VwGH 88/11/0031

VwGH88/11/003111.3.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des KS in W, vertreten durch Dr. Thomas Prader, Rechtsanwalt in Wien VII, Seidengasse 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres "vom 03. bzw. 30. 11. 1987", Zl. 112.540/12-III/6/87, betreffend Nichtanrechnung von Zivildienstzeiten und Unterbrechung des Zivildienstes, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §68 Abs1;
VwGG §26 Abs1 lita;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §68 Abs1;
VwGG §26 Abs1 lita;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Anlässlich einer Vorsprache des Beschwerdeführers im Bundesministerium für Inneres am 3. November 1987 wurde ihm ein Bescheid mündlich verkündet, mit dem gemäß § 15 Abs. 3 des Zivildienstgesetzes, BGBl. Nr. 679/1986, festgestellt wurde, dass näher genannte Tage in die Zeit der dem Beschwerdeführer gegenüber verfügten Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht einzurechnen seien, sowie gemäß § 19 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Z. 2 leg. cit. von Amts wegen die verfügte Leistung des ordentlichen Zivildienstes unterbrochen wurde. Der Beschwerdeführer hatte laut Niederschrift über diese Amtshandlung nach Ankündigung der Absicht des betreffenden Organwalters, einen Bescheid dieses Inhaltes zu erlassen, aber vor Verkündung dieses Bescheides die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung begehrt.

Zur Bekämpfung dieses Bescheides brachte der Beschwerdeführer am 11. November 1987 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ein. Nach Stattgebung dieses Antrages erhob der Beschwerdeführer durch den für ihn bestellten Verfahrenshilfevertreter die zur Zl. 88/11/0011 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Diese Beschwerde wurde am 21. Jänner 1988 zur Post gegeben.

Am 22. Jänner 1988 (und nicht am 20. Jänner 1988, wie der Beschwerdeführer offensichtlich irrtümlich behauptet) wurde dem Beschwerdeführer eine mit 30. November 1987 datierte schriftliche Ausfertigung des Bescheides zugestellt. Sie enthält eine Bezugnahme auf die am 3. November 1987 erfolgte mündliche Verkündung, den Hinweis, dass der Bescheid seit diesem Tag rechtskräftig sei, und einen im Vergleich zur Niederschrift vom 3. November 1987 wörtlich gleichen Spruch.

Gegen den Bescheid "vom 03. bzw. 30. 11. 1987" richtet sich die vorliegende - "aus Vorsichtsgründen" erhobene - Beschwerde.

Zunächst ist davon auszugehen, dass es sich bei dem am 3. November 1987 mündlich verkündeten Bescheid und dem mit Datum 30. November 1987 schriftlich ausgefertigten Bescheid um ein und denselben Verwaltungsakt handelt. Er ist in seinem normativen Inhalt völlig identisch. Dass die schriftliche Ausfertigung ausführlicher begründet ist, ändert daran nichts. Es ist daher auch nur eine Beschwerde gegen diesen Bescheid zulässig. Die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde hängt damit von der Zulässigkeit der zur Zl. 88/11/0011 protokollierten Beschwerde ab. Das Prozesshindernis des verbrauchten Beschwerderechtes, hier die Gerichtshängigkeit, ist nur gegeben, wenn die erste Beschwerde zulässig ist (vgl. dazu Oberndorfer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 84).

Dies ist hier der Fall. Der Bescheid wurde mit seiner mündlichen Verkündung rechtlich existent (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 1941 A/1951). Wenn auch die Beschwerdefrist gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer bloß mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung beginnt, so hindert dies nicht die Erhebung der Beschwerde bereits zwischen Verkündung und Zustellung der schriftlichen Ausfertigung.

Der Zweck der Normierung einer Beschwerdefrist liegt darin, dass ein spätester Zeitpunkt für die Einbringung der Beschwerde festgesetzt wird. Die Behörde und allfällige andere Parteien des Verwaltungsverfahrens sollen von einem bestimmten Zeitpunkt an darauf vertrauen können, dass nicht mehr mit der Bekämpfung des Bescheides durch eine (andere) Partei gerechnet zu werden braucht und, dass - abgesehen von den Möglichkeiten einer Wiederaufnahme, einer Wiedereinsetzung oder einer Aufhebung nach § 68 AVG 1950 - der Bescheid Bestand haben wird. Das entscheidende Element einer solchen Frist ist daher ihr Ende. Die ausdrückliche Regelung ihres Beginnes in § 26 Abs. 1 VwGG verfolgt lediglich den Zweck, dieses Ende, nicht aber einen frühesten Zeitpunkt für die Erhebung einer Beschwerde gegen einen - wie gesagt rechtlich existenten - Bescheid zu bestimmen. Gegen einen mündlich verkündeten letztinstanzlichen Bescheid kann daher von seiner Verkündung an Beschwerde erhoben werden. Eine andere Betrachtungsweise, dass nämlich das Begehren nach Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung die Bekämpfung des Bescheides mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vor der Zustellung ausschlösse, würde außerdem dazu führen, dass ein solcher - rechtlich existenter - Bescheid mangels Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung überhaupt nicht bekämpft werden könnte.

In diesem Zusammenhang weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass er die von Hellbling (Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I, S. 363) vertretene Auffassung, vor der Verkündung eines Bescheides könne dessen schriftliche Ausfertigung nicht begehrt werden, nicht teilt. Abgesehen davon, dass der Wortlaut des § 62 Abs. 3 AVG 1950 hiefür keinen Anhaltspunkt bietet, ist es auch - anders als bei einem Rechtsmittelverzicht - teleologisch nicht geboten, ein vor Verkündung des Bescheides geäußertes Begehren auf Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung als unwirksam anzusehen.

Der Beschwerdeführer hat mit seiner zur Zl. 88/11/0011 protokollierten Beschwerde sein Beschwerderecht in Ansehung des angefochtenen Bescheides konsumiert. Die vorliegende Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückzuweisen.

Angesichts dieser Entscheidung erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (insoferne protokolliert zu Zl. AW 88/11/0004).

Wien, am 11. März 1988

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