VwGH 86/04/0219

VwGH86/04/021917.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janistyn, über die Beschwerde 1. des WF, 2. des Mag. FE und 3. der ME, alle in E, alle vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 26. August 1986, Zl. 309.468/3-III-3/86, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: N-Aktiengesellschaft in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §60;
GewO 1973 §359 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
GewO 1973 §359 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.050,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mit 15. Juli 1985 datierte Erledigung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Zl. Ge-7.704/1-1985/Schi/Kö, weist folgenden, im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Inhalt auf:

"B e s c h e i d

Die N-Warenhandels AG., W, hat um die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für das im Gegenstand näher bezeichnete Vorhaben ersucht. Auf Grund des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der mündlichen Verhandlung, ergeht folgender

S p r u c h

I. 1.) Dem Ansuchen wird Folge gegeben und gemäß §§ 74 ff GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974, und des § 27 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, die beantragte Genehmigung erteilt.

Die Genehmigung erfolgt nach Maßgabe der bei der mündlichen Verhandlung vorgelegenen Projektsunterlagen, der in der mitfolgenden Verhandlungsschrift enthaltenen Beschreibung der Betriebsanlage und unter den in den Punkten B) 1. - 20. im Gutachten des techn. Amtssachverständigen in der Niederschrift angeführten Auflagen.

Weiters sind auf Grund der Antragstellung des Arbeitsinspektorates noch folgende Vorschreibungen einzuhalten:

.......

II. Die Einwendungen des Nachbarn Herrn Mag. FE, der Frau EM sowie des Herrn WF (Blg. 1 zur Verhandlungsschrift) werden als unbegründet abgewiesen.

2.) Die mitfolgende Verhandlungsschrift vom 14. u. 15. 5. 1985 bildet einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides.

III. ....."

Zur Begründung wurde "zu I." ausgeführt, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn, der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchten, oder des Eigentums oder der sonstigen dinglichen Rechte der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 ausgeschlossen sei, und dass Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1973 auf einem zumutbaren Ausmaß beschränkt blieben. Weiters wurde "zu II." dargelegt, die Einwendungen hätten unzumutbare Lärmbeeinträchtigung zur Nachtzeit bei Anlieferung von Molkereiprodukten und bei Benützung des Parkplatzes künftig auch durch Gastlokalbesucher zum Gegenstand. Weiters sei Belästigung durch Abgase der Fahrzeuge der Parkplatzbenützer sowie eine zu gering bemessene Anzahl von Parkplätzen vorgebracht worden und schließlich noch eine Lärmbelästigung durch den Umbau des Gastlokalzuganges. Bei Beurteilung der Lärmsituation sei im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1973 auf die örtlichen Verhältnisse sowie auf die rechtswirksame Flächenwidmung Bedacht genommen worden, die für das hier in Betracht kommende Gebiet Kerngebiet ausweise. Im Kerngebiet sei die Grenze der Zumutbarkeit eines Lärmereignisses nach den vom österreichischen Arbeitskreis für Lärmbekämpfung ausgearbeiteten Richtlinien (ÖAL-Richtlinie) mit 50 dB unter tags anzusetzen. Zur Beurteilung der örtlichen Verhältnisse sei der Behörde eine vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung im Jahre 1980 durchgeführte Lärmmessung zur Verfügung gestanden. Diese habe in der Tageszeit einen energieäquivalenten Dauerschallpegel von 72 bis 73 dB ergeben. Während der Tageszeit werde der Verkehrslärm der vorbeiführenden Bundesstraße wesentlich über dem Lärmpegel des ruhenden Verkehrs der Parkplätze liegen und somit eine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung ausgeschlossen sein. Hingegen werde zur Nachtzeit, wenn die neu hinzukommenden Parkplätze auch von den Gastlokalbesuchern benützt würden, dies zu einer Anhebung des Grundgeräuschpegels zur Nachtzeit bis zu 10 dB zur Folge haben. Entsprechend den ÖAL-Richtlinien sei der Grundgeräuschpegel zur Nachtzeit mit 40 dB anzunehmen und die Grenze der Zumutbarkeit einer Lärmstörung erreicht, wenn der Grundgeräuschpegel um 10 dB überschritten werde. Nach den Feststellungen im Befund und Gutachten des Amtssachverständigen in der Verhandlungsschrift vom

14. und 15. Mai 1985 würde im ungünstigsten Fall, wenn also alle 17 Parkplatzbenützer zur gleichen Zeit wegführen, mit Rücksicht auf die Entfernung zu den benachbarten Liegenschaften dort ein Immissionspegel von 50 dB auftreten und somit bereits die Grenze der Zumutbarkeit einer Lärmstörung erreicht sein. Diese rechnerische Ermittlung des Immissionspegels berücksichtige aber noch nicht, dass abweichend vom Projekt statt eines offenen Geländes nunmehr eine Abgrenzung des Parkplatzes zu den Nachbarn hin durch eine Massivwand vorzusehen sei. Diese gewährleiste eine ausreichende lärmmäßige Abschirmung, vor allem der Einzelereignisse des Startens von Kraftfahrzeugen in den Nachtstunden. Somit liege das Gutachten des Amtssachverständigen, was die Erreichung der Grenze der Zumutbarkeit betreffe, durchaus "auf der sicheren Seite". Die Anlieferung von Waren solle in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr erfolgen. Lediglich Molkereiprodukte sollten auch zur Nachtzeit angeliefert werden. Die Anlieferung bzw. Übernahme der Molkereiprodukte erfolge jedoch in größerer Entfernung von den Nachbarn. Auf das Gutachten des Amtssachverständigen auf Seite 24 der beiliegenden Verhandlungsschrift werde hingewiesen. Der neue Zugang zum Obergeschoß des bestehenden Gastlokales sei durch zwei Türen lärmmäßig abgeschlossen. Die entsprechende Erhaltung dieser Türen als selbstschließend werde von der Gewerbebehörde dem Gastlokalinhaber vorgeschrieben werden. Zu der vom Nachbarn F. beantragten Verlegung der Zu- und Abfahrt auf die Bundesstraße 1 werde auf die Stellungnahme des Vertreters der Bundesstraßenverwaltung hingewiesen, in der durchaus schlüssig dargetan werde, dass eine derartige Projektsänderung eine auch von der Gewerbebehörde abzulehnende Beeinträchtigung der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der stark frequentierten Bundesstraße nach sich ziehen würde. Die Anzahl der Parkplätze entspreche den Bestimmungen der oberösterreichischen Stellplatzverordnung und es habe für die Gewerbebehörde keine begründete Veranlassung bestanden, über eine geltende Norm hinausgehend eine größere Anzahl von Parkplätzen vorzuschreiben, deren Situierung im Freien auch eine entsprechende Durchlüftung gewährleiste, sodass die durch die Lage im Kerngebiet mit starkem Verkehrsaufkommen vorgelegene Belastung keine Verschlechterung durch Abgase der Fahrzeuge der Parkplatzbenützer erfahre.

Dagegen erhobene Berufungen u.a. auch der nunmehrigen Beschwerdeführer wurden mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Jänner 1986 "im Grunde des § 77 GewO 1973" als unbegründet abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid mit der Änderung bestätigt, dass gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 der Betrieb der Anlage einer gesonderten Bewilligung bedürfe.

Auch den gegen diesen Bescheid u.a. von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen gab der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie mit Bescheid vom 26. August 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in den aus den Bestimmungen des gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens ergebenden Nachbarrechten als verletzt. Sie machen hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen geltend, die belangte Behörde sei der ihr gemäß § 60 AVG 1950 obliegenden Begründungspflicht in keiner Weise ausreichend nachgekommen und habe außerdem die erforderlichen Feststellungen zu den sich aus der Betriebsanlage ergebenden Auswirkungen unterlassen bzw. sei im Ergebnis von einer Beweispflicht der Nachbarn ausgegangen. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wird u. a. vorgebracht, den Auswirkungen des geplanten Parkplatzes seien sowohl die Benützung durch Kunden der in Rede stehenden Betriebsanlage aber auch durch andere Personen zu Grunde zu legen, wenn eine Benützung im besonderen durch Gasthaus- und Diskothekenbesucher dieses Parkplatzes nicht auszuschließen sei. Im übrigen enthält die Beschwerde im einzelnen Darlegungen zu den nach Ansicht der Beschwerdeführer bei der Beurteilung der Geräuschimmissionen anzuwendenden Grundsätzen.

Der Beschwerde kommt schon aus nachstehenden Erwägungen Berechtigung zu:

Gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG 1950 hat der Spruch (eines Bescheides) die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Nach § 60 leg. cit. sind in der Begründung (des Bescheides) die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Die belangte Behörde hielt im vorliegenden Fall den Spruch des erstbehördlichen Bescheides vom 15. Juli 1985 - unter Berücksichtigung der dargestellten Ergänzungen und Änderungen durch den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Jänner 1986 - zur Gänze aufrecht und machte sich diesen im angeführten Umfang somit in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1950 zu Eigen. Eine diesem Spruch anhaftende Rechtswidrigkeit trifft daher im übernommenen Umfang auch auf den angefochtenen Bescheid zu.

Daraus ergibt sich aber, dass schon in Ansehung der vorgeschriebenen Auflagen die Verweisung auf die im Verhandlungsprotokoll enthaltenen Darlegungen im Sachverständigengutachten nicht als entsprechend der Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG 1950 angesehen werden kann, da es sich hiebei insbesondere weder um die im § 359 Abs. 2 GewO 1973 angeführten, gemäß § 353 leg.cit. die Grundlagen für den Genehmigungsantrag bildenden Unterlagen handelt, noch auch sich etwa aus dem Verwaltungsverfahren ein an Hand der Anordnung des § 59 Abs. 1 AVG 1950 zu messendes Erfordernis für eine derartige Spruchfassung ergab. In diesem Zusammenhang ist weiters insbesondere darauf hinzuweisen, dass auch nach der ausdrücklichen Anordnung des § 359 Abs. 1 GewO 1973 allenfalls erforderliche Auflagen im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid anzuführen sind. Des weiteren wurde im dargestellten Spruch des - von der belangten Behörde übernommenen - erstbehördlichen Bescheides in einer nicht der erforderlichen Deutlichkeit entsprechenden Weise auf die bei der "mündlichen Verhandlung vorgelegenen Projektsunterlagen" sowie auf die in der "mitfolgenden Verhandlungsschrift enthaltenen Beschreibung der Betriebsanlage" verwiesen. Schon mangels eindeutiger Abgrenzbarkeit dieses Abspruches - so weist insbesondere der in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 1985 erstattete Befund des technischen Sachverständigen neben die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei beschreibenden Elementen auch Sachverständigenaussagen in Ansehung von bei der Lärmimmission zu berücksichtigenden Umständen auf und ferner auch den abschließenden Hinweis, dass bezüglich weiterer Einzelheiten auf die Pläne und Beschreibungen der Baubetrieb Ing. W-Ges.m.b.H., W, und auf die Beschreibung der Kühlanlagen, erstellt von der "Firma" L, verwiesen werde - fehlt, auch in dieser Hinsicht der Spruchfassung des angefochtenen Bescheides die erforderliche Klarheit (vgl. zur Darlegung hinsichtlich der Sprucherfordernisse u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1986, Zl. 86/04/0007, und die dort bezogene hg. Rechtsprechung). In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass eine eindeutige Feststellung in Ansehung des vom Abspruch betroffenen Antrages der mitbeteiligten Partei schon in der Hinsicht fehlt, als in der in der Einleitung des erstbehördlichen Bescheides verwiesenen Gegenstandsbezeichnung des in Rede stehenden Betriebsanlagenvorhabens zum Teil andere hievon betroffene Grundstücksnummern aufscheinen als in der im Bescheid bezogenen "Betriebsbeschreibung" laut den Einleitungsdarstellungen des vorbezeichneten "Befundes" des gewerbetechnischen Sachverständigen.

Schon auf Grund dieser Erwägungen erweist sich daher der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Dieser war daher, ohne dass es einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen bedurfte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Für das fortgesetzte Verfahren sei jedoch noch darauf hingewiesen, dass vorerst zu klären sein wird, inwiefern dem beschwerdegegenständlichen Verwaltungsverfahren überhaupt ein Ansuchen um "gewerbebehördliche Genehmigung" zu Grunde liegt, da das im Verwaltungsakt unter "Aktenblatt 1" erliegende "Ansuchen vom 8. 3. 1985" ungeachtet seiner Bezeichnung im vorgelegten Aktenverzeichnis als "Ansuchen um gewerbebehördliche Genehmigung vom 8. 3. 1985" seinem Inhalt nach ausschließlich den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 43 O.Ö. Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, betrifft (vgl. hiezu im übrigen die zum Teil von den vorstehenden Darstellungen abweichende Bezeichnung der vom Vorhaben betroffenen Grundstücke).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243; die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.

Wien, am 17. März 1987

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