VwGH 88/18/0363

VwGH88/18/036315.12.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsidentin Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Dr. AS, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 22. September 1988, Zl. MA 70-9/1213/87/Str, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 13. Jänner 1989, Zl. MA 70- 11/53/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs7;
StVO 1960 §55 Abs8 idF 1986/105;
B-VG Art140 Abs7;
StVO 1960 §55 Abs8 idF 1986/105;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen

Begründung

Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 22. September 1988 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 13. Jänner 1989 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug für schuldig erkannt, er habe am 27. März 1987 um 7.30 Uhr in Wien 1, Opernring gegenüber Nr. 5 (Nebenfahrbahn) einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw mit drei Rädern auf einer Sperrfläche zum Halten abgestellt. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 24 Abs. 1 lit. m der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; nach der erstgenannten Gesetzesstelle wurde eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 30 Stunden) verhängt. In der Begründung des Berufungsbescheides wurde unter anderem ausgeführt, nach der Anzeige und nach der Zeugenaussage des Meldungslegers sei die Sperrfläche zur Tatzeit gut sichtbar gewesen. Der Meldungsleger habe auch eine Skizze angefertigt. Die Berufungsbehörde folge diesen Angaben des Meldungslegers. Das Haus Opernringhof habe die Ordnungsnummern 1, 3 und 5, das Fahrzeug des Beschwerdeführers sei gegenüber der ONr. 5 auf der Nebenfahrbahn, die sich nicht nur vor dem Opernringhof erstrecke, abgestellt gewesen. Einer verordnungsmäßigen Grundlage habe die Bodenmarkierung seit dem 1. Mai 1986 nicht mehr bedurft. Die Beweisanträge des Beschwerdeführers seien aus näher dargelegten Gründen abzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde zu einer Äußerung dahin aufgefordert, ob der gegenständlichen Sperrfläche eine vor dem 1. Mai 1986 erlassene und kundgemachte Verordnung zugrundegelegen sei oder ob die Sperrfläche im zeitlichen Geltungsbereich der erwähnten 13. Novelle zur StVO als straßenbauliche Einrichtung im Sinne des § 55 Abs. 8 StVO in der genannten Fassung angebracht worden sei. Die belangte Behörde hat sich am 2. Mai 1989 dahin geäußert, dass dieser Sperrfläche keine vor dem 1. Mai 1986 erlassene und kundgemachte Verordnung zugrundegelegen sei. Die Sperrfläche sei aber auch nicht im zeitlichen Geltungsbereich der 13. StVO-Novelle als straßenbauliche Einrichtung angebracht worden. Aus dem weiteren Inhalt der Äußerung der belangten Behörde geht hervor, dass die Sperrfläche vor dem 1. Mai 1986, aber ohne Rechtsgrundlage in einer erlassenen und kundgemachten Verordnung, angebracht worden war.

Mit Beschluss vom 26. Mai 1989 stellte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, § 55 Abs. 8 der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung der 13. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 105/1986, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 28. September 1989, Zl. G 52/89 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof die genannte Gesetzesstelle als verfassungswidrig auf. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1990 in Wirksamkeit. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der vorliegende Fall ein Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist, war die aufgehobene Gesetzesstelle trotz der Fristsetzung durch den Verfassungsgerichtshof auf diesen Fall nicht anzuwenden, das bedeutet, es ist diesbezüglich von den rechtlichen Gegebenheiten vor der 13. Novelle zur Straßenverkehrsordnung auszugehen. Nun steht auf Grund der Äußerung der belangten Behörde vom 2. Mai 1989 fest, dass der Sperrfläche keine vor dem 1. Mai 1986 erlassene und kundgemachte Verordnung zugrundelag. Die Sperrfläche wurde vor dem 1. Mai 1986, aber ohne Rechtsgrundlage in einer erlassenen und kundgemachten Verordnung, angebracht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor der 13. Novelle zur Straßenverkehrsordnung (z.B. Erkenntnis vom 10. Februar 1982, Slg. N.F. Nr. 10649/A, vom 19. Februar 1986, Zl. 85/18/0306) liegt dann, wenn einer angebrachten Sperrfläche keine derartige Verordnung zugrundeliegt, in der Nichtbeachtung dieser Sperrfläche kein strafbarer Tatbestand.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war deshalb abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.

Wien, am 15. Dezember 1989

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