VwGH 87/17/0165

VwGH87/17/016515.4.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des JS in M, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 10/I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. September 1984, Zl. IIb1-L-1151/1-1984, betreffend einen Interessentenweg, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §6 Abs1;
B-VG Art133 Z1;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
GSLG Tir;
LStG Tir 1951 §42 Abs1 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §42 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §42;
LStG Tir 1951 §43 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §43;
LStG Tir 1951 §44;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §6 Abs1;
B-VG Art133 Z1;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art83 Abs2;
GSLG Tir;
LStG Tir 1951 §42 Abs1 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §42 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §42;
LStG Tir 1951 §43 idF 1970/010;
LStG Tir 1951 §43;
LStG Tir 1951 §44;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bundesland Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Interessenten für eine Weganlage zur zeitgemäßen Erschließung des Hofes "X" und verschiedener Waldparzellen haben bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz den Antrag eingebracht, die Weganlage als öffentlichen Interessentenweg im Sinne des Tiroler Straßengesetzes zu erklären und eine Weggemeinschaft für den Bau und die Erhaltung dieses Weges zu bilden. Mit der dem Beschwerdeführer zugestellten Kundmachung dieser Bezirkshauptmannschaft vom 5. März 1984 wurde zur Feststellung, ob die gemäß § 43 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. für Tirol Nr. 1/1951 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 10/1970 (im folgenden mit TStG bezeichnet) geforderte Mehrheit für das Vorhaben stimme, eine Verhandlung für den 20. März 1984 anberaumt, wobei eine Aufstellung der Interessenten und ihrer Beitragsanteile angeschlossen war. Überdies enthält die Ladung eine Belehrung im Sinne des § 42 AVG 1950. Dem im Akt erliegenden Zustellnachweis zufolge erreichte diese Ladung den Beschwerdeführer am 6. März 1984. Zu der Verhandlung am 20. März 1984 erschien der Beschwerdeführer nicht und der Verhandlungsschrift zufolge war auch kein Vertreter des Beschwerdeführers bei dieser Verhandlung anwesend. In einem bereits vom Rechtsfreund des Beschwerdeführers eingebrachten - mit 15. März 1984 datierten - Schriftsatz wurde ausgeführt, sämtliche Waldparzellen seien "wegemäßig" voll erschlossen, sodaß eine Weganlage, insbesondere in der Qualifikation eines öffentlichen Interessentenweges, völlig unnotwendig sei und den öffentlichen Interessen widerspreche. Zur zeitgemäßen Erschließung des Hofes "X" könne ein Bringungsweg im Sinne des Güter- und Seilwegelandesgesetzes errichtet werden. Jedenfalls sei die Qualifikation des zu errichtenden Weges als öffentlicher Interessentenweg gesetzwidrig. Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Österreichischen Bundesforste vom 16. Juni 1983 spreche sich der Beschwerdeführer gegen die Errichtung der Weganlage in der Qualifikation eines öffentlichen Interessentenweges aus.

Bei der genannten Verhandlung am 20. März 1984 stimmten acht von zwölf Interessenten mit einem Beitragsanteil von insgesamt 98,29 % für die Erklärung zum öffentlichen Interessentenweg "X" und die Bildung einer Weggemeinschaft.

Mit Verordnung vom 19. Juni 1984 erklärte die Bezirkshauptmannschaft Schwaz einen im einzelnen näher beschriebenen, im Gebiete der Gemeinde Mayrhofen und Ramsau im Zillertal zu errichtenden Weg "X" zum öffentlichen Interessentenweg.

Aufgrund dieser Verordnung wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 19. Juni 1984 die Interessenten festgestellt und die Beitragsanteile auf diese umgelegt, wobei auf den Beschwerdeführer 0,15 % entfielen. Die im einzelnen angeführten Interessenten wurden zur öffentlich-rechtlichen Weggemeinschaft "X" mit dem Sitz in Ramsau im Zillertal zusammengefaßt, die Satzung der Weggemeinschaft wurde gemäß § 48 Abs. 1 lit. c Abs. 4 TStG genemigt. Die Behörde stützte sich auf die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung; gegen den Inhalt der vorgelegten Satzung habe kein Einwand bestanden. Bei der Beitragsfestsetzung seien Einheitswerte und bei den forstwirtschaftlich genutzten Flächen der Zuwachs berücksichtigt worden, weiters in Form des Erschließungsgrades, ob die Liegenschaft direkt durch den Weg erschlossen werde oder Eigentümer für eine Zufahrt zum gegenständlichen Weg selbst aufzukommen habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die gegenständliche Weganlage diene einzig und allein dem Hof X. Die angeführten Waldparzellen seien bereits völlig erschlossen. Diese Tatsache ergebe sich auch aus der Feststellung der Beitragsanteile, wobei auf JS, X, 58,40 % der Beitragsanteile und auf die Österreichischen Bundesforste 34,51 % entfielen. Die Österreichischen Bundesforste hätten aber schon in ihrer Stellungnahme vom 16. Juni 1983 ebenfalls ausgeführt, die Erklärung eines Interessentenweges sei völlig unnotwendig. Die Bildung der Weggemeinschaft nach den Bestimmungen des TStG werde offenbar mit dem Ziel angestrebt, die Finanzierung der Wegeanlage durch Subventionierung des Landes und der Gemeinde besser zu ermöglichen. Sohin wäre die einzige Möglichkeit, um den Hof X zu erschließen, diejenige gewesen, einen Weg nach dem Tiroler Güter- und Seilwegegesetz zu errichten, weil für diesen Weg auch die öffentlichen Mittel widmungswidrig verwendet würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde unter anderem die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Sie verwies in der Begründung darauf, daß nach der Niederschrift der Verhandlung vom 20. März 1984 von den zwölf Interessenten acht für die Bildung eines öffentlichen Interessentenweges eingetreten und drei Interessenten trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen seien. Hinsichtlich der Kostentragung seien die verlangten 75 % weit übertroffen worden. Weder im TStG noch im Güter- und Seilwege-Landesgesetz seien Bestimmungen enthalten, die eine Bildung von öffentlichen Interessentenwegen einerseits oder nichtöffentlichen Güterwegen andererseits verlangten, bzw. die Bildung eines öffentlichen Interessentenweges verhinderten, wenn bereits ein Güterweg vorhanden sei. Im Gegenteil besage § 43 TStG ausdrücklich, daß ein bisher nichtöffentlicher Weg als öffentlicher Interessentenweg unter Einhaltung der gesetzlichen Erfordernisse erklärt werden könne. Es liege daher offensichtlich im Belieben der Interessenten, welche von mehreren gesetzlichen Möglichkeiten sie in Anspruch nehmen wollten, wobei finanzielle Überlegungen nicht hinderten. Gerade diese hätten ja auch einen Sinneswandel bei den Österreichischen Bundesforsten bewirkt, welche sich vorerst gegen die Erklärung als öffentlichen Interessentenweg ausgesprochen hätten. Der Grund hiefür sei die Bestimmung des § 44 Abs. 2 TStG, wonach bei Liegenschaften, denen der Nutzen des Weges nur durch die Abfuhr des auf ihnen erzeugten Produktes zugute komme, die Verpflichtung auf der Liegenschaft laste und nicht auf den Käufern oder Verfrächtern der Produkte, im konkreten Fall somit den Servitutsberechtigten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Juni 1986, B 847/84- 8, gemäß Art. 144 Abs. 3 (in Verbindung mit Abs. 2) B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht "auf den gesetzlichen Richter", das bedeutet für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in dem Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde, verletzt. Die Behörde habe eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr aufgrund des Gesetzes nicht zustehe. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Weganlage diene ausschließlich der besseren Erschließung des Hofes "X". Aus der Begriffsbestimmung des § 42 Abs. 1 TStG ergebe sich zwingend, daß ein öffentlicher Interessentenweg einer Mehrheit von Personen, nicht aber einer Einzelperson zu dienen habe. Für die bessere Erschließung des Hofes "X" wäre - in Form der Einräumung eines Bringungsrechtes - das Tiroler Güter- und Seilwege-Landesgesetz anzuwenden gewesen. Selbst wenn man der Ansicht wäre, daß die geplante Weganlage auch Verkehrsbedeutung für die Waldgrundstücke der übrigen Interessenten habe, wäre diese Weganlage eine forstliche Bringungsanlage im Sinne des § 59 des Forstgesetzes 1975.

Dieser unter dem Gesichtspunkt der Unzuständigkeit der belangten Behörde vorgebrachte Beschwerdeeinwand der mangelnden gesetzlichen Ermächtigung der belangten Behörde zur Anwendung des Tiroler Straßengesetzes - da das Tiroler Güter- und Seilwegegesetz anzuwenden gewesen wäre - geht daran vorbei, daß es an einer Subsidiaritätsregelung - mangels entsprechender Einschränkung bei der Festlegung des Wesens eines öffentlichen Interessentenweges - fehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1987, Zl. 84/06/0217). In diesem Sinne kann dem Gesetz auch keine Subsidiaritätsregelung gegenüber dem Forstgesetz 1975 entnommen werden.

Gemäß § 42 Abs. 1 TStG sind Wege, die vorwiegend einem bestimmbaren, mit der Gesamtheit der Gemeindebewohner nicht zusammenfallenden Kreis von Benützern dienen, öffentliche Interessentenwege.

Nach § 43 TStG kann die Erklärung eines neu angelegten oder bisher nicht öffentlichen Weges zum öffentlichen Interessentenweg nur dann erfolgen, wenn jene Gruppe der Beteiligten für die Übernahme oder Herstellung oder Erhaltung des Weges stimmt, die mindestens die einfache Mehrheit der Beteiligten umfaßt und mindestens 75 v.H. der Übernahms- oder Bau- und Erhaltungskosten sich zu tragen verpflichtet. Dabei sind gemäß § 44 Abs. 1 TStG die Kosten der Übernahme, Herstellung und Erhaltung neuer öffentlicher Interessentenwege vornehmlich von den Besitzern der durch den Weg erschlossenen Liegenschaften zu tragen. Ferner sind auch solche natürliche und juristische Personen heranzuziehen, die den Weg mit eigenen oder gemieteten Fahrzeugen dauernd in erheblichem Maß und nicht im Interesse oder zur Abfuhr der Produkte einer zur Kostentragung bereits herangezogenen Liegenschaft benützen. Nach Abs. 2 lastet nämlich die Verpflichtung zur Kostentragung bei Liegenschaften, denen der Nutzen des Weges nur durch die Abfuhr der auf ihnen erzeugten Produkte zugute kommt, auf der Liegenschaft und nicht auf den Käufern oder Verfrächtern der Produkte. Gemäß § 44 Abs. 4 TStG sind die Interessenten die zur Kostentragung Verpflichteten.

Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis Slg. 6062/1969 dargetan hat, erhält durch die Erklärung eines Weges zum öffentlichen Interessentenweg die den Weg bildende Grundfläche die rechtliche Eigenschaft eines Interessentenweges. Die Erklärung hat zur unmittelbaren Folge, daß auf den Interessentenweg eine Reihe von Gesetzesbestimmungen sinngemäß Anwendung finden (§ 49 TStG), die sich nicht bloß an die Interessenten, sondern auch an die Allgemeinheit richten. Die Erklärung hat daher normativen Charakter für einen generell umschriebenen Adressatenkreis und ist eine Rechtsverordnung.

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, der beschwerdegegenständliche öffentliche Interessentenweg diene lediglich einer Einzelperson, eine Gesetzwidrigkeit der Erklärung des "X-Weges" zum öffentlichen Interessentenweg releviert, vermag der Verwaltungsgerichtshof derartige Bedenken nicht zu teilen. Wie im bereits zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ausgeführt wird, bestimmt das TStG nicht in eindeutiger Weise, wie jener bestimmbare Kreis von Benützern, denen ein öffentlicher Interessentenweg dient, abzugrenzen ist. Aus § 44 Abs. 1 TStG ist jedoch abzuleiten, daß dazu jedenfalls die Besitzer der durch den Weg erschlossenen Liegenschaften gehören, aber auch solche natürliche und juristische Personen, die den Weg mit eigenen oder gemieteten Fahrzeugen in erheblichem Maß und nicht im Interesse oder zur Abfuhr der Produkte einer zur Kostentragung bereits herangezogenen Liegenschaft benützen; es ist aber nicht ausgeschlossen, daß auch andere Personen zu dem bestimmbaren Kreis von Benützern gehören können.

Diese zur Kostentragung Verpflichteten stellen im Sinne des § 42 Abs. 1 TStG jenen bestimmbaren, mit der Gesamtheit der Gemeindebewohner nicht zusammenfallenden Kreis von Benützern dar, denen öffentliche Interessentenwege "dienen". Dies wird auch durch die Regelung des § 44 Abs. 4 TStG erhellt, wonach die zur Kostentragung Verpflichteten die Interessenten sind.

Das Vorliegen einer Mehrheit von Interessenten wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Das die Interessenslage (der qualifizierten Mehrheit) der Interessenten schützende Verfahren nach § 43 TStG wurde von der Behörde eingehalten und unbestrittenermaßen das erforderliche qualifizierte Quorum erreicht.

Die vorliegende Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Hinsichtlich der oben erwähnten, nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 15. April 1988

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