VwGH 88/08/0226

VwGH88/08/022613.10.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Fischer, über die Beschwerde des FS in I, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 29, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Tirol vom 30. Juni 1988, Zl. IVa-7022B, betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogenen Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §22 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §50;
ASVG;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
PG 1965 §25;
AlVG 1977 §22 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §50;
ASVG;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
PG 1965 §25;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des in der Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 3. März 1986 zu Unrecht empfangenen Arbeitslosengeldes im Betrag von S 50.049,-- verpflichtet. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer vom 6. August 1985 bis 3. März 1986 im Bezug des Arbeitslosengeldes gestanden. Ab 1. Oktober 1985 habe er (als ehemaliger Gendarmeriebeamter) gleichzeitig einen Ruhegenuß aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in der Höhe von S 3.287,10 im Oktober und November 1985, S 4.932,80 im Dezember 1985, S 3.440,40 im Jänner und Februar 1986 sowie S 5.178,90 im März 1985 (richtig: 1986) bezogen. Anläßlich der Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld am 6. August 1985 habe der Beschwerdeführer die Frage nach einem eigenen Einkommen mit "Ruhensbezug in der Höhe von S 39,--" beantwortet. Zu diesem Zeitpunkt (August 1985) habe er tatsächlich lediglich S 39,-- an Haushaltszulage, im September 1985 S 56,80 an Haushaltszulage und Sonderzahlung erhalten. (Einer in den Verwaltungsakten erliegenden Bezugsaufstellung des Bundesrechenamtes ist zu entnehmen, daß der Pensionsbezug in diesen Monaten mit einem Ruhensbetrag von S 3.551,30 ruhte.) Ab Oktober 1985 habe er laufend die oben angeführten Ruhegenüsse bezogen. Den "entsprechenden Ruhegenuß ab Beginn des Rückforderungszeitraumes (richtig wohl: ab 1. Juni 1985) bis einschließlich September 1985 (bzw. Nachtrag 85/6-85/9 S 16.338,90)" habe er "per Nachzahlung" erhalten. Diese Nachzahlung "bzw. das entsprechende Aufleben des Ruhegenusses ab Oktober 1985" habe er jedoch dem Arbeitsamt nicht gemeldet, obwohl er dazu gemäß dem von ihm unterfertigten Antragsformular auf Arbeitslosengeld und gemäß § 50 AlVG verpflichtet gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des § 22 Abs. 1, des § 24 Abs. 2 des § 25 Abs. 1 und des § 50 A1VG lauten:

"§ 22. (1) Arbeitslose, die .......... einen Ruhegenuß aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beziehen, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

§ 24. (2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte ...

§ 50. (1) Wer Arbeitslosengeld bezieht, ist verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis, jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß seines Anspruches maßgebende Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sowie jede Wohnungsänderung dem Arbeitsamt ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses, anzuzeigen.

(2) Das Arbeitsamt ist berechtigt, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch zweckdienliche Erhebungen zu überprüfen."

Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß er bereits in seinem "Ansuchen" (Antrag auf Arbeitslosengeld) angeführt habe, daß er einen Ruhegenußbezug habe. Trotzdem sei ihm das Arbeitslosengeld zuerkannt worden. Er habe daher den Bezug eines Ruhegenusses gegenüber dem Arbeitsamt nicht verschwiegen. Da die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes trotz des Ruhegenusses gewährt worden sei, habe der Beschwerdeführer für den strittigen Zeitraum das Arbeitslosengeld in gutem Glauben bezogen und verbraucht. Für den Beschwerdeführer sei es nicht erkennbar gewesen, daß eine Veränderung im Ruhegenußbezug auch eine Veränderung des Arbeitslosengeldbezuges nach sich ziehen würde, da er habe annehmen können, daß beides dem Arbeitsamt bereits bekannt sei. Da dem Beschwerdeführer daher kein Vorwurf gemacht werden könne, sei die Rückforderung auch nicht berechtigt. Die belangte Behörde hätte aber auch in Erwägung ziehen müssen, daß eine Erhöhung des Ruhegenußbezuges nur eine Verminderung des Arbeitslosengeldes nach sich ziehen würde, da der Anspruch auf Bezug des Arbeitslosengeldes dem Grunde nach trotz Ruhegenusses zuerkannt worden sei.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Es trifft nicht zu, daß er im Zeitpunkt der Antragstellung (6. August 1985) einen Ruhegenuß im Sinne des § 22 Abs. 1 AlVG bezogen habe. Die von ihm zu diesem Zeitpunkt bezogene Haushaltszulage (§ 25 Pensionsgesetz 1965) ist wohl ein selbständiger Bestandteil eines Ruhebezuges im Sinne des § 3 Abs. 2 Pensionsgesetz 1965; als eine bloße Zulage zur Hauptleistung, nämlich dem Ruhegenuß im Sinne des § 3 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965, vermag sie jedoch für sich allein nicht den Begriff des Ruhegenusses im Sinne des § 22 Abs. 1 AlVG zu erfüllen. Der Bezug der Haushaltszulage schloß daher den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht aus. Dies gilt auch für die im September 1985 ausgezahlte Sonderzahlung (§ 28 Pensionsgesetz 1965). Erst die Auszahlung des den - bisher ruhenden Ruhegenuß einschließenden Ruhebezuges von S 3.287,10 im Oktober 1985 hatte den Ausschluß des Anspruches auf Arbeitslosengeld (nicht hingegen dessen bloße Verminderung, wie der Beschwerdeführer meint) zur Folge. Der Beschwerdeführer wäre - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - gemäß § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet gewesen, die durch die Auszahlung des vollen Ruhebezuges bewirkte Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse dem Arbeitsamt anzuzeigen. Ob dem Beschwerdeführer die Ausschlußwirkung des nunmehrigen Bezuges des vollen Ruhebezuges erkennbar war und ob er das Arbeitslosengeld im strittigen Zeitraum in gutem Glauben verbrauchte, ist nicht entscheidend. Der Arbeitslose hat nämlich gemäß § 50 Abs. 1 AlVG eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch dann dem Arbeitsamt zu melden, wenn sie seiner Auffassung nach den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung nicht zu beeinflussen vermag (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1988, Zl. 87/08/0090). Auch der Einwand des Beschwerdeführers, er habe annehmen können, daß dem Arbeitsamt die "Veränderung im "Ruhegenußbezug" bereits bekannt gewesen sei, geht fehl, weil das Arbeitsamt nicht verpflichtet ist, im Hinblick auf mögliche Änderungen der Anspruchsvoraussetzungen von Amts wegen diesbezügliche Ermittlungen durchzuführen (vgl. das eben angeführte Erkenntnis vom 12. Februar 1988).

Schließlich äußert der Beschwerdeführer Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 22 Abs. 1 AlVG, weil den von ihm erbrachten Arbeitslosenversicherungsbeitragsleistungen keine Gegenleistung gegenüberstehe. Diesen Bedenken vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten, besteht doch das Wesen der Sozialversicherung in der Schaffung von Riskengemeinschaften, die die gegenseitige Verbundenheit des einzelnen und der Gemeinschaft und ihr wechselseitiges Eintreten füreinander in den Notfällen des Lebens bezwecken, wobei keineswegs jeder Beitragsleistung des einzelnen eine Gegenleistung der Gesamtheit der Versicherten an diesen gegenüberstehen muß (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1964, Slg. Nr. 6270/A).

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 13. Oktober 1988

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte