AVG §42 Abs1;
AVG §47 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
AVG §14 Abs4;
AVG §42 Abs1;
AVG §47 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
Spruch:
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer, Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Mag. Gehart, über die Beschwerde des Dr. P und der Dr. JS in A, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, Riemerplatz 4, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt St. Pölten vom 15. Juli 1986, Zl. 037/4/Dr. Ka./Schr, betreffend Einwendungen gegen Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: E und S P in A, H-straße Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Stadt St. Pölten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Stadt St. Pölten vom 15. Juli 1986 wurde den Mitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung für die "Durchführung eines Um-, Zu- und Stockaufbaues mit Garage beim Hause KNr. nn0, auf der Baufläche Nr. nn1 und dem Grundstück Nr. nnn/7" des Grundbuches über die Kat. Gem. B (A, H-straße n) erteilt. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer "hinsichtlich ihrer Einwendungen - Beeinträchtigung der Wohnqualität, finanziellen Aufwand durch bauliche Maßnahmen, Entwertung des Objektes und somit Entwertung der Liegenschaft, Haftung für eventuelle Schäden am Objekt und am Garten ..., Ersuchen auf Umplanung des Vorhabens und Übernahme der Kosten durch die Bauwerber" gemäß § 99 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976, auf den Rechtweg verwiesen. " Der Einwand bzw. der Antrag, dass das Bauvorhaben erst begonnen werden darf, wenn eine unwiderrufliche Zustimmungserklärung zum Einbau von Lichtkuppeln im Flachdach bzw. eine behördliche Bewilligung hiefür vorliegt", wurde "als unzulässig zurückgewiesen".
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 42 Abs. 1 und 2 AVG 1950 lautet:
"(1) Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen im Lande bestimmten Zeitung bekannt gemacht, so hat dies zur Folge, dass Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden und die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gestand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden.
(2) Im Falle einer nur durch Verständigung der Beteiligten anberaumten Verhandlung erstreckt sich die im Abs. 1 bezeichnete Rechtsfolge bloß auf die Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."
Ein Anrainer, der im erstinstanzlichen Verfahren zur mündlichen Verhandlung zwar erschienen ist, dort aber keine oder keine dem Gesetz entsprechende Einwendung erhoben hat, ist zufolge der in der zitierten Bestimmung zum Ausdruck kommenden unwiderleglichen Rechtsvermutung als dem Vorhaben zustimmend anzusehen. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Rechtsverletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent. Eine Einwendung ist sohin, allgemein formuliert, ihrer begrifflichen Bestimmung nach ein Vorbringen einer Partei des Verfahrens, welches seinem Inhalt nach behauptet, das Vorhaben des Bauwerbers entspricht entweder zur Gänze oder hinsichtlich eines Teiles nicht den Bestimmungen der Rechtsordnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1985, Zl. 85/05/0044, Baurechts-Slg. Nr. 581, und die darin zitierte hg. Vorjudikatur).
Wie der Verwaltungsgerichtshof ferner in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1964, Slg. N. F. Nr. 6246/A, und vom 10. Jänner 1979, Zl. 1813/76) dargetan hat, ist die Rechtsfolge des § 42 Abs. 1 AVG 1950 (Präklusion) nicht nur von den Baubehörden aller Instanzen, sondern auch von der Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren und sogar vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten, sodass nur jene Einwendungen des Nachbarn berücksichtigt werden können, die bis zum Abschluss der Bauverhandlung vorgebracht worden sind.
Die Beschwerdeführer haben bei der im Gegenstande abgehaltenen Bauverhandlung, zu welcher sie unter Androhung der Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG 1950 ordnungsgemäß geladen worden sind, entsprechend der bei dieser Gelegenheit aufgenommenen Niederschrift wörtlich nachstehende Erklärung abgegeben:
"Wir erheben zum gegenständlichen Bauprojekt als Ganzes Einspruch. Durch den Verschluss der Glasbausteine (Belichtungsflächen) ist unsere Wohnqualität wesentlich beeinträchtigt. Die Behebung dieser Mängel erfordert einen großen baulichen und finanziellen Aufwand und führt die Baumaßnahme zu einer Entwertung des Objektes und somit zur Entwertung unserer Liegenschaft.
Gleichzeitig wird das höfliche Ersuchen an die Bauwerber gestellt, unverzüglich mit uns Kontakt aufzunehmen, um eine einvernehmliche Lösung durch Umplanung des Vorhabens zu suchen. Sollten die Bauwerber zu dem vorgeschlagenen Gespräch und zu der verlangten Umplanung., somit zu einer Kompromisslösung grundsätzlich nicht bereit sein, beantragen wir die Verschließung der Glasbausteinflächen, fugen- und öffnungslos ohne Hohlräume, anschließend an die Glasbausteine von der Seite der Bauwerber her, in dauerhafter haltbarer Form und weißer Ausführung. Diese baulichen Maßnahmen haben ausschließlich auf Kosten der Bauwerber zu gehen.
Gleichzeitig wird die zwingende Forderung erhoben, die Firsthöhe des neuen Daches mit der Flachdachoberkante unseres Gebäudes höhenmäßig vollkommen gleichzuhalten. Sollte dies aus technischen Gründen nicht möglich sein, würden wir uns auch mit einer geringfügigen Erhöhung von höchstens 50 cm bereit erklären.
Die Gestaltung der das Flachdach überragenden Feuermauer hat in weißem Edelputz zu erfolgen und ist in einem Zuge, unverzüglich durchzuführen.
Wir beantragen die Ausbildung einer Dehnfuge, mind. 1 cm stark von Fundament bis zur Oberkante der Obergeschoßdecke, in der ganzen Anbaulänge des Hauses Dr. S. Der Dehnfugenabschluss vertikal hat mittels Dehnfugenleiste zwischen Mauerwerk P - Dr. S zu erfolgen bzw. ist eine Verblechung (Abdeckung) der Dehnfuge im Attikabereich herzustellen. Gleichzeitig verlangen wir, dass die Rauchfänge im Traufenbereich entsprechend der Bestimmungen der NÖ Bauordnung ordnungsgemäß so erhöht werden, dass auch nach Fertigstellung des Vorhabens und Erhöhung der Rauchfänge die derzeitigen guten Zugverhältnisse gewährleistet sind.
Gleichzeitig wird von uns festgestellt, dass wir unser Wohnhaus vor allem innen ordnungsgemäß saniert haben. Sollten sich im Zuge der Bauausführung oder nach Baufertigstellung Risse oder andere Schäden zeigen, werden wir uns diesbezüglich bei den Bauwerbern schadlos halten.
Die Bauwerber haben jedoch bereits zur Kenntnis zu nehmen, dass sie für alle Schäden an unserem Objekt oder unserem Garten, sollten sie nachweislich durch unsachgemäße Bauausführung entstehen, voll haften.
Abschließend bringen wir nochmals zum Ausdruck, dass sämtliche oben aufgezählte Arbeiten auf Kosten der Bauwerber zu gehen haben.
Wir beantragen, dass das Protokoll dieser Bauverhandlung erst Gültigkeit erlangt bzw. mit der Ausführung des beantragten Projektes erst begonnen werden darf, sobald
a) sowohl die Bauwerber als auch die Liegenschaftseigentümer, Hstraße n, unwiderruflich ihre Zustimmung erklärt haben, dass sie alle baulichen Maßnahmen, insbesonders dem Einbau der Lichtkuppeln auf dem Flachdach der Anrainer Dr. S zustimmen und den Entfall der natürlichen Belichtung zumindest weitgehendst zu kompensieren, dies auch unmittelbar im Bereich der Grundgrenze,
b) sobald die erforderliche baubehördeliche Bewilligung für diese Arbeiten vorliegt."
Dem in der Berufungsschrift gestellten Antrag der Beschwerdeführer auf Berichtigung dieser Niederschrift hat die belangte Behörde mit Recht nicht entsprochen, weil die Verhandlungsschrift den Formvorschriften des § 14 AVG 1950 entspricht, also insbesondere die Namen der Beschwerdeführer als anwesende Beteiligte enthält (vgl. Abs. 2 lit. b dieser Gesetzesstelle) und durch Beisetzung der eigenhändigen Unterschrift der Beschwerdeführer bestätigt worden ist (siehe Abs. 3 dieser Bestimmung), weshalb sie als öffentliche Urkunde vollen Beweis über ihren Inhalt macht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Oktober 1955, Zl. 2320/54, und vom 28. Jänner 1970, Zl. 281/69). Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Beschwerdeführer die vorstehend wiedergegebene Erklärung entsprechend einem im Akt erliegenden Bericht der Abteilung Bauverwaltung - Baupolizei vom 8. Juli 1986 "(aus einem Konzept) mündlich abgegeben" haben, weshalb die im genannten Berichtigungsantrag erwähnte Kopie einer schriftlichen Erklärung nicht zum Beweis dafür herangezogen werden kann, dass sich die protokollierte Erklärung der Beschwerdeführer nicht mit deren mündlichem Vorbringen bei der Verhandlung deckt. Im übrigen hätten die Beschwerdeführer die Verhandlungsschrift wohl nicht eigenhändig unterfertigt, wenn bestimmte, von ihnen bei der Verhandlung abgegebene relevante Erklärungen überhaupt nicht oder nur unvollständig protokolliert worden wären.
Unter Bedachtnahme auf den für die Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes maßgebenden, auf die Frage der Bebauungsweise eingeschränkten Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) ist zu untersuchen, ob die Beschwerdeführer in dieser Hinsicht bei der erwähnten Bauverhandlung ein Vorbringen erstattet haben, welches den schon ausgeführten rechtlichen Kriterien einer Einwendung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG 1950 Rechnung trägt.
Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Beschwerdeführer bei dieser Verhandlung nicht geltend gemacht haben, dadurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten im Sinne des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 verletzt zu werden, dass für das Bauvorhaben der Mitbeteiligten die geschlossene Bauweise geplant ist, zumal sie sich lediglich mit dem Hinweis auf eine Verminderung der Wohnqualität gegen "den Verschluss der Glasbausteine" ausgesprochen und die Auffassung vertreten haben, dass die Behebung "dieser Mängel" einen großen Aufwand erfordere und "die Baumaßnahme zu einer Entwertung des Objektes und somit zur Entwertung unserer Liegenschaft" führe. Diese Einwendungen sind von den Baubehörden zutreffend als privatrechtliche gemäß § 99 Abs. 4 der NÖ Bauordnung 1976 auf den Rechtsweg verwiesen worden, weil sich aus § 118 Abs. 9 leg. cit. kein subjektiv-öffentlicher Anspruch des Anrainers darauf ableiten lässt, dass sich durch ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück keine Verminderung der Wohnqualität des Anrainers ergeben darf (vgl. in diesem Sinne das zur OÖ Bauordnung 1976 ergangene hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1986, Zl. 85/05/0157), und auch die von den Beschwerdeführern befürchtete Entwertung ihres Hauses und ihrer Liegenschaft als eine privatrechtliche Einwendung im baurechtlichen Verfahren irrelevant ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1985, Zl. 85/05/0138, Baurechts-Slg. Nr. 582). Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob und inwieweit den übrigen von den Beschwerdeführern bei der Bauverhandlung abgegebenen Erklärungen die Behauptung entnommen werden kann, dass das Bauvorhaben der Mitbeteiligten zur Gänze oder teilweise jenen baurechtlichen Bestimmungen widerspreche, durch welche subjektivöffentliche Anrainerrechte der Beschwerdeführer verletzt werden. In Bezug auf die den Gegenstand des Beschwerdepunktes bildende Frage der Bebauungsweise ist jedenfalls Präklusion eingetreten, sodass der Gerichtshof an einer Erörterung der diese Frage gewidmeten Beschwerdegründe gehindert ist. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides käme daher auch dann nicht in Frage, wenn die belangte Behörde die in Hinsicht auf die bewilligte Bebauungsweise zu lösenden Rechtsfragen unrichtig beurteilt oder im Zusammenhang damit Verfahrensvorschriften verletzt hätte.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am 9. Dezember 1986
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