VwGH 86/05/0028

VwGH86/05/002816.12.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gehart, über die Beschwerde des J L in W, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwalt in Wien III, Ungargasse 58, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. Jänner 1986, Zl. II/2-V-85128, betreffend einen Abtragungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Mannersdorf am Leithagebirge, vertreten durch den Bürgermeister), nach durchgeführter Verhandlung und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltsanwärter Dr. Marco Iglitsch und des Vertreters der belangten Behörde, Regierungskommissär Dr. M W, sowie des Vertreters der mitbeteiligten Marktgemeinde, Bürgermeister J S, zu Recht erkannt:

  

Normen

BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §2 Z5;
BauO NÖ 1976 §85;
BauO NÖ 1976 §89;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z3;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §15;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §2 Z5;
BauO NÖ 1976 §85;
BauO NÖ 1976 §89;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z3;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §15;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als er sich auf die Grundstückseinfriedung bezieht. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 21.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

  

Begründung

Mit Bescheid vom 11. April 1985 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung den baupolizeilichen Auftrag, die von diesem auf dem im Eigentum der M L stehenden Grundstück mit deren Zustimmung errichteten zwei Holzgebäude, die zum Einstellen von Pferden bzw. zur Stroh- und Futtermittellagerung verwendet würden, und die gegen die Straße errichtete Grundstückseinfriedung bis 31. Juli 1985 zu entfernen, da diese konsenslos errichteten Bauten nach dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan mit der Nutzungsart Bauland-Wohngebiet in Widerspruch stünden. In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß es sich bei den Holzgebäuden nur um Nebengebäude für landwirtschaftliche Nutzung und nur vorübergehenden Bestandes handle, überdies die Gebäude nicht fest mit dem Boden verankert seien; die Einfriedung zur Straße hin stelle einen Wildzaun dar.

Mit Bescheid vom 27. Juni 1985 änderte der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den erstinstanzlichen Bescheid insofern ab, als die Frist zur Entfernung der Baulichkeiten bis 31. Oktober 1985 verlängert wurde. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen; zum Zaun wurde überdies noch ausgeführt, daß durch Art und Ausführung der Einfriedung auch das Orts- und Landschaftsbild gestört werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Vornahme eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines bautechnischen Amtssachverständigen ab. Festgestellt wurde, daß es sich bei den strittigen Baulichkeiten um zwei ebenerdige Holzbauten mit einem Ausmaß von 3 m x 4 m bzw. 4 m x 4 m handle, wobei das kleinere Gebäude als Werkzeughütte bzw. Futterlager und das größere für die Einstellung von Pferden Verwendung finde. In der örtlich abgrenzbaren Umgebung des Grundstückes befänden sich keine landwirtschaftlichen Betriebe, das unmittelbar angrenzende Gebäude der Mutter des Beschwerdeführers diene Wohnzwecken. Der Einfriedungszaun zur Straße sei zirka 1,90 bis 2 m hoch, bestehe aus Holzrahmenelementen mit einer Füllung aus Stahlgitter und diene offensichtlich der Begrenzung des Bewegungsraumes des eingestellten Pferdes. Ein derartiger Zaun existiere in der näheren und weiteren Umgebung im Ortsgebiet der mitbeteiligten Gemeinde nicht. Der Beschwerdeführer habe bei der Vorstellungsverhandlung lediglich ausgeführt, daß die strittigen Baulichkeiten einschließlich des Zaunes von ihm mit Zustimmung der Grundeigentümerin errichtet worden seien und daß in der mitbeteiligten Gemeinde auch andere ähnliche Holzhütten stünden. Er habe die Absicht, für seine Pferde einen Einstellplatz zu finden, die Einfriedung zur Straße hin solle jedoch bestehen bleiben, zumal der Beschwerdeführer beabsichtige, einen Hund zu halten.

Im vorliegenden Fall sei es unerheblich, ob die beiden Holzhütten als Gebäude oder als Bauwerk oder als sonstige bauliche Anlagen zu qualifizieren seien, da § 113 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung die Baubehörde verpflichte, für den Abbruch jedweder ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Baulichkeit, für die auch nachträglich keine Baubewilligung erteilt werden könne, zu sorgen. Als bauliche Anlage werde jede Anlage verstanden, zu deren Herstellung ein gewisses Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei und die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sei, die öffentlichen Interessen zu berühren. Eine feste Verbindung mit dem Boden sei gemäß § 92 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung nicht Voraussetzung für die Bewilligungspflicht einer Baulichkeit. Daraus sowie aus den bei der Verhandlung getroffenen Feststellungen sei abzuleiten, daß sowohl die beiden in Rede stehenden Holzhütten als auch der Einfriedungszaun zur Straße als baubehördlich bewilligungspflichtige Baulichkeiten zu beurteilen seien. Eine baubehördliche Bewilligung existiere aber unbestrittenermaßen weder für die Holzhütten noch für die Einfriedung. In der Umgebung des Grundstückes befänden sich ausschließlich Einfamilienhäuser. Der nächstgelegene landwirtschaftliche Betrieb liege in einer Entfernung von rund 250 m im Bauland-Agrargebiet. Rückfragen hätten ergeben, daß im Bauland-Wohngebiet, innerhalb dessen das vorliegende Grundstück liege, bisher keine Großtierhaltung üblich gewesen sei. Im Bauland-Wohngebiet, wo bisher die Haltung von Großtieren nicht üblich gewesen sei, müsse kein Nachbar mit Gerüchen, Geräuschen und Fliegen, die bei einer Großtierhaltung unvermeidbar seien, rechnen, daher sei dort die Haltung von Großtieren auch einzeln und als Hobby nicht zulässig. Die Errichtung von Holzgebäuden zur Pferdehaltung und zur Lagerung von Futtermitteln im vorliegenden Standort sei mit dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde nicht in Einklang zu bringen. Die Einfriedung stehe insofern in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Pferdehaltung, als dieser Zaun nach seiner Art, Größe und Ausführung vorwiegend dazu diene, das derzeit auf dieser Liegenschaft befindliche Pferd am Verlassen des Grundstückes zu hindern. Aus diesem Grund bilde der Zaun mit den Holzhütten zur Pferdeeinstellung bzw. zur Futter- und Strohlagerung eine Einheit. Unabhängig davon erweise sich dieser Zaun wegen seines in der Umgebung einzigartigen Aussehens als ein das Ortsbild störendes Element. Die Unterlassung eines Beweisverfahrens in dieser Hinsicht sei zwar ein Fehler der Berufungsbehörde gewesen, doch hätte dessen Vermeidung keine im Spruch anders lautende Entscheidung der Berufungsbehörde herbeiführen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Nach dem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, die Gebäude und den Zaun nicht entfernen zu müssen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung erwogen:

Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung hat die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für diese keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und eine solche auch im Fall der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte. Soweit der Beschwerdeführer in Zweifel zieht, daß die festgestellten Holzhütten als Gebäude anzusehen seien, weil es sich nicht um gemauerte Aufbauten handle, die zu Wohn- oder Arbeitszwecken dienten, verkennt er das Wesen des Begriffes "Gebäude", bei dem es sich um jegliche bauliche Konstruktion zur Herstellung eines abgeschlossenen Raumes handelt, ohne daß jeweils im einzelnen die Frage geprüft werden muß, inwieweit für die Herstellung ein gewisses Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist oder nicht; auch eine bloße Holzhütte unterliegt der Bewilligungspflicht als Gebäude (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1985, Zl. 85/05/0078, BaurechtsSlg. Nr. 494). Gebäude, die von Menschen betreten werden können, erfordern nämlich stets gewisse bautechnische Kenntnisse. Damit ergibt sich die Bewilligungspflicht für die Hütten, selbst wenn sie transportabel wären (nach § 92 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung ist die Verbindung mit dem Boden nicht erforderlich), bereits nach § 92 Abs. 1 Z. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung. Ein Pferdestall und die dazu gehörige Futterhütte, die unbestritten der landwirtschaftlichen Nutzung dienen, widersprechen aber jedenfalls der gegebenen Widmung Bauland-Wohngebiet; entgegen der Ansicht der belangten Behörde kommt es dann auf die Üblichkeit der Haltung von Großtieren bei dieser Widmung ebenso wenig an wie auf das Ausmaß der Emissionen. Da der Beschwerdeführer sich in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich als Eigentümer der betreffenden Objekte bezeichnete, ist diese Frage als nicht von einem Beschwerdepunkt erfaßt, der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen, so daß von der Passivlegitimation des Beschwerdeführers auszugehen ist. Da die belangte Behörde hinsichtlich der beiden Holzhütten also Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hat, war die Beschwerde in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Bewilligungspflicht des Zaunes ergibt sich gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung schon daraus, daß es sich dabei um die Herstellung einer Einfriedung gegen eine öffentliche Verkehrsfläche handelt, selbst wenn dieser Zaun um einen Meter gegenüber der Straßenfluchtlinie zurückgesetzt wurde. Zur Frage der Bewilligungsfähigkeit ist die belangte Behörde einerseits der Ansicht der Gemeindebehörden gefolgt, daß der Zaun im Zusammenhang mit der Pferdehaltung stehe und daher widmungswidrig sei. Eine Grundstückseinfriedung kann jedoch nicht widmungswidrig sein, weil sie an sich keiner bestimmten Widmung entspricht. Mit der gegenteiligen Rechtsansicht hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Wohl hat die belangte Behörde die mangelnde Bewilligungsfähigkeit der Einfriedung auch auf die Störung des Ortsbildes gestützt, was, träfe dies zu, einen Versagungsgrund bildete. In diesem Punkt ist das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen aber allzu dürftig. Insbesondere stellt der Umstand, daß ein gleichartiger Zaun in der Umgebung nicht vorhanden ist, keineswegs schon eine Störung des Ortsbildes dar:

Kann sich doch ein Objekt von der Umgebung auch dadurch abheben, daß es besonders schön ist. Hier mangelt es dem Sachverständigengutachten an einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung, warum das Abstechen von den übrigen Zäunen eine Störung, also eine nachteilige Beeinflussung des Ortsbildes, herbeizuführen geeignet wäre, zumal die vom Vertreter der mitbeteiligten Gemeinde bei der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos eher einen gegenteiligen Eindruck vermitteln. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand kann daher von einer mangelnden Bewilligungsfähigkeit der Grundstückseinfriedung, die gemäß § 113 Abs. 2 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung Voraussetzung für einen Abtragungsauftrag bildet, nicht ausgegangen werden. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid in diesem Punkt mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, so daß dieser Teil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Angesichts der Erledigung der Beschwerde selbst erübrigt es sich, über den Antrag auf Gewährung aufschiebender Wirkung gesondert abzusprechen.

Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Stempel waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen und Fahrtkosten innerhalb Wiens überhaupt nicht, da nur "Reisekosten" zu ersetzen sind und eine "Reise" ein Verlassen der Ortsgrenze voraussetzt.

Wien, am 16. Dezember 1986

  

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