VwGH 89/01/0303

VwGH89/01/030317.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Mai 1989, Zl. 214.909/7-II/9/86, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste (laut eigener Angabe) am 11. September 1985 in das Bundesgebiet ein und stellte am 5. Juni 1986 Antrag auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 21. Juli 1986 gab der Beschwerdeführer an, von 1976 bis 1984 in Jugoslawien gelebt und studiert zu haben. 1977 bis 1978 sei er Präsident des legalen Vereins "Nationale Union Irakischer Studenten" gewesen, dann aber wegen seiner Weigerung, Propagandamaterial seines Heimatlandes in diesem Verein zu verwenden, "abgewählt" worden. In der Folge habe der Beschwerdeführer einer oppositionellen Gruppe innerhalb des Vereines angehört, 1979 aber jegliche Aktivität innerhalb des Vereins eingestellt. Im Jahre 1984 habe die jugoslawische Polizei bei einer beim Beschwerdeführer durchgeführten Hausdurchsuchung Bücher und Zeitschriften aus dem arabischen Raum und aus westlichen Ländern gefunden, worauf der Beschwerdeführer auf dem Luftwege nach Syrien abgeschoben worden sei. Da der Beschwerdeführer mit dem politischen System in Syrien nicht einverstanden gewesen sei, sei er im Oktober 1984 in den Iran ausgereist und habe sich dort zuerst in einem Flüchtlingslager und dann bis März 1985 bei seinem Cousin in Teheran aufgehalten. Mit einem gefälschten tunesischen Reisepaß sei der Beschwerdeführer zunächst nach Italien und dann am 12. April 1985 nach Österreich gereist. Hier sei gegen den Beschwerdeführer am 14. April 1985 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, worauf er am 17. April 1985 nach Entlassung aus der Schubhaft nach Jugoslawien zu seiner Lebensgefährtin, mit welcher er ein gemeinsames Kind habe, ausgereist sei. In Jugoslawien sei der Beschwerdeführer wegen des gegen ihn bestehenden Aufenthaltsverbotes und wegen der Fälschung eines tunesischen Reisepasses zu 22 Tagen Haft verurteilt und am 11. September 1985 unter Androhung von Waffengewalt zum illegalen Grenzübertritt nach Österreich gezwungen worden. Da dem Beschwerdeführer hinsichtlich des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes ein Vollstreckungsaufschub lediglich bis 14. September 1986 gewährt worden sei, habe er Überlegungen angestellt, wie sein weiterer Aufenthalt in Österreich geregelt werden könnte. Eine Rückkehr in den Irak sei ihm als politischem Gegner des dort herrschenden Regimes und auf Grund seiner Zugehörigkeit zu den Schiiten nicht möglich. Einer Verfolgung aus diesen Gründen sei der Beschwerdeführer bisher nicht ausgesetzt gewesen und sei er auch nicht Mitglied einer schiitischen Organisation. Er befürchte aber im Fall seiner Rückkehr in der Irak eine langjährige Haftstrafe oder sogar die Todesstrafe. Bei seiner letzten Reise in den Irak im Jahre 1979 habe der Beschwerdeführer keine Schwierigkeiten bei der Ein- oder Ausreise gehabt und sei ihm auch sein Reisepaß von der irakischen Botschaft in Belgrad laufend ohne weiteres verlängert worden. Die Einvernahme des Beschwerdeführers sei in slowenischer Sprache erfolgt, weil der Beschwerdeführer angegeben habe, diese Sprache auf Grund seines langjährigen Aufenthaltes und seines Studiums in Jugoslawien in Wort und Schrift zu beherrschen.

Mit Bescheid vom 31. Juli 1986 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling ist.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, er habe infolge seiner schlechten Deutsch- und Englischkenntnisse geglaubt, sein Asylansuchen sei bereits abgelehnt, weshalb er mit seiner Abschiebung nach Jugoslawien einverstanden gewesen sei. In den Jahren 1980 bis 1982 seien vermutlich vom irakischen Geheimdienst drei Mordanschläge gegen ihn unternommen worden, die aber auf Grund von Warnungen durch die Polizei fehlgeschlagen seien. Die Familie des Beschwerdeführers sei in regimefeindlichen Organisationen engagiert, was dazu geführt habe, daß der Vater des Beschwerdeführers vor seinem Hause "umgebracht", der Cousin des Beschwerdeführers zu 11 Jahren Haft verurteilt und der Bruder des Beschwerdeführers verhaftet worden seien. Mit der Berufung legte der Beschwerdeführer einen Beschluß des Revolutionsrates seines Heimatstaates über die Verhängung der Todesstrafe gegen Fahnenflüchtlinge vor. Er sei aus "gewissen" Gründen nicht bereit, seinen Wehrdienst abzuleisten, und verweigere insgesamt den Dienst mit der Waffe.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. I Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Die Angaben des Beschwerdeführers seien unglaubwürdig, weil sein Berufungsvorbringen von seinen Angaben vor der Behörde erster Instanz wesentlich abweiche. So habe der Beschwerdeführer angegeben, wegen des Besitzes von bei ihm am 1. April 1984 aufgefundenen Büchern von Jugoslawien nach Syrien abgeschoben worden zu sein, während er in der Berufung diese Abschiebung mit 5. Februar 1984 datiert und auf eine grundlose Verhaftung zurückgeführt habe. Das Vorbringen hinsichtlich der auf den Beschwerdeführer angeblich verübten Mordanschläge sei unglaubwürdig, weil er derart markante Ereignisse erstmals in der Berufung vorgebracht, bei der ersten Befragung aber mit keinem Wort erwähnt habe. Der Beschwerdeführer habe sich dadurch, daß er seinen Reisepaß laufend, letztmals am 23. März 1981 - dies nachdem im Dezember 1980 auf ihn ein Mordanschlag seiner Vermutung nach durch den irakischen Geheimdienst verübt wurden sei - durch die irakische Botschaft in Belgrad habe verlängern lassen, wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt. Das Vorbringen, wegen seiner Aktivitäten im Rahmen des irakischen Studentenvereines in der Zeit 1978 bis 1979 mit politischer Verfolgung rechnen zu müssen, stehe in Widerspruch dazu, daß der Beschwerdeführer anläßlich seines letzten Besuchs im Irak im Jahre 1979 weder bei der Ein- noch bei der Ausreise Schwierigkeiten gehabt habe. Die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ergebe sich auch daraus, daß der Beschwerdeführer, wären tatsächlich Eingriffe in seine Grundrechte vorgelegen, bereits im Verlauf seines mehrjährigen Aufenthaltes in Jugoslawien um Asylgewährung angesucht hätte. Daß der Beschwerdeführer entgegen seinem Berufungsvorbringen der slowenischen Sprache mächtig sei, ergebe sich aus seinem erstinstanzlichen Vorbringen und einer Überprüfung durch den Amtsdolmetsch. Vom Beschwerdeführer behauptete Mißhandlungen durch die jugoslawische Polizei hätten durch eine ärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers nicht erwiesen werden können und seien nicht weiter beachtlich, weil nur solche Verfolgungshandlungen, die von Behörden des Heimatlandes des Beschwerdeführers ausgingen, zu prüfen seien. Hinsichtlich des erst in der Berufung geltend gemachten Vorbringens, den Dienst mit der Waffe abzulehnen, ergebe sich, daß der Beschwerdeführer, der dem Geburtsjahrgang 1955 angehöre, erst im Jahre 1976, also erst längere Zeit nach dem üblichen Einrückungstermin, aus seinem Heimatland ausgereist sei, sodaß er entweder seinen Militärdienst in diesem Zeitpunkt bereits abgeleistet hätte oder wegen seines Auslandsstudiums vom Wehrdienst befreit gewesen sei. Die Befürchtung, aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, erscheine unbegründet, weil der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, keiner schiitischen Organisation anzugehören und auch bisher keiner Verfolgung aus religiösen Gründen ausgesetzt gewesen zu sein. Auch aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Teheran sei eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht ableitbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere habe es die belangte Behörde unterlassen, bei jugoslawischen Behörden Erkundigungen über die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Mordanschläge einzuholen. Auf Grund der familiären Situation des Beschwerdeführers (Verurteilung seines Cousins, Ermordung dessen Vaters, Verhaftung seines Bruders) müsse darauf geschlossen werden, daß auch gegen den Beschwerdeführer mit einer langjährigen Haftstrafe, wenn nicht sogar mit der Todesstrafe vorgegangen werde. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer einer regimefeindlichen Gruppe der irakischen Studentenunion angehört habe. Die Verlängerung seines irakischen Passes sei für den Beschwerdeführer zwingend gewesen, weil er sich ohne gültigen Reisepaß in Jugoslawien nicht hätte aufhalten können. Die Paßverlängerung könne daher nicht dahin gedeutet werden, daß sich der Beschwerdeführer damit neuerlich unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. I Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. I Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. I Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zur Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe keine Nachforschungen bei jugoslawischen Behörden über die von ihm ins Treffen geführten Mordanschläge angestellt, ist ihm entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Flüchtlings als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der Begünstigung seiner Rechtsstellung vorzubringen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299, vom 13. April 1988, Zl. 87/01/0332, und viele andere). Das Vorbringen über Mordanschläge gegen den Beschwerdeführer hat die belangte Behörde aber zu Recht unter Hinweis auf die Unwahrscheinlichkeit, daß sich der Beschwerdeführer derart gravierender, gegen seine Person gerichteter Aktivitäten erst im Berufungsverfahren habe entsinnen können, als unglaubwürdig erachtet. Den vom Beschwerdeführer in dieser Hinsicht geltend gemachten Verständigungsschwierigkeiten infolge ungenügender Kenntnisse der deutschen Sprache kommt in diesem Zusammenhang deshalb keine Bedeutung zu, weil der Beschwerdeführer unbestritten der slowenischen Sprache voll mächtig und seine Vernehmung vor der Behörde erster Instanz in dieser Sprache erfolgt ist.

Soweit der Beschwerdeführer befürchtet, wegen der religiösen bzw. politischen Aktivitäten seiner Familienangehörigen im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland so wie diese bestraft zu werden, hat die belangte Behörde dieser Argumentation zu Recht entgegengehalten, daß der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben nicht Angehöriger einer schiitischen Organisation ist, und daß er noch im Jahre 1979 unbehelligt in den Irak ein- bzw. aus diesem ausreisen konnte. Demzufolge ist dieses Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, begründete Furcht vor Verfolgung darzutun.

Der in der Beschwerde dargelegten Auffassung, es könne nicht davon gesprochen werden, daß sich der Beschwerdeführer, indem er seinen Reisepaß von der irakischen Botschaft in Belgrad habe verlängern lassen, wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe, weil er sich nur mit einem gültigen Reisepaß weiter in Jugoslawien habe aufhalten können, kann nicht gefolgt werden. Gemäß Art. I Abschnitt C Z. 1 der Genfer Konvention findet diese auf Personen, die sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt haben, keine Anwendung. Dem Beschwerdeführer wäre es, hätte er den Schutz seines Heimatlandes nicht in Anspruch nehmen wollen, während seines langjährigen Aufenthaltes in Jugoslawien offengestanden, zur Sicherung seines weiteren Aufenthaltes in diesem Land um Asylgewährung anzusuchen. Demgemäß kann nicht davon gesprochen werden, der Beschwerdeführer wäre genötigt gewesen, seinen Paß verlängern zu lassen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

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