VwGH 87/07/0057

VwGH87/07/005715.9.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde des R und der EE in B, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien 15, Mariahilferstraße 194, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Jänner 1987, Zl. 510.709/04-I 5/85, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §8;
VVG §1 Abs1;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
VVG §1 Abs1;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. September 1980 hat der Landeshauptmann von Niederösterreich (LH) den Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Naßbaggerung auf der Parzelle Nr. 575 KG. W abgewiesen und gleichzeitig den Beschwerdeführer gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 den Auftrag erteilt, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides die im Bereich dieses Grundstückes vorhandenen Wassertümpel mit sanitär einwandfreiem Kiesmaterial auf Höhe der Grubensohle aufzufüllen. Begründend berief sich der LH im wesentlichen auf eingeholte Gutachten, wonach von dem bestehenden Zustand eine Gefährdung des Grundwassers ausgehe.

Die dagegen von den Beschwerdeführern am 16. Oktober 1980 erhobene Berufung richtete sich nicht gegen die Versagung der wasserrechtlichen Bewilligung, sondern ausschließlich gegen den ihnen erteilten wasserpolizeilichen Auftrag zur Auffüllung der vorhandenen Wassertümpel. In ihrem Rechtsmittel vertraten die Beschwerdeführer die Auffassung, daß keine wie immer geartete Gefahr des tatsächlichen Auftretens von Verunreinigungen bestehe. Sollte diese dennoch gegeben sein, dann nur allenfalls dadurch, daß rundum entsprechende Chemikalien zur Düngung des Bodens verwendet würden, was richtigerweise den Nachbarn verboten werden sollte. Außerdem hätten die Beschwerdeführer das Grundstück in dem derzeitigen Zustand gekauft, weshalb eine Überschreitung der ihren Rechtsvorgängern erteilten Baggerbewilligung nur den damals Nutzungsberechtigten zur Last falle. Der den Beschwerdeführern erteilte Auftrag treibe sie in den wirtschaftlichen Ruin.

Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren ein Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein, in welchem im wesentlichen ausgeführt wurde, daß die Grubensohle im Schwankungsbereich des Grundwasserspiegels liege und daher zeitweilig überflutet und zeitweilig trocken sei, was in trockenen Zeiten zu einem Pflanzenwachstum und bei Überflutung zum Absterben und Verfaulen der Pflanzen führe. Der wasserpolizeiliche Auflag zur Verfüllung der Tümpel sei daher zu Recht ergangen und liege im dringenden Interesse des Grundwasserschutzes. Der Bescheid des LH sei aber noch dahin gehend zu konkretisieren, daß die Verfüllung bis 0,5 m über höchstem Grundwasserspiegel zu erfolgen habe, wobei diese Spiegellage von der Hydrographischen Landesabteilung möglichst exakt anzugeben wäre; hinsichtlich der Grundwasserspiegellagen sei nämlich "das NÖ. Verfahren äußerst mangelhaft geblieben". In einer Ergänzung dieses Gutachtens führte der Amtssachverständige noch aus, ein Zusammenhang Teichwasser - Grundwasser sei anzunehmen, wodurch auch alle Verunreinigungen, die nicht abgefiltert würden, vom Teichwasser ins Grundwasser gelangten. Da dies zu einer Verschlechterung der Grundwassergüte bis zur Unbrauchbarkeit der Brunnen führen könne, könne keinesfalls von geringfügigen Einwirkungen gesprochen werden.

Die belangte Behörde brachte dieses Gutachten den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 17. Mai 1983 zur Kenntnis und setzte eine Frist zur allfälligen Stellungnahme.

In der Zwischenzeit hatten die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 6. September 1982 an die Bezirkshauptmannschaft Tulln "um Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung zur Naßbaggerung auf unserer Schottergrube, der Parzelle 575 KG W, zwecks Anlage eines Fischteiches" angesucht. Über dieses Ansuchen wurde nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten bisher nicht entschieden.

Im weiteren Verfahren über die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des LH vom 16. September 1980 legten die Beschwerdeführer nach mehreren Fristverlängerungen am 27. August 1985 ein Privatgutachten des Dipl. Ing. RJ vor, wonach es weitaus günstiger wäre, statt einer Auffüllung eine Vertiefung vorzunehmen und auf dem Grundstück der Beschwerdeführer einen Anglerteich (Fischzucht ohne Zufütterung) anzulegen. Die Beschwerdeführer verbanden die Vorlage dieses Gutachtens mit dem Antrag, ihnen anstatt der Auffüllung der Wassertümpel die Anlage eines Fischteiches binnen einem Jahr aufzutragen, in eventu "die Leistungsfrist im Hinblick auf die Höhe der mit der Erfüllung der behördlichen Auflagen für uns verbundenen Kosten auf mindestens 1 Jahr zu verlängern und die Auffüllung nur auf der Parzelle 575 bis zu einer Höhe, die einer Überflutung entgegensteht, anzuordnen".

Dazu ergänzte der wasserbautechnische Amtssachverständige über Aufforderung der belangten Behörde sein Gutachten unter näherer Erläuterung der Gefährdung des Grundwassers dahin gehend, daß die geplante Naßbaggerung infolge ihres zu geringen Ausmaßes und der Nutzung als Fischteich nicht die nachhaltige Erhaltung der Qualität des Grundwassers gewährleiste, es werde vielmehr auf Grund der gegebenen Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer qualitativen Beeinträchtigung des Grundwassers zu rechnen sein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Jänner 1987 änderte die belangte Behörde sodann ohne weitere Verfahrensschritte den Bescheid des LH dahin gehend ab, daß die Beschwerdeführer gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 verpflichtet wurden, "binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides die im Bereiche des Grundstückes Nr. 575 KG. W vorhandenen Wassertümpel mit sanitär einwandfreiem Kiesmaterial bis 0,5 m über höchstem Grundwasserspiegel aufzufüllen". Begründend ging die belangte Behörde von der durch das eingeholte Gutachten gegebenen Grundwassergefährdung auf Grund der Lage der Grubensohle im Schwankungsbereich des Grundwasserspiegels aus. In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde die gegenständliche Naßbaggerung als gemäß § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 bewilligungspflichtig. Mangels Vorliegens einer wasserrechtlichen Bewilligung handle es sich um eine unerlaubte Neuerung, sodaß ein wasserpolizeilicher Auftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 gerechtfertigt sei. Auch durch das vorgelegte Privatgutachten sei die Gefahr einer Grundwasserverunreinigung nicht widerlegt worden. In diesem Zusammenhang gab die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten wieder, ohne allerdings auf dieses (den Beschwerdeführern nicht mehr vorgehaltene) Ergänzungsgutachten ausdrücklich hinzuweisen. Abschließend führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes Nr. 575 wegen der Aufrechterhaltung des bewilligungslos herbeigeführten Zustandes als Adressaten des gegenständlichen wasserpolizeilichen Auftrages legitimiert seien. Dem Antrag, mit der Erfüllung der behördlichen Auflagen ein Jahr zuzuwarten, habe auf Grund des eingeholten Gutachtens, insbesondere aus dem entgegenstehenden öffentlichen Interesse des Gewässerschutzes genau so wenig Rechnung getragen werden können wie dem Ansinnen, den wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs. 1 in einen Alternativauftrag gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 umzuwandeln. Im Hinblick auf "die Anhängigkeit der Berufung und der Witterungsverhältnisse" sei jedoch die Frist zur Durchführung der angeordneten Maßnahmen um vier Monate verlängert worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß durch ihre Rechtsvorgänger im Eigentum des Grundstücks Nr. 575 KG. W ohne wasserrechtliche Bewilligung eine Schottergewinnung vorgenommen wurde, durch welche bis in den Grundwasserbereich reichende Vertiefungen auf diesem Grundstück herbeigeführt worden sind. Den Antrag der Beschwerdeführer, dafür nachträglich eine wasserrechtliche Bewilligung zu erhalten, hat der LH mit dem Bescheid vom 16. September 1980 abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung richtete sich nicht gegen diese Abweisung, sondern ausschließlich gegen den in diesem Zusammenhang erteilten wasserpolizeilichen Auftrag. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof blieb ferner unbestritten, daß der durch den Schotterabbau herbeigeführte, seit vielen Jahren bestehende Zustand im Sinne der diesbezüglichen Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen eine nicht nur geringfügige Gefährdung der Grundwasserqualität mit sich bringt.

Nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a) eigenmächtige Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

b) die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Mißstände zu beheben,

c) für die sofortige Wiederherstellung beschädigter gewässerkundlicher Einrichtungen zu sorgen.

In allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit hat die Wasserrechtsbehörde gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Vorgangsweise dann als eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 zu beurteilen, wenn für sie eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich war, diese aber nicht erwirkt worden ist. Als Neuerung ist darüber hinaus nicht allein das bewilligungslose Setzen einer der wasserrechtlichen Bewilligung bedürftigen Maßnahme, sondern auch das Fortdauern des durch die betreffende Maßnahme herbeigeführten Zustandes zu verstehen. Die Beschwerdeführer waren daher für die Erteilung des strittigen, auf § 138 Abs. 1 WRG 1959 gegründeten Auftrages passiv legitimiert (vgl. zu diesen Ausführungen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1984, Zlen. 84/07/0210, 0211, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Dem Grunde nach entsprach daher die Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages an die Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang dem Gesetz. Die Beschwerdeführer haben aber auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der ihnen auf Grund des eingeholten Gutachtens von der Behörde konkret aufgetragenen Maßnahmen in Zweifel gezogen und ihr diesbezügliches Vorbringen durch Vorlage eines Privatgutachtens unter Beweis zu stellen versucht. Die belangte Behörde hat dazu ein Ergänzungsgutachten eingeholt und dieses in der Begründung des angefochtenen Bescheides zur Widerlegung der Einwendungen der Beschwerdeführer herangezogen, allerdings ohne den Beschwerdeführern zu diesem Ergänzungsgutachten das Parteiengehör zu gewähren. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, erweist sich der angefochtene Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG belastet.

Einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus diesem Grunde hatte allerdings die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit vorzugehen (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, S. 572, angeführten Entscheidungen), mit der sich der angefochtene Bescheid aus den nachstehenden Erwägungen behaftet erweist.

Ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung auferlegt wird, muß so bestimmt gefaßt werden, daß nötigenfalls seine Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung möglich ist; durch die Spruchfassung muß einerseits dem Beschwerdeführer die überprüfbare Möglichkeit gegeben werden, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, andererseits muß dadurch auch der Umfang einer allfälligen Ersatzvornahme deutlich abgegrenzt sein (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1980, Zl. 2696/79, und die dort angeführte Vorjudikatur). Diesen Erfordernissen entspricht der Spruch des hier angefochtenen Bescheides deshalb nicht, weil den Beschwerdeführern aufgetragen wurde, die vorhandenen Wassertümpel mit einwandfreiem Kiesmaterial "bis 0,5 m über höchstem Grundwasserstand" aufzufüllen, ohne daß - wie dies der wasserbautechnische Amtssachverständige ausdrücklich für erforderlich erklärt und die belangte Behörde selbst in der Begründung des angefochtenen Bescheides gefordert hat - eine exakte Angabe der Grundwasserspiegellage erfolgt ist. Ohne eine solche (nach dem Gutachten von der Hydrographischen Landesabteilung vorzunehmende) möglichst exakte Angabe der Grundwasserspiegellage bleibt in einer für die Erfüllung des den Beschwerdeführern erteilten Auftrages bzw. für ein allfälliges Vollstreckungsverfahren untragbaren Weise offen, bis zu welcher Höhe und mit welchem Materialaufwand die Beschwerdeführer nun tatsächlich die vorhandenen Wassertümpel auf ihrem Grundstück aufzufüllen haben.

Die daraus resultierende Unvollziehbarkeit belastet den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 15. September 1987

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