VwGH 89/01/0109

VwGH89/01/010913.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des WM in W, vertreten durch Dr. Robert Amhof, Rechtsanwalt in Wien VI, Linke Wienzeile 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Februar 1989, Zl. SD 809/88, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1986 §18;
WaffG 1986 §18;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 6. Oktober 1988 die Ausstellung eines Waffenpasses und begründete den Bedarf dafür mit "zahlreichen Nächtigungen im Wohnwagen auf Autobahnparkplätzen und Campingplätzen ohne Bewachung" zu seinem und zum Schutz seiner Familie sowie als Sicherheitswachebeamter in Zivil bei eventuellen Kontakten mit kriminellen Elementen. Ergänzend brachte er vor, es sei wohl richtig, dass er seit 1. Dezember 1979 im Innendienst beschäftigt sei, jedoch habe er vorher seit 1. November 1974 seinen Dienst als Sicherheitswachebeamter im Wachzimmer Wien 15, Xgasse, versehen. Er sei noch immer bei "übel beleumundeten Personen", die ihn aus seiner dienstlichen Tätigkeit gekannt hätten, in Erinnerung. Einige jener "übel beleumundeten" Personen hätten ihn im Zuge seiner dienstlichen Tätigkeit bedroht und es sei nicht sicher, ob eine dieser Personen seine Drohung noch wahr machen könnte. Auch komme er als Beamter des Innendienstes nach verschiedenen dienstlichen Tätigkeiten in Uniform nach Hause und werde so immer wieder als Sicherheitswachebeamter erkannt. "Übel beleumundeten Personen" sei es gleichgültig, ob der Beschwerdeführer Außen- oder Innendienst versehe. Die Zentren seiner Lebensinteressen lägen direkt in seinem ehemaligen Dienstbereich, wo er als Sicherheitswachebeamter auch in Zivil bekannt sei und mit "übel beleumundeten Personen konfrontiert" werde. Wenn vor seinem Wohnhaus oder in unmittelbarer Umgebung eine Demonstration stattfinde und er - auch in Zivilkleidung - von Demonstranten als Polizeibeamter erkannt würde, stelle dies eine erhebliche Gefahr dar, der nicht jedermann ausgesetzt sei. Auch dürfe nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer auch öffentliche Verkehrsmittel zu Zeiten benütze, wo "normale Staatsbürger" noch zu Haus seien und "mit diversen Amtshandlungen konfrontiert werde", anlässlich welcher er sich ohne Bewaffnung "in Dienst stellen" solle. Ab 1. Jänner 1989 müsse der Beschwerdeführer die ihm zugeteilten ungefähr vier Bereitschaftstouren Überwachungsdienst selbst ausführen und werde dabei noch mehr mit übel beleumundeten Personen konfrontiert.

Die Bundespolizeidirektion Wien wies mit Bescheid vom 16. November 1988 den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 17 Abs. 2 des Waffengesetzes 1986, BGBl. Nr. 443 (WaffG) ab, weil es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei einen Bedarf im Sinn des § 18 WaffG glaubhaft zu machen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend führte sie im wesentlichen aus, ein Bedarf im Sinn des § 18 WaffG sei dann als gegeben anzusehen, wenn glaubhaft gemacht werde, dass der Antragsteller außerhalb von Wohn- und Betriebsräumen oder eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt sei, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Von besonderen Gefahren könne allerdings nur gesprochen werden, wenn sie das Ausmaß der für jedermann bestehenden Gefahren erheblich überstiegen. Dabei sei aber kein übertrieben strenger Maßstab anzulegen, doch müsse für die Annahme eines Bedarfs zum Führen von Faustfeuerwaffen das Vorhandensein einer Gefahrenlage gefordert werden, die sich vom Sicherheitsrisiko, dem jedermann außerhalb seines Wohn- und Betriebsbereiches oder seiner eingefriedeten Liegenschaft ausgesetzt sei, deutlich erkennbar abhebe. Zu den allgemein für jedermann bestehenden Gefahren müssten besondere Umstände hinzutreten, die das Ausmaß der allgemeinen Gefahren erheblich überstiegen. Gefahren durchschnittlichen Ausmaßes reichten für die Annahme eines Bedarfes nicht aus. Die Tätigkeit eines Exekutivbeamten, der im Außendienst mit "kriminellen Elementen" in Kontakt komme und gegen sie einschreiten müsse, rufe wohl Gefahren hervor, die das durchschnittliche Ausmaß erheblich übersteigen könnten und die auch außerhalb der Dienstzeit und auch noch eine gewisse Zeit nach Beendigung der Außendiensttätigkeit fortwirken könnten. Von relevanten Gefahren, die einen Bedarf begründen würden, könne keinesfalls mehr gesprochen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - seit der Beendigung jeglicher Außendiensttätigkeit neun Jahre verstrichen seien, "dies umso mehr, wenn es seit damals wegen der seinerzeitigen Tätigkeit zu keinen ernsthaften konkreten Zwischenfällen gekommen sei". Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in der Öffentlichkeit als Polizeibeamter erkannt werden könnte oder erkannt werde, begründe keine besonderen Gefahren. Auch die Benützung unbewachter Parkplätze während der Freizeit zum Campieren rechtfertige nicht die Annahme besonderer Gefahren im Sinne des Gesetzes. Die Ankündigung des Beschwerdeführers, er werde künftig regelmäßig exekutiven Außendienst leisten, vermöge noch keine besonderen Gefahren begründen. Von regelmäßigen Außendiensten, zu welchen der Beschwerdeführer kommandiert werde, könne nicht die Rede sein, wenn er seither erst einen solchen Dienst (Einsatz bei der Opernball-Demonstration) versehen habe. Dass der Einsatz bei dieser Demonstration eine konkrete Gefahr für den Beschwerdeführer heraufbeschworen hätte, habe er nicht behauptet. Zur Handhabung des Ermessens berief sich die belangte Behörde auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und führte ergänzend aus, die vom Beschwerdeführer genannten Gründe erreichten bei weitem keinen Bedarf, so daß eine positive Ermessensentscheidung nicht in Erwägung gezogen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einer verlässlichen Person, die das 21. Lebensjahr vollendet hat, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und einen Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen nachweist, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verlässliche Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde; ebenso die Ausstellung an Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, soweit diese den Nachweis des beruflichen Bedarfes erbringen.

Gemäß § 18 WaffG ist ein Bedarf im Sinne des Gesetzes insbesondere dann als gegeben anzunehmen, wenn eine Person glaubhaft macht, dass sie außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder ihrer eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann. Dieser Umschreibung des Bedarfsbegriffes ist - worauf der Verwaltungsgerichtshof schon in einer Vielzahl von Erkenntnissen hingewiesen hat - zu entnehmen, dass vom Vorliegen besonderer Gefahren nur dann die Rede sein kann, wenn die Gefahren das Ausmaß der für jedermann bestehenden Gefahren erheblich übersteigen. Wenngleich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Beurteilung der Erheblichkeit in diesem Zusammenhang auch kein übertrieben strenger Maßstab anzulegen ist, so muss für die Annahme eines Bedarfes zum Führen von Faustfeuerwaffen als Voraussetzung für den Anspruch auf Ausstellung eines Waffenpasses immerhin das Vorhandensein einer Gefahrenlage gefordert werden, die sich von dem Sicherheitsrisiko, dem jedermann namentlich außerhalb seines Wohn- oder Betriebsbereiches oder seiner eingefriedeten Liegenschaften ausgesetzt ist, deutlich erkennbar abhebt. Zudem setzt die Bejahung der Bedarfsfrage auch voraus, dass die Gefahr eine solche ist, welcher unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände am zweckmäßigsten mit Waffengewalt, das heißt mit dem Einsatz von Faustfeuerwaffen wirksam begegnet werden kann (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1977, Zl. 398/77, 22. Oktober 1986, Zl. 85/01/0197, und vom 23. November 1988, Zl. 88/01/0201).

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer als Sicherheitswachebeamter in der Zeit vom 1. Dezember 1979 bis 1. Jänner 1989 im Innendienst beschäftigt war. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er müsse ab 1. Jänner 1989 wieder exekutiven Außendienst in Form von Überwachungsdiensten versehen, ist die belangte Behörde mit der Begründung des angefochtenen Bescheides nur damit entgegengetreten, er sei seit 1. Jänner 1989 erst einmal zu einem solchen Dienst, dem Einsatz bei der Opernball-Demonstration, kommandiert worden. Die weitere Ausführung, der Beschwerdeführer hätte nicht behauptet, der Einsatz bei dieser Demonstration habe eine konkrete Gefahr für ihn heraufbeschworen, vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen, weil dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren keine Möglichkeit gegeben wurde, dazu Stellung zu nehmen. Damit hat die belangte Behörde den fundamentalen Grundsatz des Verwaltungsverfahrens verletzt, dem Antragsteller das Parteiengehör zu den für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltsannahmen zu gewähren. Dieser Verfahrensmangel ist aber auch wesentlich, weil die belangte Behörde ausdrücklich anerkannt hat, dass die Tätigkeit eines Exekutivbeamten im Außendienst Gefahren hervorrufe, die das durchschnittliche Ausmaß erheblich übersteigen können und auch außerhalb der Dienstzeit und auch noch eine gewisse Zeit nach Beendigung der Außendienstzeit fortwirkten. Dass diese Gefahren aber nicht mehr bestünden, wenn sich die Tätigkeit des Exekutivbeamten auf unregelmäßige Einsätze im Außendienst beschränke, hat die belangte Behörde nicht schlüssig begründet.

Der Beschwerdeführer rügt aber auch zu Recht, dass sich die belangte Behörde mit seinem Vorbringen nicht auseinander gesetzt hat, er sei auch als grundsätzlich dem Innendienst zugeteilter Polizeibeamter verpflichtet, sich im Bedarfsfall "in Dienst zu stellen".

Der angefochtene Bescheid musste daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 13. Dezember 1989

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