Normen
GewO 1973 §360 Abs1;
GewO 1973 §360 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den 16. Bezirk - vom 1. Februar 1988 wurde die Schließung des Betriebes der Beschwerdeführerin in Wien 16, X-Straße 12, gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973 verfügt.
Einer dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 10. Oktober 1988 keine Folge und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit Strafverfügung des Magistratischen Bezirksamtes für den 16. Bezirk vom 19. November 1957 (offenbar richtig: 1987), Zl. MBA 16- 11/146/7/Str., sei AK als zur Vertretung der Beschwerdeführerin nach außen Berufener bestraft worden, weil diese Gesellschaft am 6. Oktober 1987 in Wien 16, X-Straße 12, eine den Gegenstand des Gewerbes der Konditoren bildende Tätigkeit, nämlich die Erzeugung von Krapfen und Schaumbechern, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt habe. Die Strafverfügung sei in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerdeführerin habe nach dem Bericht der Marktamtsabteilung für den 16. Bezirk vom 4. Dezember 1987 diese unbefugte Gewerbeausübung fortgesetzt und bestreite dies auch nicht. Da somit in einem Strafverfahren eine gesetzwidrige Ausübung des Gewerbes der Konditoren (Zuckerbäcker) festgestellt worden sei, die Beschwerdeführerin die unbefugte Gewerbeausübung nicht ungesäumt eingestellt habe und die Unterbindung dieser unbefugten Gewerbeausübung nur durch die Schließung des Betriebes erreicht werden könne, lägen die Voraussetzungen des § 360 Abs. 1 GewO 1973 für die Verfügung der Betriebsschließung vor. Die Beschwerdeführerin bringe in ihrer Berufung vor, es sei nicht richtig, daß sie sich nicht umgehend bemüht habe, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen. AK sei als Geschäftsführer dazu beauftragt gewesen. Er habe auch bereits die Zusage einer tauglichen Person gehabt, nach seiner Rückkehr von einer kurzfristigen Abwesenheit von Wien sei diese aber nicht mehr greifbar gewesen. Inzwischen sei ein neuer gewerberechtlicher Geschäftsführer gefunden und der Behörde namhaft gemacht worden. Es stehe daher fest, daß den Gewerberechtsvorschriften entsprechende nötige Erklärungen bei der Gewerbebehörde erbracht worden seien und inzwischen auch ein Geschäftsführer bestellt und namhaft gemacht worden sei. Für eine Betriebsschließung bestehe daher kein Grund mehr. Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin stimme mit den Tatsachen nicht überein, weil die Beschwerdeführerin am 2. März 1988 bloß das Gewerbe der Bäcker und nicht auch das im vorliegenden Fall erforderliche der Konditoren (Zuckerbäcker) angemeldet habe. Für die Ausübung des Bäckergewerbes sei ein Geschäftsführer bestellt und der Behörde namhaft gemacht worden. Im vorliegenden Fall liege der Beschwerdeführerin aber nicht die unbefugte Ausübung des Bäckergewerbes, sondern die unbefugte Ausübung des Konditorengewerbes zur Last, zumal die Erzeugung von Krapfen und Schaumbechern eindeutig in den Berechtigungsumfang dieses Gewerbes falle. Zur Ausübung des Gewerbes der Konditoren (Zuckerbäcker) sei die Beschwerdeführerin im Standort Wien 16, X-Straße 12, nicht berechtigt. Da sämtliche im Betrieb befindlichen Maschinen auch bei der Erzeugung von Krapfen und Schaumbechern verwendet würden und auch die auf das Bäckergewerbe und das Konditorengewerbe entfallenden Arbeitsabläufe nicht trennbar seien, und weil insbesondere auch sämtliche Teile des Betriebes für die Erzeugungstätigkeiten der beiden Gewerbe verwendet würden, sei es nicht möglich, bloß Teile des Betriebes zu schließen oder nur einzelne der in Betrieb stehenden Maschinen stillzulegen, sondern die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes sei nur durch die gänzliche Schließung des Betriebes möglich. Der erstbehördliche Bescheid sei daher zu Recht ergangen. Ein Zuwarten mit der Entscheidung über die Betriebsschließung sei gleichfalls nicht möglich gewesen, weil der Behörde in dieser Hinsicht ein Ermessen nicht eingeräumt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichtergehen der in Rede stehenden Verfügung über die Betriebsschließung gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973 verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, sie betreibe unter der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien registrierte Firma "K-Gesellschaft m.b.H." mit dem Sitz in Wien und der Ausübung nachstehender Gewerbe: a) Gastgewerbe in allen Betriebsformen; b) Bäcker; c) Konditoren (Zuckerbäcker) einschließlich der Kuchenbäcker und der Kanditen, Gefrorenes und Schokoladewarenerzeuger; d) Ein-, Aus- und Durchfuhr sowie Handel mit Waren aller Art und e) Beteiligung an und die Übernahme von Geschäftsführungen bei Unternehmen gleicher oder ähnlicher Branche (ausgenommen Bankgeschäfte). Auf Grund der angeführten Strafverfügung sei AK als Vertretungsbefugter der Beschwerdeführerin bestraft worden, weil sie am 6. Oktober 1987 in Wien 16, X-Straße 12, eine den Gegenstand des Gewerbes der Konditoren bildende Tätigkeit ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt habe. Gemäß § 58 AVG 1950 seien Bescheide dann, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen werde, zu begründen. Der erstbehördliche Bescheid habe in keiner Weise präzisiert, inwieweit ein Verstoß dahin gesetzt worden sei, als dem Tätigkeitsbereich der Konditoren vorbehaltene Tätigkeiten ausgeübt worden seien. Dem Erfordernis der Präzisierung der Tatwiederholung, nämlich inwieweit unbefugt das Konditorengewerbe ausgeübt worden sei, trage der erstbehördliche Bescheid keinesfalls Rechnung; die - unsubstantiierte - Wiedergabe der verba legalia erscheine nicht ausreichend. Aus dem Berufungsvorbringen abzuleiten, daß die unbefugte Gewerbeausübung bzw. deren Fortsetzung nicht bestritten werde, sei unrichtig. Mit ihrer Berufung habe sie vielmehr darzulegen versucht, daß sie sich in einer dem Gesetz konformen Art verhalten habe, und habe ein ungesetzliches Verhalten sowie auch eine unbefugte Gewerbeausübung keinesfalls zugestanden. Überdies sei die vom Verwaltungsgerichtshof zu klärende Frage, ob die Erzeugung von Krapfen und Schaumbechern in den Berechtigungsumfang des Konditorengewerbes falle, keineswegs eindeutig geklärt. Der Systematik der bezugnehmenden Gesetzesvorschriften und der Absicht des Gesetzgebers sei vielmehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, daß die Erzeugung von Krapfen jedenfalls auch durch Bäcker erfolgen könne, und daher denkbar ein Verstoß in der angeführten Richtung gar nicht vorliegen könne. Ähnliche Überlegungen gälten auch für die Erzeugung von (im übrigen nicht näher umschriebenen) Schaumbechern; selbst wenn man aber davon ausgehe, daß lediglich Krapfen auch durch Bäcker hergestellt werden dürften, während die Herstellung von Schaumbechern den Konditoren vorbehalten sei, sei sie in ihren Rechten verletzt. Der Spruch des angefochtenen Bescheides sei nämlich inhaltsleer, sodaß er nur in der Einheit mit der Begründung gelesen und verstanden werden könne. Ausgehend von der Überlegung, daß Begründung und Spruch eine untrennbare Einheit darstellten, vertrete sie unter Hinweis auf die Form und Inhaltserfordernisse von Bescheiden die Ansicht, daß der angefochtene Bescheid aus dem relevierten Grund jedenfalls der Kassation zuzuführen sein werde. In keiner Weise werde auch die behauptete Untrennbarkeit der Arbeitsabläufe begründet. Eine Trennung der im Betrieb befindlichen Maschinen bei der Erzeugung der erwähnten Produkte könne ebenso vorgenommen werden wie eine Trennung von Teilen des Betriebes für die Erzeugungstätigkeiten der beiden Gewerbe. Der zwingenden Bestimmung des § 360 GewO 1973 entsprechend hätte daher bei Schließung jedenfalls eine teilweise bzw. eine Stillegung von Maschinen völlig genügt; die angeordnete Maßnahme entspreche auch nicht dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.
Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973 in seiner im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 399/1988 hat die Behörde u. a., wenn in einem Strafverfahren das Vorliegen einer gesetzwidrigen Gewerbeausübung festgestellt worden ist und wenn der der Rechtsordnung entsprechende Zustand nicht ungesäumt hergestellt wird, mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Schließung des Betriebes oder von Teilen des Betriebes oder die Stillegung von Maschinen zu verfügen.
Aus der Bedeutung der Worte der wiedergegebenen Gesetzesstelle in ihrem Zusammenhang ergibt sich, daß unter dem der Rechtsordnung entsprechenden Zustand jene Sollordnung zu verstehen ist, deren Übertretung zuvor im Strafverfahren festgestellt worden ist. Darauf, daß als normativer Gehalt der verba legalia "der der Rechtsordnung entsprechende Zustand" (lediglich) der contrarius actus der (festgestellten) Zuwiderhandlung aufzufassen ist, weisen auch die zu seiner Herstellung zu verfügenden, im Gesetz demonstrativ aufgezählten Maßnahmen hin (vgl. hiezu u. a. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1984, Zl. 84/04/0095, und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).
Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen unbefugter Ausübung des Konditorengewerbes, betreffend die Erzeugung von Krapfen und Schaumbechern, in dem in Rede stehenden Standort bestraft wurde und daß sie ungeachtet dessen weiterhin diese Tätigkeiten gewerblich ausübe. Beide Feststellungen blieben als solche von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren unbestritten und werden in dieser Hinsicht auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.
Weiters hat die Behörde in einem Verfahren nach § 360 Abs. 1 GewO 1973 entgegen der offenbaren Meinung der Beschwerdeführerin nicht die Rechtmäßigkeit der im vorausgegangenen Strafverfahren rechtskräftig getroffenen Feststellungen einer gesetzwidrigen Gewerbeausübung zu prüfen (vgl. hiezu das vorangeführte hg. Erkenntnis vom 18. September 1984, Zl. 84/04/0095), sie hatte jedoch im Beschwerdefall im Sinne des Regelungsinhaltes des § 360 Abs. 1 GewO 1973 zu beurteilen, ob die Beschwerdeführerin etwa noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides im Sinne der obigen Darlegungen den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand hergestellt habe.
In diesem Zusammenhang wäre es aber im Hinblick auf die Bescheidfeststellung, wonach die Beschwerdeführerin am 12. März 1988 das Gewerbe der Bäcker angemeldet habe, erforderlich gewesen, die Frage zu prüfen und zu erörtern, ob bzw. inwieweit die der Beschwerdeführerin angelastete Erzeugungstätigkeit auch vom Berechtigungsumfang des Bäckergewerbes gedeckt oder ausschließlich dem Konditorengewerbe vorbehalten sei.
Für eine derartige Prüfung wäre die Bestimmung des § 29 GewO 1973 maßgebend gewesen, wonach für den Umfang der Gewerbeberechtigung der Wortlaut des Gewerbescheines (§ 340) - sofern dieser noch nicht ausgestellt worden ist, der Gewerbeanmeldung (§ 339) - im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend ist, wobei im Zweifelsfall die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen sind. Ausgehend davon ist die nicht auf die vorangeführten gesetzlichen Merkmale bedachtnehmende Darlegung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführerin falle nach wie vor die unbefugte Ausübung des Konditorengewerbes zur Last, zumal die Erzeugung von Krapfen und Schaumbechern "eindeutig" dem Berechtigungsumfang dieses Gewerbes zufalle, nicht als ausreichend anzusehen, um eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit zuzulassen. Daran vermag auch der Umstand, daß die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführte, selbst wenn die Inhaber einer Berechtigung für das Gewerbe der Bäcker auch zur Krapfenerzeugung befugt seien, könnte ihnen eine solche Befugnis doch nur im untergeordneten Umfang zustehen, keine Änderung zu bewirken, da abgesehen von der Frage des Zutreffens der dieser behördlichen Annahme Ausführungen in der Gegenschrift eine mangelhafte Bescheidbegründung nicht zu ergänzen vermögen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil "Barauslagen" im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht anfielen.
Wien, am 23. Mai 1989
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