Normen
ABGB §1445;
AußStrG §73;
BAO §299;
EStG 1972 §34;
ABGB §1445;
AußStrG §73;
BAO §299;
EStG 1972 §34;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die belangte Behörde hielt im angefochtenen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer für das Jahr 1987 eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von S 128.019,-- geltend gemacht habe. Bei den beantragten Aufwendungen handle es sich überwiegend um Kosten, die mit dem Tod der Schwiegermutter des Beschwerdeführers zusammenhingen. Dem Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 27. Oktober 1987 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Erbe der Schwiegermutter sei und der Nachlass aus Aktiven in Höhe von S 40.422,50 und Passiven in Höhe von S 152.226,98 bestehe. Unter den Passiven sei eine Darlehensforderung des Beschwerdeführers gegenüber der verstorbenen Schwiegermutter in Höhe von S 120.000,--
ausgewiesen. Dieser Betrag stelle die Summe der ab 1976 der Schwiegermutter leihweise - gegen Rückzahlung nach Möglichkeit - zur Verfügung gestellten Gelder dar. Eine Rückzahlung sei zeitlebens nicht erfolgt. Gemäß § 1445 ABGB komme es, wenn so oft auf was immer für eine Art das Recht mit der Verbindlichkeit in einer Person vereinigt wird, zum Erlöschen beider. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn es dem Gläubiger freistehe, eine Absonderung seiner Rechte zu verlangen (§ 802 ABGB). Von diesem Recht habe der Beschwerdeführer jedoch nicht Gebrauch gemacht. Die Darlehensforderung sei somit erloschen. Die übrigen Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Tod der Schwiegermutter gehörten gemäß § 549 ABGB zu den Verbindlichkeiten des Nachlasses und seien in erster Linie aus dem Nachlass zu bestreiten. Da Aktiva in Höhe von S 40.422,50 vorhanden seien, finde der überwiegende Teil der Verbindlichkeiten darin Deckung. Der übersteigende Teil (Totenmahl, Blumenkosten) werde weder aus tatsächlichen, noch aus rechtlichen, noch aus sittlichen Gründen aufgewendet.
Abgesehen davon könnten, wie die belangte Behörde als zweiten Aufhebungsgrund ins Treffen führt, Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen nur bei der Veranlagung des Jahres berücksichtigt werden, in dem sie auch geleistet, d.h. tatsächlich verausgabt worden seien. Für das Jahr 1987 wären sohin (durch Darlehensgewährung an die Schwiegermutter) nur Aufwendungen in Höhe von S 7.000,-- angefallen, die neben der Anschaffung einer Brille (S 3.950,--) zwar eine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1972 darstellten, jedoch, da sie die zumutbare Mehrbelastung nicht überstiegen, keine Steuerermäßigung ergäben.
Die belangte Behörde kam somit zu dem Ergebnis, dass die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung nicht anzuerkennen gewesen wäre. Der Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes für 1987, welcher der außergewöhnlichen Belastung dennoch Rechnung getragen habe, sei daher gemäß § 299 Abs. 2 BAO im Aufsichtsweg aufzuheben gewesen. Abschließend begründete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch ihre nicht in Streit stehende Ermessensübung.
Vorliegende Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch in seinen Rechten verletzt, dass der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid für 1987 durch den angefochtenen Bescheid aufgehoben und damit das Interesse des Beschwerdeführers an der Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides verletzt wurde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die belangte Behörde entnimmt dem Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 27. Oktober 1987, dass der Beschwerdeführer Erbe seiner Schwiegermutter sei und dass daher bei ihm seine Darlehensforderung gegenüber der Schwiegermutter in Höhe von S 120.000,-- gemäß § 1445 ABGB (durch confusio) erloschen wäre. Der aktenkundige Gerichtsbeschluss vom 27. Oktober 1987 weist den Beschwerdeführer jedoch nicht, wie die Beschwerde zu Recht rügt, als Erben aus. Vielmehr wurde ihm der Nachlass der Schwiegermutter auf teilweisen Abschlag der von ihm beglichenen Todfallskosten und übernommenen Erblasserschulden, darunter die Schuld der Schwiegermutter aus seiner Darlehensforderung von
S 120.000,--, an Zahlungs statt überlassen. Es kam damit zu keiner Erbeneinantwortung, sondern zu einer "Einantwortung" des Beschwerdeführers nach Gläubigerrecht ("iure crediti-Einantwortung") im Sinne des § 73 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen. Bei einer solchen Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt erlischt die Forderung des betreffenden Nachlassgläubigers jedoch nicht durch confusio. Sie wird vielmehr (nur), soweit sie im Nachlass Deckung findet, getilgt, kann aber auch mit dem ungetilgten Teil noch Befriedigung finden, wenn weiteres Nachlassvermögen hervorkommen sollte (Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen2, S 73 E 1, Köhler, das Verfahren außer Streitsachen4, E 9, Kostner, Die Überlassung an Zahlungs statt, NZ 1951 Seite 52, und Pfeifer, Der überschuldete Nachlass, NZ 1957 Seite 99). In der Gegenschrift verfolgt die belangte Behörde ihre im angefochtenen Bescheid in diesem Punkt vertretene Auffassung im übrigen nicht weiter.
2. Die belangte Behörde hätte den Bescheid des Finanzamtes jedoch zu Recht aufgehoben, wenn der zweite im angefochtenen Bescheid geltend gemachte Aufhebungsgrund zutreffen sollte. Denn der Bescheid eines Finanzamtes entspricht eben auch dann nicht dem Gesetz, wenn er sich auch nur aus einem der von der Aufsichtsbehörde ins Treffen geführten Gründe als rechtswidrig erweist.
Der zweite Aufhebungsgrund der belangten Behörde geht nun dahin, dass dem Beschwerdeführer im Streitjahr aus der Darlehensgewährung an die Schwiegermutter nur Aufwendungen in Höhe von S 7.000,-- erwachsen wären. Die restlichen Darlehensbeträge seien - so ist zu folgern - nicht im Streitjahr tatsächlich verausgabt worden. Es handle sich damit - diesen Schluss zieht dann die belangte Behörde im besonderen in der Gegenschrift - bei jenem Teil der Darlehensforderung, welcher die S 7.000,-- übersteige, um keine Belastung des laufenden Einkommens, sondern um eine keine außergewöhnliche Belastung bewirkende Vermögenseinbuße.
Dazu ist folgendes zu bemerken:
2.1 Es trifft zwar zu, dass im Regelfall eine (Geld-)Ausgabe zu einer außergewöhnlichen Belastung führt. § 34 EStG 1972 knüpft jedoch, wie der Gesetzeswortlaut mehrfach zeigt, nicht an den Begriff der Ausgabe, sondern an den der Aufwendung. Darunter sind nicht nur Ausgaben zu verstehen, sondern schlechthin der Abfluss von Gütern beim Steuerpflichtigen (vgl. Herrmann-Heuer-Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerkommentar19, § 33 EStG Anm. 33). Zu einem Abfluss von Gütern kommt es beim Steuerpflichtigen auch, wenn er eine Forderung verliert.
2.2 Der belangten Behörde ist allerdings darin beizupflichten, dass sich ein solcher Forderungsverlust in aller Regel in der Vermögenssphäre abspielen wird, insbesondere dann, wenn die Forderung vor dem Streitjahr begründet wurde. § 34 EStG 1972 setzt jedoch eine außergewöhnliche Belastung des laufenden Einkommens voraus, auf Grund derer das Einkommen (§ 2 Abs. 2 EStG 1972) des Kalenderjahres bei dessen progressiver Besteuerung gemindert werden soll (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1979, Zl. 571/78, und vom 12. April 1983, Zl. 82/14/0229).
Der Grundsatz, dass ein Verlust von in den Vorjahren begründeten Forderungen keine außergewöhnliche Belastung zu bewirken vermag, kann allerdings dann nicht gelten, wenn die ausfallende Forderung auf Darlehen beruht, die aus dem Einkommen der Vorjahre zwangsläufig hingegeben wurden, die Darlehenszuzählungen aber wegen der bei einer Darlehensgewährung eintretenden Vermögensumschichtung nicht auch in den Vorjahren als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden konnten. Dies sei, wie folgt, näher erläutert:
2.2.1 Werden Aufwendungen, die dem Grunde nach eine außergewöhnliche Belastung darstellen - z.B. Krankheitskosten - aus einem Darlehen finanziert, so wird steuerlich nicht schon die Bestreitung der Kosten aus den Darlehensmitteln, sondern erst die Darlehensrückzahlung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt; dies aus der Überlegung, dass erst die Rückzahlung eine "echte" Einkommensbelastung bedeutet (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1986, Zl. 84/13/0011). Die Schuldbegründung musste allerdings zwangsläufig erfolgen.
2.2.2 Gewährt der Steuerpflichtige selbst aus dem Einkommen eines Kalenderjahres (Vorjahres) zwangsläufig ein Darlehen (z.B., um einem Angehörigen die Finanzierung von Krankheitskosten zu ermöglichen), so wird zwar auch das Einkommen dieses Kalenderjahres durch Zahlungen belastet. Diese Zahlungen sind jedoch nicht gemäß § 34 EStG 1972 zu berücksichtigen, weil sie eine Vermögensumschichtung (durch Begründung der Darlehensforderung) bewirken.
Der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf sein Erkenntnis vom 1. März 1989, Zl. 85/13/0091. Dort sprach der Gerichtshof aus, dass es für den Steuerpflichtigen bei vorübergehenden finanziellen Engpässen naher Angehöriger durchaus nicht zwangsläufig wäre, diesen nichtrückzahlbare Geldbeträge zuzuwenden. Vielmehr wäre es in solchen Fällen durchaus üblich, dass zur Überbrückung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Darlehen (eventuell auch unverzinslich) gewährt werden. Die Hingabe solcher Darlehen stelle aber deswegen keine außergewöhnliche Belastung dar, weil sie zu einer bloßen Umschichtung führe.
Die Gewährung von Darlehen an Angehörige in Notfällen kann das Merkmal der Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit aufweisen. Trotz Leistung aus dem Einkommen des Jahres der Darlehensgewährung kommt in diesem Jahre eine außergewöhnliche Belastung wegen der Vermögensumschichtung infolge Begründung der Darlehensforderung nicht in Betracht. Es wäre jedoch ein sachlich bedenkliches Ergebnis, könnten den an sich zwangsläufigen Zahlungen auch dann nicht Rechnung getragen werden, wenn die ursprünglich tatsächlich eingetretene Vermögensumschichtung hinfällig wird, weil sich die Darlehensforderung nunmehr als uneinbringlich erweist. Eine sachgerechte Lösung gebietet es in diesem Fall, im Ausfall der zwangsläufig begründeten Forderung eine Aufwendung zu erblicken (siehe Punkt 2.1), die das Einkommen des Jahres des Ausfalls belastet.
2.2.3 Der Beschwerdeführer teilte dem Finanzamt im Verwaltungsverfahren am 20. April 1988 mit, dass er der Schwiegermutter seit dem Jahre 1976 jährlich S 12.000,-- in monatlichen Teilbeträgen darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte. Das Darlehen habe der Schwiegermutter zur teilweisen Deckung ihrer Lebensbedürfnisse gedient, da ihre Witwenpension äußerst gering gewesen sei. Eine Darlehensrückzahlung hätte entsprechend den wirtschaftlichen Möglichkeiten (laut Beschwerde im Falle einer Pensionserhöhung) vorgenommen werden sollen. Der an Zahlungs statt überlassene Nachlass deckte die Darlehensforderung dann nicht ab (siehe Punkt 1).
Ausgehend von ihrem Rechtsstandpunkt, der Vorjahre betreffende Forderungsverlust bilde keineswegs eine außergewöhnliche Belastung, setzte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit diesem Sachverhalt nicht näher auseinander. Ohne die bei einer Bescheidbehebung gemäß § 299 Abs. 2 BAO unerlässliche Klarstellung des Sachverhaltes ist aber nicht auszuschließen, dass die Darlehen der Schwiegermutter zwangsläufig gewährt wurden und der Verlust der Darlehensforderung im Sinne der Ausführungen zu Punkt 2.2 eine außergewöhnliche Belastung bildet. Es schlägt daher auch der zweite Aufhebungsgrund der belangten Behörde (siehe die Einleitung zu Punkt 2) nicht durch, sodass sie keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des von ihr aufgehobenen Bescheides des Finanzamtes darzutun vermochte.
3. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auf Art. III Abs. 2 dieser Verordnung. Bei der Kostenentscheidung war allerdings zu berücksichtigen, dass die Beschwerde nur in dreifacher und der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen waren (§ 24 Abs. 1, § 28 Abs. 5, § 29 VwGG). Der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 27. Oktober 1987 war aktenkundig und musste daher nicht beigebracht werden.
Wien, am 12. September 1989
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