auch Personen, die sich Verstöße gegen straßenpolizeiliche Vorschriften zuschulden kommen ließen, seien von der Verleihung der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen, sofern aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit dieser Übertretungen die negative Einstellung gegenüber den zur Hintanhaltung von Gefahren für das Leben, die Gesundheit oder Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetzen in deutlicher Weise zum Ausdruck komme. Selbst wenn der Beschwerdeführer auf die unglücklichen Umstände hinweise, die zu den angelasteten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung geführt hätten, deuteten die "Verwaltungsstrafhandlungen" zumindest auf ein fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die ihm angelasteten strafbaren Handlungen auf unglückliche Umstände zurückzuführen seien, "treffe daher ins Leere" und die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände reichten daher für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich, aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar, in seinem Recht auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bietet.
Im vorliegenden Fall ist allein die Frage strittig, ob die im Jahre 1988 erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 52 Abs. 10a und des § 5 Abs. 1 StVO ein Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darstellt oder nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits in mehreren Erkenntnissen betont, daß Verstöße gegen die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienenden Schutznormen dann ein Ausschlußgrund sind, wenn aus der Art, der Schwere oder der Häufigkeit dieser Übertretungen erkennbar ist, daß der Einbürgerungswerber den zur Vermeidung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen sowie der allgemeinen Sicherheit erlassenen Gesetzen gegenüber negativ eingestellt ist (vgl. dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1987, Zl. 87/01/0141 und vom 4. März 1987, Zl. 85/01/0144, Slg. NF 12.412/A und die dort jeweils zitierte hg. Vorjudikatur).
Im vorliegenden Fall könnte das Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nur in der Art und Schwere (nicht aber der Häufigkeit) des vom Beschwerdeführer gesetzten Deliktes erblickt werden, weil der Vorfall vom 6. August 1988 unstrittigermaßen der einzige ist, den sich der Beschwerdeführer während seines schon achtjährigen Aufenthaltes in Österreich zuschulden kommen hat lassen. In diesem Zusammenhang betont die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides nur, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im allgemeinen durch deutlich sichtbare Vorschriftszeichen angezeigt sei und daß der Unrechtsgehalt der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO wegen der Erhöhung der Unfallsgefahr nicht unerheblich sei. Wie der Verwaltungsgerichtshof aber in seinem Erkenntnis vom 18. Mai 1988, Zl. 86/01/0182 ausgesprochen hat, ist es bei der gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG gebotenen Persönlichkeitsprüfung auch Aufgabe der Behörde, sich mit den NÄHEREN UMSTÄNDEN der vom Einbürgerungswerber begangenen Verstöße auseinanderzusetzen. Feststellungen darüber (etwa über den Grad der Alkoholisierung des Beschwerdeführers, das Ausmaß seines Alkoholkonsums während welcher Zeit, die am Orte der begangenen Geschwindigkeitsübertretung zur Zeit der Tat herrschenden Straßen- und Verkehrsverhältnisse etc.) fehlen aber im angefochtenen Bescheid gänzlich. Da nicht von der Hand zu weisen ist, daß sich der Beschwerdeführer, abgesehen von dem Vorfall vom 6. August 1988, bisher während des nicht unbeträchtlichen Zeitraumes von immerhin acht Jahren in Österreich wohlverhalten hat, daß er sich trotz seiner Verwaltungsstrafe als Taxilenker festgestelltermaßen in ungekündigter Stellung befindet und daß über ihn sonst nichts Nachteiliges in Erfahrung gebracht werden konnte (vgl. dazu insbesondere die Punkte 11 und 17 des bei den Verwaltungsakten befindlichen Berichtes der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Staatspolizeiliche Abteilung, vom 4. April 1989) ist nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde, wenn sie auch die oben vermißten näheren Umstände des Vorfalles vom 6. August 1988 erhoben hätte, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid mußte daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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