VwGH 88/15/0029

VwGH88/15/002926.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Schubert, Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der A & B Ges.b.R. gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 1. Juli 1987, Zl. B 147-3/87, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1981 und 1982, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BAO §284 Abs1;
BAO §288 Abs1 litd;
UStG 1972 §3 Abs9;
UStG 1972 §4 Abs1;
UStG 1972 §4 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BAO §284 Abs1;
BAO §288 Abs1 litd;
UStG 1972 §3 Abs9;
UStG 1972 §4 Abs1;
UStG 1972 §4 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Umsatzsteuer für das Jahr 1981 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, betreibt u.a. einen Automatenverleih. Im Anschluß an eine bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Betriebsprüfung setzte das Finanzamt Graz-Stadt die Umsatzsteuer für die Jahre 1981 und 1982 fest, wobei es, der Ansicht des Betriebsprüfers folgend, bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage auf die erklärten Erlöse für die Freispiele jeweils einen Vervielfacher von 2,2 anwandte.

Mit den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen, mit welchen die Beschwerdeführerin ausdrücklich jeweils "den Ansatz und die Ermittlung des Gesamtbetrages der Entgelte" bekämpfte, wies sie auf die von ihr gegen die die Umsatzsteuer für die Jahre 1978 bis 1980 betreffenden Bescheide erhobenen Berufungen hin und bezog sich ausdrücklich auf die Ausführungen in diesen Berufungen. Die Beschwerdeführerin führte noch aus, es sei im wesentlichen die Frage strittig, ob die mit den Geldspielautomaten ausgeführten Spielumsätze dem Automatenverleiher oder dem Gastwirt zuzurechnen seien.

Nachdem das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung die Berufungen unter Hinweis auf das über ihre Beschwerde zwischenzeitig ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1986, Zl. 85/15/0156, als unbegründet abgewiesen hatte, beantragte die Beschwerdeführerin, die Berufungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen und eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde in nichtöffentlicher Sitzung die Berufungen als unbegründet ab. Zur Begründung stellte sie zunächst fest, daß die Beschwerdeführerin die strittigen Probleme bereits einmal an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen habe. Mit dem schon in der Berufungsvorentscheidung angeführten Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof die Argumentation der Beschwerdeführerin verworfen und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Da sich die Berufungsausführungen in dem Hinweis auf die seinerzeitigen Eingaben und Anträge der Beschwerdeführerin erschöpften, seien die Berufungen unter Bedachtnahme auf das erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes als unbegründet abzuweisen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde gegen den Berufungsbescheid mit Beschluß vom 27. November 1987 (B 771/87-3) ab und trat sie über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluß vom 9. Februar 1988 (B 771/87-5) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In dem die Ergänzung der Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG beinhaltenden Schriftsatz wird von der Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht "auf richtige Errechnung der Umsatzsteuer, vorweg der Frage, ob nicht Liebhaberei vorliegt und verneinendenfalls zur Höhe ein ordnungsgemäßes Berufungsverfahren, insbesondere auf eine ordnungsgemäß begründete Berufungsentscheidung, vor allem was die von uns relevierte Umsatzsteuerfreiheit des sogenannten Freispiels anlangt, gegebenenfalls auf Anwendung des richtigen Vervielfachers, weiters im Recht auf eine mündliche Berufungsverhandlung" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet sich in erster Linie gegen die Einbeziehung der sogenannten "Freispiele" in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. Die Beschwerdeführerin stützt sich hiebei auf ihre Ausführungen in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und macht diese "als einfach gesetzliche Argumente" geltend. Unter Hinweis darauf, daß ihr "die jüngste höchstgerichtliche Judikatur zum Freispiel durchaus bekannt" sei, führt die Beschwerdeführerin aus, sie habe neue Gesichtspunkte vorgebracht und ersuche deshalb den Gerichtshof um Überprüfung ihrer Argumente, insbesondere auch in der Richtung, ob sich der Gerichtshof nicht veranlaßt sehe, wegen verfassungsrechtlicher Bedenken an den Verfassungsgerichtshof antragstellend im Sinne des Art. 140 B-VG heranzutreten.

Wie die Beschwerdeführerin bereits in ihrer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde ausgeführt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. November 1986, Zl. 85/15/0270, Slg. Nr. 6166/F, und in der Folge noch in einer Reihe von Erkenntnissen (siehe die Erkenntnisse vom 3. November 1986, Zlen. 84/15/0122, 85/15/0121 und 85/15/0346, und vom 1. Dezember 1986, Zlen. 85/15/0271 und 85/15/0156, wobei zu betonen ist, daß das letztgenannte Erkenntnis die Beschwerdeführerin betroffen hat), zur Frage der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Einspielergebnissen aus Spielautomaten ausgehend von dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1980, Zl. 2080/79, Slg. Nr. 5465/F, unter Einbeziehung der zum Teil in der Literatur an diesem Erkenntnis geübten Kritik im wesentlichen ausgesprochen, daß der geldwerte, auch in anderer Weise (zur Konsumation) verwendbare Gewinnanspruch des Spielers Entgelt für den neuerlichen Spielabschluß (Umsatz) des Spielers ist.

An diesem Grundsatz hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seiner folgenden Rechtsprechung festgehalten (siehe u.a. die Erkenntnisse vom 18. November 1987, Zl. 86/13/0204, vom 11. Jänner 1988, Zl. 87/15/0102, vom 17. Februar 1988, Zl. 87/13/0029, vom 21. September 1988, Zl. 87/13/0218, vom 14. Juni 1989, Zl. 85/13/0061, vom 10. Juli 1989, Zl. 88/15/0021, und das zuletzt ergangene Erkenntnis vom 11. September 1989, Zl. 88/15/0165). In einigen dieser Erkenntnisse hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch mit von den jeweiligen Parteien vorgebrachten neuen Argumenten, die sich weitgehend mit weiterer in der Literatur geübter Kritik an dieser Rechtsprechung deckten, auseinandergesetzt (vgl. insbesondere die Erkenntnisse vom 11. Jänner 1988, Zl. 87/15/0102, und vom 11. September 1989, Zl. 88/15/0165).

Der Verwaltungsgerichtshof findet mangels wesentlicher neuer Argumente in der vorliegenden Beschwerde keinen Anlaß, von seiner vorstehend angeführten Rechtsauffassung abzugehen. Auch der Hinweis der Beschwerde vor allem auf Heidinger, "Verwaltungsgerichtshof: Vervielfacher für Freispiele bleibt", SWK 1987, A II, S. 3 f, und Vereinfachungsvorschläge zur USt, FinJourn 1988, S. 46 f, und auf Lechner, "Nochmals zur Umsatzsteuer für Glückspielautomaten", ZBl. 1987, S. 49 f, sowie Beiser, Das "Freispiel-Erkenntnis des VwGH - Die Qual der Wahl", ÖStZ 1988, S. 75 f, vermag den Verwaltungsgerichtshof nicht zur Aufgabe seines Rechtsstandpunktes zu bewegen, weil die zitierten Belegstellen im wesentlichen lediglich eine Wiederholung der bereits in früherer Literatur geübten Kritik an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Auslegung des § 4 Abs. 5 UStG 1972 in der nunmehr geltenden und auch für die vorliegenden Jahre maßgebenden Fassung darstellen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird die Beschwerdeführerin mit ihren diesbezüglichen Beschwerdeausführungen auf die Entscheidungsgründe des über ihre Beschwerde, die dieselbe Rechtsfrage betroffen hat, ergangenen Erkenntnisses und der zuletzt angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Auch die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang nochmals vorgetragenen verfassungsrechtlichen Argumente im Zusammenhang mit der unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Behandlung von Spielbanken und Privaten und der Möglichkeit, daß (im Hinblick auf die im vorliegenden Fall noch nicht anzuwendende Neufassung des § 2 Abs. 5 UStG 1972) die Beibehaltung der Umsatzsteuerpflicht für die Freispiele dazu führen könnte, daß Liebhaberei vorliege, was zum Wegfall der Umsatzsteuerpflicht führe, hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Ablehnungsbeschluß unter Hinweis auf seine Judikatur geantwortet. Da die Beschwerdeausführungen bei dem dafür zuständigen Verfassungsgerichtshof offensichtlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken ausgelöst haben, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, seinerseits beim Verfassungsgerichtshof einen Prüfungsantrag im von der Beschwerdeführerin gewünschten Sinn zu stellen.

Die Verfahrensrüge ist nur zum Teil berechtigt. Nicht zu folgen vermag der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin, wenn sie als Begründungsmangel geltend macht, daß die belangte Behörde anstelle einer eigenen Begründung die Beschwerdeführerin auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen hat. Da das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes über eine von der Beschwerdeführerin wegen derselben Rechtsfrage erhobene Beschwerde ergangen ist, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß der belangten Behörde ein Begründungsmangel anzulasten ist.

Der Beschwerde ist jedoch beizupflichten, daß ein Verfahrensmangel gegeben ist, wenn trotz eines rechtzeitig gestellten Antrages auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, eine solche nicht durchgeführt wird. Dieser Verfahrensmangel kann jedoch nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn er wesentlich ist, d.h. wenn die Behörde bei Vermeidung des Fehlers zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können. Das ist im vorliegenden Fall nur hinsichtlich einer im gesamten Verwaltungsverfahren nicht erörterten Frage der Fall. Von der Beschwerdeführerin wurde, wie sie erstmals in ihrer Beschwerde vorbringt, mit der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1981 eine "Wertberichtigung für uneinbringliche Forderungen" im Betrag von S 36.000,-- geltend gemacht und vom Gesamtumsatz in Abzug gebracht. Dies wurde vom Betriebsprüfer und diesem folgend vom Finanzamt in dem Bescheid, mit dem die Umsatzsteuer für das Jahr 1981 festgesetzt worden ist, ohne jedwede Erwähnung übergangen. Wenngleich dieser Umstand in der Berufung nicht ausdrücklich erwähnt worden ist, kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Beschwerdeführerin ein entsprechendes Vorbringen in der von ihr beantragten mündlichen Berufungsverhandlung erstattet hätte. Soweit der angefochtene Bescheid die von der Beschwerdeführerin zu entrichtende Umsatzsteuer für das Jahr 1981 betrifft, erweist sich daher der aufgezeigte Verfahrensmangel als wesentlich.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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