VwGH 88/16/0022

VwGH88/16/00227.9.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der IK in W, vertreten durch Dr. Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien IX, Schwarzspanierstraße 15/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. November 1987, Zl. GA 11-2099/87, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §143 Abs1;
ABGB §672;
ABGB §938;
ABGB §984;
ErbStG §3 Abs1 Z1;
ErbStG §3 Abs1 Z2;
KVG 1934 §2 Z3 litb;
VwRallg;
ABGB §143 Abs1;
ABGB §672;
ABGB §938;
ABGB §984;
ErbStG §3 Abs1 Z1;
ErbStG §3 Abs1 Z2;
KVG 1934 §2 Z3 litb;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage hatte die Beschwerdeführerin ihrer Mutter vor dem 1. Jänner 1983 ein unverzinsliches Darlehen von S 700.000,-

- und vor dem 1. Jänner 1984 ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von S 1,750.000,-- gewährt, und zwar für die Tilgung von Schulden an die Sozialversicherung für einen "ehemaligen Betrieb", für Krankenhauskosten, Steuerberatungs- und Anwaltshonorare sowie für Steuerzahlungen.

Mit Bescheid vom 11. Mai 1987 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber der Beschwerdeführerin für freigebige Zuwendungen an ihre Mutter Schenkungssteuer in Höhe von S 60.007,-- fest, weil das "unentgeltliche Zurverfügungstellen des Darlehens" eine freigebige Zuwendung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG darstelle.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie habe die Darlehen an ihre Mutter auf Grund ihrer (der Mutter) vollkommenen Vermögens- und Einkommenslosigkeit gewährt. Aus der Bestimmung des § 143 ABGB ergebe sich, daß die Gewährung eines zinsenlosen Darlehens an ihre bedürftige Mutter einer Rechtspflicht entspreche und damit keinesfalls als freigebige Zuwendung zu beurteilen sei. Darüber hinaus liege, weil die Zinsen kein gesetzlicher Bestandteil eines Darlehensvertrages seien, bei einem zinsenlos gewährten Darlehen kein Anspruchsverzicht vor, durch den eine Bereicherung des Darlehensnehmers auf Kosten des Darlehensgebers entstehen könne.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Berufung als unbegründet ab. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne auch eine unentgeltliche Überlassung des Gebrauches einer Sache der Schenkungssteuer unterliegen. Das Entgelt für die Hingabe eines Darlehens unter Personen, die keine wirtschaftliche Unternehmerbeziehungen zueinander unterhielten, bestehe im allgemeinen zumeist in einer Wertsicherung, meistens auch in der Verzinsung, obwohl es vom Gesetz nicht verlangt werde. Die Beschwerdeführerin habe nicht nur auf Zinsgewinne verzichtet, sondern auch eine Wertminderung für sich bewußt in Kauf genommen. Sie habe daher eine Bereicherung der Darlehensnehmerin, wenn sie sie schon nicht gewollt habe, bewußt in Kauf nehmen müssen, was unter § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG subsumierbar sei. Ein Zinsenverzicht für ein gewährtes Darlehen könne nicht der Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den Eltern zugerechnet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, Schenkungssteuer nicht entrichten zu müssen, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes

  1. 1. jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes;
  2. 2. jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird;

    ...

    Nach § 938 ABGB heißt ein Vertrag, wodurch eine Sache jemandem unentgeltlich überlassen wird, eine Schenkung.

    Der wesentliche Unterschied zwischen bürgerlich-rechtlichen Schenkungen und anderen freigebigen Zuwendungen unter Lebenden bestehend darin, daß bei der Schenkung Willenseinigung zwischen Zuwendendem und Bedachtem über dessen Bereicherung, bei der freigebigen Zuwendung aber nur der einseitige Wille einer Bereicherung des Bedachten auf Seiten des Zuwendenden vorliegt. Bei der freigebigen Zuwendung ist sich der Bedachte der Bereicherung nicht bewußt; andernfalls liegt eine Schenkung in bürgerlich-rechtlichem Sinn vor. Der Begriff der freigebigen Zuwendung schließt daher den der Schenkung im Sinne des bürgerllichen Rechts ein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. Februar 1960, Slg. Nr. 2168/F, vom 11. Jänner 1977, Zl. 656/76, und vom 21. Oktober 1982, Zlen. 81/15/0059, 0060, 0061).

    Bei der bürgerlich-rechtlichen Schenkung liegt Willenseinigung zwischen Zuwendendem und Bedachtem über dessen Bereicherung vor (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 21. Oktober 1982, Zlen. 81/15/0059, 0060, 0061). Der Wille zu bereichern muß aber auch bei freigebigen Zuwendungen beim Zuwendenden vorhanden sein. Dieser Wille muß allerdings kein unbedingter sein, es genügt vielmehr, daß der Zuwendende eine Bereicherung des Empfängers der Zuwendung bejaht bzw. in Kauf nimmt, falls sich eine solche Bereicherung im Zuge der Abwicklung des Geschäftes ergibt (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 30. Juni 1988, Zl. 87/16/0026, und vom 20. April 1989, Zl. 88/16/0003, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

    Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst, daß im Beschwerdefall eine Bereicherung der Leistungsempfängerin auf Kosten der Beschwerdeführerin vorliege. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere zum Begriff der "freiwilligen Leistung" im Sinne von § 2 Z. 3 lit. b des Kaptialverkehrsteuergesetzes, könne von einem Zinsenverzicht nur dann gesprochen werden, wenn dem Gläubiger entweder auf Grund einer Vereinbarung oder auf Grund des Gesetzes ein Zinsenanspruch zugestanden sei; in den Fällen aber, in welchen zwischen den Vertragspartnern bereits vor der Darlehensgewährung Übereinstimmung darüber bestanden habe, daß das Darlehen zinsenlos gewährt werden solle, sei ein späterer Verzicht auf Zinsen schon deshalb nicht denkbar, weil es an einem Anspruch des Darlehensgebers auf Zinsen gegenüber dem Darlehensnehmer fehle (Hinweis auf die Erkenntnisse vom 24. Juni 1965, Zl. 2166/64, und vom 27. März 1980, Zl. 2620/77).

    Zutreffend hält dem die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, daß die Beschwerdeführerin hiebei in verfehlter Weise die Begriffe "freiwillige Leistung" (§ 2 Z. 3 lit. b Kapitalverkehrsteuergesetz) und "freigebige Zuwendung" (§ 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG) gleichsetzt. Als freiwillige Leistung im Sinne der zuerst genannten Bestimmung ist jede Zuwendung eines Vermögensteiles durch einen Gesellschafter an die Gesellschaft anzusehen, die ohne gesetzlichen oder vertraglichen Zwang erbracht wird (Erkenntnis vom 24. Juni 1965, Zl. 2166/64). Hingegen setzt eine freigebige Zuwendung - wie erwähnt - darüber hinaus einen Bereicherungswillen voraus, der im geschäftlichen Verkehr nicht zu vermuten ist.

    In seinem Erkenntnis vom 9. April 1962, Slg. Nr. 2624/F, hat der Verwaltungsgerichtshof dargetan, daß auch die Hingabe eines zinsenfreien Darlehens eine freigebige Zuwendung darstellen kann; denn eine entsprechende Verzinsung werde in jeder Sparkasse für Spareinlagen gewährt und auch der Darlehensnehmer müßte im Regelfalle mit der Entrichtung von Zinsen rechnen. Das Ausmaß des Verzichtes auf Zinsen, das ist also eines Verzichtes auf Kosten des Darlehensgebers bzw. das Ausmaß der Einsparung des Darlehensnehmers an Zinsen (Bereicherung) stelle regelmäßig das Ausmaß der freigebigen Zuwendung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG dar. Der vorliegende Beschwerdefall bietet keinen Anlaß, von dieser Rechtsauffassung abzugehen, wobei es - wie bereits erwähnt - nicht darauf ankommt, ob eine solche Bereicherung der Darlehensnehmerin im Beschwerdefall von deren Geschäftswillen umfaßt war oder nicht; denn auch wenn letzteres der Fall gewesen wäre und somit in diesem Umfang eine bürgerlich-rechtliche Schenkung vorläge, hätte die belangte Behörde den Bescheid nicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. das Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0019).

    Hiezu kommt noch, daß im vorliegenden Fall - anders als in jenen, die mit dem erwähnten Erkenntnis vom 9. April 1962, Slg. Nr. 2624/F, entschieden wurde - nach der Aktenlage auch keine Wertsicherung vereinbart wurde. Im Sinne des genannten Erkenntnisses könnte sich auch hieraus eine Bereicherung der Darlehensnehmerin ergeben.

    Es schadet daher auch nichts, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sich auf das einen anderen Sachverhalt (unentgeltliche Überlassung des Gebrauches einer Sache) betreffende Erkenntnis vom 14. September 1955, Zl. 2407/53 (Slg. Nr. 1226/F), berufen hat.

    Es kann auch keine Rede davon sein, daß - wie die Beschwerdeführerin meint - bei dieser Auslegung "jeder Geschäftsvorgang, der nach nicht weiter vorhersehbaren Kriterien bei wirtschaftlicher Betrachtung als unvernünftig qualifiziert, der Schenkungssteuer unterliegt". Es sind daher beim Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG nicht entstanden (vgl. hiezu auch die bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Grunderwerbsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Band III, 4. Teil, Stand Jänner 1988 Rz 7 zu § 3 ErbStG, zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).

    Die Beschwerdeführerin meint weiters, Freigebigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG sei auch dann nicht gegeben, wenn der Zuwendende zur Leistung verpflichtet gewesen sei. Die Beschwerdeführerin verweist hiezu neuerlich auf die Vorschrift des § 143 ABGB und meint, die ihr gegenüber ihrer Mutter obliegende Unterhaltspflicht erreiche bzw. übersteige den angeblichen Vermögensentgang auf Grund der mangelnden Zinsvereinbarung.

    Gemäß § 143 Abs. 1 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

    Zur Auslegung des Begriffes "Unterhalt" wird von der Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1960, Slg. Nr. 2168/F, sowie die E des OGH EvBl 1959/32 und JBl 1964, 428) die Bestimmung des § 672 ABGB herangezogen. Danach ist unter Unterhalt "Nahrung, Kleidung, Wohnung und die übrigen Bedürfnisse" zu verstehen. Zu diesen "übrigen Bedürfnissen" gehören etwa die Kosten ärztlicher Behandlung sowie für Heizung, Beleuchtung u.ä. (vgl. Weiß in Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch2, III Seite 582).

    Davon getrennt ist die Frage zu beantworten, in welcher Leistungsform - wenn die Voraussetzungen des § 143 Abs. 1 ABGB vorliegen - dieser Unterhaltsanspruch zu erfüllen ist. Daß die Eltern den Unterhalt nur in Form einer Geldrente verlangen könnten, wie die belangte Behörde meint, kann freilich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden. Zwar ist nach der Rechtsprechung der Unterhalt je nach den Umständen in Geld oder durch häusliche Verpflegung zu leisten (vgl. E. 6. zu § 143 ABGB MGA33 Seite 126). Darüber hinaus kann Unterhalt jedoch auch durch Kompensation für eine Leistung, die der Unterhaltspflichtige erbracht und für die er keine Gegenleistung erhalten hat, geleistet werden. Jede Vorgangsweise, die dem Unterhaltsberechtigten Ausgaben erspart - so etwa wie im Beschwerdefall der Verzicht auf Verzinsung eines hingegebenen Darlehens - kann also eine Form der Unterhaltsleistung gewertet werden. Eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen der Bfrin und ihrer Mutter war hiebei nicht erforderlich; es genügte, wenn ein aus dem Gesetz direkt abgeleiteter Anspruch in dieser Form befriedigt worden ist.

    Die belangte Behörde hat, ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Voraussetzungen des § 143 Abs. 1 ABGB für einen Unterhaltsanspruch der Mutter der Bfrin dieser gegenüber bestehen bzw. bestanden haben. Sie hat daher ihren Bescheid aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was zu dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

    Behauptungen darüber, ob, davon abgesehen, ein Verzicht auf Darlehenszinsen aus moralischer, sittlicher oder Anstandspflicht geboten war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0019, sowie E. 7 zu § 938 ABGB MGA33, Seite 911), wurden im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt.

    Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen. Wien, am 7. September 1989

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