VwGH 87/14/0118

VwGH87/14/011828.6.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Zach, über die Beschwerde der Dr. CS im G, vertreten durch den zum Verfahrenshelfer bestellten Dr. Arnold Petrowitsch, Rechtsanwalt in Leibnitz, Kadagasse 11, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat, vom 7. Mai 1987, Zl. B 281-3/86, betreffend Einkommensteuer 1984, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs3;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §5;
EStG 1972 §7 Abs1;
EStG 1972 §9 Abs3;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs3;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §5;
EStG 1972 §7 Abs1;
EStG 1972 §9 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Vertreters zur Verfahrenshilfe Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine selbständig tätige Ärztin, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 ermittelt. Ihr Ehegatte war in ihrem Betrieb als für die kaufmännischen und organisatorischen Tätigkeiten zuständiger Arbeitnehmer beschäftigt. Er schied nach den Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren Anfang November 1984 aus ihrem Betrieb aus. Aus diesem Anlaß habe sich herausgestellt, daß betriebliche Geldmittel in Höhe von mindestens 1,5 Mio S fehlten und daß noch weitere Belastungen in Höhe ca. S 1,950.000,-- zu erwarten wären. Der durch den Ehegatten verursachte Schaden war nach Auffassung der Beschwerdeführerin als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde schloß sich jedoch mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid dieser Auffassung nicht an. Sie brachte zunächst in der Berufungsentscheidung zum Ausdruck, daß die von der Beschwerdeführerin vorerst begehrte Schadensrückstellung bei ihr als Einnahmen-Ausgabenrechnerin nicht in Betracht käme. Weiters hätten die Sachverhaltsermittlungen ergeben, daß den behaupteten Geldabfluß "Unterschlagungen" (im weiteren Sinn) des ehemaligen Arbeitnehmers (des Ehegatten) verursacht hätten. Es stelle sich also die Frage, ob die Unterschlagung von Geld durch einen Angestellten beim Gewinnermittler gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 überhaupt zu einer Betriebsausgabe führen könne. In der Lehre werde dazu teilweise die Meinung vertreten, daß "Gelddiebstahl" bzw. die Unterschlagung von Geld unter gleichartigen Voraussetzungen wie beim Betriebsvermögensvergleich auch bei der Einnahmen-Ausgabenrechnung als Betriebsausgabe berücksichtigt werden müßte (Hinweis auf Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch2, § 4 Tz 67). Beim Betriebsvermögensvergleich sei es nach der derzeitigen Rechtsprechung so, daß Diebstahl oder Unterschlagung durch Angestellte oder Betriebsfremde zwar grundsätzlich zu einer Verminderung des Betriebsvermögens und damit auch zu einer Minderung des steuerpflichtigen Gewinnes führten, daß jedoch allfällige Ersatzansprüche zu aktivieren seien. Werde die Aktivierung unterlassen und auf einen durchsetzbaren Schadenersatzanspruch bzw. auf dessen Geltendmachung aus nicht betrieblich veranlaßten Gründen verzichtet, so wirke der Anspruchsverzicht nicht gewinnmindernd. Anders wäre es, wenn der Verzicht betrieblich veranlaßt oder der Anspruch nicht durchsetzbar wäre (Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1968, Zl. 1067/66, und vom 12. März 1980, Zl. 2819/79). Das heiße also, daß eine Verminderung des Betriebsvermögens erst dann eintrete, wenn feststehe, daß der Anspruch gegen den Schädiger nicht bzw. nicht zur Gänze durchsetzbar sei. Auch im Beschwerdefall, in dem der Gewinn nicht durch Betriebsvermögensvergleich, sondern durch Einnahmen-Ausgabenrechnung ermittelt worden sei, werde man daher davon ausgehen müssen, daß im Zeitpunkt der "Unterschlagung" eine Forderung gegen den Schädiger entstehe und sich erst der Verlust dieser Forderung gewinnmindernd auswirke (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 1979, Zl. 1145/78). Ob diese Forderung im Beschwerdefall endgültig ausfallen werde, sei aber derzeit noch ungewiß, weshalb im Streitjahr eine Gewinnminderung selbst dann nicht zu berücksichtigen wäre, wenn tatsächlich eine betriebsbedingte Forderung vorläge.

Andere Lehrmeinungen würden zum Problem der Unterschlagung bzw. des Gelddiebstahles beim Gewinnermittler gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 die Ansicht vertreten, daß der Gelddiebstahl bei dieser Gewinnermittlung überhaupt nicht zu einer Betriebsausgabe führen könne, weil beim Nichtbuchführenden Bargeld im Zeitpunkt der Vereinnahmung in das Privatvermögen übergehe und daher ein Verlust im privaten Vermögensstand eintrete; von einem anderen Teil der Lehre werde der Abzug als Betriebsausgabe bei Vorliegen besonderer Umstände zugestanden (Jirkuff, Steuerliche Betrachtungen zum Diebstahl, ÖStZ 1984, Seite 68 ff). Die letztgenannte Auffassung vertrete auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 25. Jänner 1962, IV 221/60 S, BStBl III Seite 366, in der er ausführe, daß Geldverluste durch Diebstahl oder Unterschlagung beim Einnahmen-Ausgabenrechner dann zu Betriebsausgaben führen könnten, wenn die vorherige Zugehörigkeit (des Geldes) zum Betriebsvermögen in eindeutiger Weise klargestellt sei. In einem weiteren Fall habe der BFH (Urteil vom 6. Mai 1976, IV R 79/73, BStBl II Seite 560) entschieden, daß bei einem Geldverlust, der einem freiberuflich tätigen Arzt durch Unterschlagung eines Angestellten entstanden sei, das Geld zunächst dem Arzt zugeflossen und der Verlust sodann der betrieblichen Sphäre zuzurechnen sei. Bei einer durchsetzbaren Ersatzforderung des Arztes sei jedoch die Rückzahlung dieser Beträge wieder als Einnahme zu behandeln.

Im Beschwerdefall werde am Zufluß des umstrittenen Betrages an die Beschwerdeführerin nicht zu zweifeln sein, zumal sie selbst in der Berufung vorgebracht habe, daß nach dem Ausscheiden ihres Gatten "betriebliche Geldmittel im Ausmaß von mindestens 1,5 Mio S nicht mehr vorhanden gewesen seien".

Im Gegensatz zum BFH vertrete Jirkuff die Ansicht, daß es nicht so sehr darauf ankomme, ob das Geld zum notwendigen Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehöre, sondern vielmehr, ob die Umstände des Geldverlustes zum betrieblichen Bereich gezogen werden könnten oder nicht. Im deutschen Schrifttum finde sich in diesem Zusammenhang die Ansicht, daß eine Unterschlagung durch einen Ehegatten niemals den betrieblichen Bereich betreffe, sondern stets eine Privatentnahme gegeben sei, und zwar auch dann, wenn ein Arbeitsverhältnis vorliege (Littmann, Einkommensteuerkommentar13, §§ 4, 5, Anm. 967).

Wenn man nun, wie es in der Berufungsentscheidung weiters heißt, die Umstände des Beschwerdefalles näher betrachte, so erscheine es durchaus gerechtfertigt, von Privatentnahmen des Ehegatten zu sprechen. Zu diesen "Geldverlusten" habe es - wie die Beschwerdeführerin selbst mehrmals betont hätte - nur kommen können, weil sie ihrem Gatten vollkommen vertraut habe. Er sei schließlich nicht nur mit den betrieblichen, sondern auch mit sämtlichen privaten Vermögensangelegenheiten der Beschwerdeführerin betraut gewesen. Ein freiberuflich Tätiger, im besonderen ein Arzt, der in der Regel nur wenige Arbeitnehmer habe, würde einem fremden Angestellten, dem er alle mit seiner Ordination im Zusammenhang stehenden kaufmännischen und organisatorischen Tätigkeiten übertragen habe, sicherlich genauere Anweisungen geben und diesen nicht ausschließlich nach seinem Gutdünken arbeiten lassen. Keinesfalls aber würde ein Arzt einem fremden Angestellten auch die private Vermögensverwaltung in der Form überlassen, daß der Angestellte ein freies Verfügungsrecht über alle privaten Konten erhalte und dort Buchungen in unbegrenzter Höhe durchführen lassen könne. Ein freies Verfügen über "gemeinsame Konten" sei wohl nur unter Ehegatten üblich. Daraus sei aber ersichtlich, daß die strittigen "Geldverluste" den privaten und nicht den betrieblichen Bereich der Beschwerdeführerin beträfen und es daher nicht bedeutsam sei, ob Anzeige gegen den Ehegatten erstattet oder ein Schadenersatzanspruch gegen ihn geltend gemacht worden sei.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I.1. Im Rahmen des Betriebsvermögensvergleiches (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG 1972) bewirkt der widerrechtliche Entzug von Wirtschaftsgütern wie etwa durch Diebstahl (§§ 127 ff StGB), Veruntreuung (§ 133 StGB), Unterschlagung (§ 134 StGB) oder Entwendung (§ 141 StGB) - in der Folge soll der Einfachheit halber nur noch von "widerrechtlichem Entzug" die Rede sein - eine Verminderung des Betriebsvermögens am Schluß des Wirtschaftsjahres (siehe § 4 Abs. 1 erster Satz EStG 1972). Dadurch hat der widerrechtliche Entzug gleich einer Betriebsausgabe eine Gewinnminderung (Verlusterhöhung) zur Folge (hg. Erkenntnis vom 12. März 1980, Zl. 2819/79).

2. Die Überschußrechnung des § 4 Abs. 3 EStG 1972 stellt im Verhältnis zum Betriebsvermögensvergleich eine vereinfachte Gewinnermittlung im Wege einer Geldrechnung dar, die aber auf Dauer gesehen keine Besteuerung von gegenüber der grundsätzlichen Gewinnermittlungsart des Betriebsvermögensvergleiches bedeutend abweichenden Betriebsergebnissen bezweckt (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., § 4 Tz 61).

So ist zum Beispiel bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens der Einnahmen-Ausgabenrechner dem Gewinnermittler durch Betriebsvermögensvergleich dadurch gleichgestellt, als er ebenso wie dieser das widerrechtlich entzogene Anlagegut voll nach dem letzten Satz des § 7 Abs. 1 EStG 1972 absetzen kann (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., Tz 67, Hermann-Heuer-Raupach, Kommentar zum Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz19, § 4 Anm. 91 (6), und Jirkuff, a. a. O.).

Beim Einkauf von Waren hat der Gewinnermittler durch Betriebsvermögensvergleich deren Anschaffungskosten zu aktivieren, der widerrechtliche Entzug der Waren führt zu einer Betriebsausgabe (siehe Punkt 1. und Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O.). Beim Einnahmen-Ausgabenrechner tritt dasselbe Ergebnis dadurch ein, als der für den Wareneinkauf verausgabte Betrag eine Betriebsausgabe bildet, der (infolge des widerrechtlichen Entzuges) keine Betriebseinnahme mehr gegenübersteht (Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., und Hermann-Heuer-Raupach, a.a.O.).

Geld - Bargeld wie Buchgeld (z.B. Guthaben auf einem Bankkonto) - kann beim Gewinnermittler durch Betriebsvermögensvergleich ebenfalls ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens bilden, dessen Verlust nach den in Punkt 1. aufgezeigten Grundsätzen gleich einer Betriebsausgabe zu einer Gewinnminderung (Verlusterhöhung) führt. Der Verwaltungsgerichtshof hält auch beim Einnahmen-Ausgabenrechner die Behandlung des Geldverlustes als Betriebsausgabe für geboten, soll es nicht ohne jegliche wirtschaftliche Rechtfertigung auf Dauer gesehen zu einer unterschiedlichen Besteuerung von Einnahmen-Ausgabenrechnern und Gewinnermittlern durch Betriebsvermögensvergleich kommen. Für die Anerkennung von Geldverlusten als Betriebsausgaben des Einnahmen-Ausgabenrechners sprechen sich auch Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O., Hermann-Heuer-Raupach, a.a.O., und Littmann-Bitz-Meincke, Einkommensteuerrecht14, §§ 4, 5, Rd Nr 2190, aus.

3. Auch beim Einnahmen-Ausgabenrechner ist allerdings Voraussetzung für die Anerkennung von Geldverlusten als Betriebsausgaben, daß das widerrechtlich entwendete Geld Betriebsvermögen war.

Beim Betriebsvermögensvergleich wird die Zugehörigkeit von Bargeld wie Buchgeld zum Betriebsvermögen durch die Buchführung dokumentiert. Bei der Einnahmen-Ausgabenrechnung fehlt hingegen die Möglichkeit, Buch- oder Bargeld über die Bücher klar und nachprüfbar dem Betriebsvermögen zuzuordnen. Die eindeutige Zuordnung von Geld zum Betriebsvermögen ist aber unabdingbares Erfordernis für die Annahme einer durch den Verlust von Betriebsvermögen bewirkten Betriebsausgabe (Hermann-Heuer-Raupach, a. a.O., § 4 Anm. 62 (2)). Das bedeutet, daß beim Einnahmen-Ausgabenrechner zwar nicht aus einer Buchführung, aber doch auf andere Weise klar ersichtlich sein muß, daß das Geld nicht Teil des Privatvermögens ist, sondern von diesem abgesondert dem Betrieb dient. Bargeld kann aus dieser Sicht nur dann als Betriebsvermögen angesehen werden, wenn eine von der privaten Geldgebarung deutlich getrennte Betriebskassenführung besteht (Hermann-Heuer-Raupach, a.a.O., § 4 Anm. 91 (6), und Littmann-Bitz-Meincke, a.a.O.). Von einer Betriebskassenführung kann aber nur die Rede sein, wenn in ihrem Rahmen nicht nur die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, sondern sämtliche Geldbewegungen - also auch Einlagen und Entnahmen festgehalten werden und sich so ein betrieblicher Bargeldbestand (Kassenbestand) feststellen läßt, dessen (teilweiser) Verlust als Verlust von Betriebsvermögen (teilweise) eine Betriebsausgabe bildet (vgl. das schon erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofes vom 25. Jänner 1962).

Der gebotenen Trennung von Betriebs- und Privatvermögen entspricht der Einnahmen-Ausgabenrechner trotz einer solchen Kassenführung allerdings nicht, wenn er über die "Betriebskasse" auch seine private Geldgebarung verrechnet. Es muß vielmehr - wie nochmals zu betonen ist - eine von der Privatgeldgebarung deutlich gesonderte Betriebskassenführung vorliegen. Gleiches ist auch hinsichtlich der Führung der Geldkonten (Bankkonten) zu fordern, sodaß diese Konten nur dann zum Betriebsvermögen zu zählen sind, wenn sie, abgesehen von gelegentlichen Einlagen und Abhebungen, die der Anpassung des Kontenstandes an den Bedarf des Betriebes dienen, nur Gut- oder Lastschriften enthalten, die sich aus der Führung des Betriebes selbst ergeben (siehe neben vielen anderen insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Februar 1951, Zl. 1116/50, Slg. Nr. 335/F).

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren mit ihrer Eingabe vom 6. Mai 1987 zwei Beispiele ins Treffen geführt, bei denen ein widerrechtlicher Entzug betrieblicher Geldmittel durch den Ehegatten nicht von vornherein auszuschließen ist, nämlich den Fall einer Bargeldabhebung durch den Ehegatten vom "Ordinationskonto" (AZ 13/3) und den Fall der Übweisung durch den Ehegatten vom "Ordinationskonto" auf ein (behauptetes) anonymes Sparbuch (AZ 13/4).

4. Da bei der Wertung des widerrechtlichen Entzuges von Geld als Betriebsausgabe der Gedanke eines Verlustes von Betriebsvermögen im Vordergrund steht, bewirkt zunächst die Tatsache des Geldverlustes als solche die Betriebsausgabe. Nicht entscheidend ist es, ob ein Fremder oder ein naher Angehöriger widerrechtlich das Geld entzog (Hermann-Heuer-Raupach, a.a.O., § 4 Anm. 62 (2), und Littmann-Bitz-Meincke, a.a.O.). Führt doch der durch den Angehörigen hervorgerufene Geldverlust nicht anders als der durch den Fremden Bewirkte einen Verlust an Betriebsvermögen herbei, ohne daß der widerrechtliche Entzug des Geldes als für das Angehörigenverhältnis charakteristisch und als Ausfluß desselben angesehen werden könnte. Aus dieser Sicht kann es entgegen der Auffassung der belangten Behörde auch keine Rolle spielen, daß die Beschwerdeführerin ihrem Ehegatten die Verwaltung ihres gesamten Vermögens - des Privat- und des Betriebsvermögens - anvertraute, zumal die belangte Behörde keine Feststellung traf, daß die Beschwerdeführerin im Hinblick auf das Angehörigenverhältnis von vornherein bereit war, Diebstähle und Veruntreuungen durch den Ehegatten hinzunehmen (vgl. Hermann-Heuer-Raupach, a.a.O., § 4 Anm. 62 (2)); das in der Berufung und in den Schriftsätzen vom 17. Februar und 6. Mai 1987 erwähnte gerichtliche Vorgehen der Beschwerdeführerin gegen ihren Ehegatten ließe eine solche Feststellung auch fragwürdig erscheinen. Vielmehr führt der widerrechtliche Entzug zu Betriebsausgaben, soweit er anvertrautes Betriebsvermögen betrifft, während die Verluste im Privatvermögen für die Einkommensteuer unbeachtlich bleiben.

5. Dem Angehörigenverhältnis kommt jedoch nach der Aufdeckung des widerrechtlichen Entzuges Bedeutung zu. Verzichtet nämlich der Steuerpflichtige im Hinblick auf das Angehörigenverhältnis auf eine durchsetzbare und einbringliche Rückforderung des widerrechtlich Entzogenen, dann steht nunmehr der durch familiäre und also nichtbetriebliche Gründe bedingte Verzicht der Anerkennung des Geldverlustes als Betriebsausgabe entgegen (Hermann-Heuer-Raupach, a.a.O., § 4 Anm. 62 (2) und 91 (6), Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 1968, Zl. 1067/66). Macht hingegen der Steuerpflichtige ernsthaft eine Rückforderung geltend - die (im einzelnen allerdings nicht aktenkundigen) gerichtlichen Schritte der Beschwerdeführerin gegen ihren Ehegatten sprechen im Beschwerdefall dafür - so bewirkt der widerrechtliche Entzug des Geldes beim Einnahmen-Ausgabenrechner im Jahre des Verlustes eine Betriebsausgabe, während die Befriedigung der Rückforderung durch den Angehörigen im Jahre des Zuflusses an den Steuerpflichtigen zu einer Betriebseinnahme führt. Eine "Aktivierung" des Rückforderungsanspruches mit der Folge, daß eine Verminderung des Betriebsvermögens erst eintritt, wenn feststeht, daß der Anspruch gegen den Schädiger nicht bzw. nicht zur Gänze durchsetzbar ist, kommt beim Einnahmen-Ausgabenrechner entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht in Betracht (vgl. in diesem Zusammenhang auch das ebenfalls schon zitierte Urteil des Bundesfinanzhofes vom 6. Mai 1976 sowie Jirkuff, a.a.O.). Das in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde ins Treffen geführte Erkenntnis vom 2. April 1979, Zl. 1145/78, enthält keine einschlägige Aussage des Verwaltungsgerichtshofes.

6. Zur Beschwerde sei noch angemerkt, daß sich der rechtswidrige Entzug von Einnahmen nur dann steuerlich auswirken kann, wenn diese Einnahmen bereits - als gewinnerhöhender Geldzugang - steuerlich erfaßt sind. Werden jedoch vom Schädiger Einnahmen widerrechtlich abgezweigt, bevor sie noch in der steuerlichen Einnahmen-Ausgabenrechnung ihren Niederschlag fanden, so bleibt dieser Entzug für die Einkommensteuer unbeachtlich.

II. Die Beschwerdeführerin rügt in der Beschwerde auch, daß die Abgabenbehörden den von ihr geltend gemachten steuerfreien Betrag gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1972 nicht dem bei der Abgabenfestsetzung erhöhten Gewinn angepaßt hätten. Diese Rüge geht jedoch schon deshalb ins Leere, weil der steuerfreie Betrag und damit auch seine Erhöhung jedenfalls einen Antrag des Steuerpflichtigen voraussetzen, den die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren bezüglich der Erhöhung des steuerfreien Betrages nicht stellte. Auf sich beruhen kann daher die Frage, ob nicht die Abhängigkeit des steuerfreien Betrages vom Ausweis in einer mit der Erklärung über den Gewinn des betreffenden Wirtschaftsjahres dem Finanzamt vorgelegten Aufzeichnung (siehe den dritten und die folgenden Sätze des § 9 Abs. 3 EStG 1972) überhaupt eine Erhöhung des steuerfreien Betrages verbietet.

III.1. Die Ausführungen zu Punkt I zeigen, daß die belangte Behörde in der Frage des widerrechtlichen Entzuges von Geldmitteln der Beschwerdeführerin durch den Ehegatten die Rechtslage verkannte. Der angefochtene Bescheid war daher bereits gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es einer weiteren Prüfung bedurfte, ob anläßlich der Berufungsverhandlung (als Folge des Rechtsirrtums) auch Verfahrensvorschriften verletzt wurden.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

2. Für das fortzusetzende Verwaltungsverfahren sei bemerkt, daß es in erster Linie der Beschwerdeführerin obliegen wird, nachzuweisen, welche betrieblichen Geldmittel ihr der Ehegatte widerrechtlich entzog, da wohl zunächst nur sie über die entsprechenden Kenntnisse und Unterlagen für diesen Nachweis verfügen wird.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243/1985. Der Schriftsatzaufwandersatz konnte nur mit dem in dieser Verordnung pauschalierten Betrag und der Stempelgebührenersatz nur mit dem für die Beschwerde und ihre Beilagen zu entrichtenden Betrag zuerkannt werden. Überdies konnte der Verwaltungsgerichtshof für Beilagen, die bereits Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens waren, keinen Stempelgebührenersatz zusprechen.

Wien, am 28. Juni 1988

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