Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom 16. Mai 1978 bis zur Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über das Vermögen der S-GesmbH am 2. Februar 1982 der alleinige Geschäftsführer dieser Gesellschaft und daher für die ordnungsgemäße Erfüllung der die juristische Person treffenden Pflichten verantwortlich.
Am 25. Jänner 1982 erstattete der Beschwerdeführer für die S-GesmbH eine Selbstanzeige, mit der zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuern in der Zeit seit 1977 in der Höhe von insgesamt S 2,168.436,-- einbekannt wurden. Es habe sich im Zuge eines Vorgespräches zur Erstellung des Jahresabschlusses 1980 herausgestellt, daß das Unternehmen nach § 6 Abs. 9 lit. a UStG 1972 der unechten Steuerbefreiung unterliege, da es sich ausschließlich mit der Errichtung und Lieferung von Eigentumswohnungen beschäftige. Auf Grund der unechten Steuerbefreiung habe aber auch der Vorsteuerabzug zu entfallen. Das Finanzamt Graz-Stadt verfügte hierauf die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer 1979 und setzte die Umsatzsteuer für die Jahre 1979 bis 1981 mit Bescheiden vom 20. und 22. September 1982 mit Null Schilling fest. Dadurch sind die gewährten Umsatzsteuergutschriften (die aus den geltend gemachten Vorsteuern resultierten) rückgängig gemacht worden. Die daraus resultierenden Umsatzsteuernachforderungen waren jedoch uneinbringlich, weil unmittelbar nach Erstattung der Selbstanzeige über das Vermögen der S-GesmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die Gesellschaft schließlich wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht worden ist.
Mit Haftungsbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 24. November 1982 wurde der Beschwerdeführer für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der S-GesmbH im Ausmaß von S 2,177.571,29 gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen.
In der vom Beschwerdeführer gegen diesen Haftungsbescheid erhobenen Berufung wendete er ein, es könne ihm ein schuldhaftes Verhalten nicht angelastet werden, weil er sogleich bei Übernahme der Geschäftsführung den Steuerberater Dr. R. mit der Eröffnung und Art der Führung der Buchhaltung beauftragt habe. Dieser habe auch in der Folge die erste Umsatzsteuererklärung für 1979 abgegeben. Das in der Folge beauftragte Büro B. habe in der gleichen Form die Umsatzsteuererklärung für 1980 erstellt. In diesen Erklärungen sei als Zweck des Unternehmens "Schaffung von Wohnungseigentum" angegeben gewesen. Daraus hätte die Steuerbehörde ableiten müssen, daß die Erklärungen falsch abgefaßt gewesen seien. Erst Ende 1981 habe der Steuerberater Dr. H. den Beschwerdeführer aufmerksam gemacht, daß die Umsatzsteuererklärungen unrichtig seien und habe ihm zu der Selbstanzeige geraten.
Nachdem das Finanzamt Graz-Stadt mit Berufungsvorentscheidung vom 23. März 1983 die Berufung als unbegründet abgewiesen hat, beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Berufung zur Entscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Bescheid vom 20. November 1984 gab die belangte Behörde der Berufung insofern teilweise Folge, als sie den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BAO nur mehr für die Hälfte der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der S-GesmbH im Ausmaß von S 1,068.230,-- in Anspruch nahm. In der Begründung ging die belangte Behörde zunächst darauf ein, warum der Beschwerdeführer in den Streitjahren 1979 und 1980 keinen Vorsteuerabzug geltend machen hätte dürfen. Aus der Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei erst durch den Steuerberater Dr. H. Ende des Jahres 1981 darauf aufmerksam gemacht worden, daß die bisherigen Umsatzsteuererklärungen unrichtig seien, leitete die belangte Behörde ab, der Beschwerdeführer habe damit nicht darlegen können, daß er an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei. Die belangte Behörde mache dem Beschwerdeführer - wie auch schon die Abgabenbehörde erster Instanz - zum Vorwurf, daß er sich mit der Vorsteuerabzugsmöglichkeit nicht auseinandergesetzt habe und im Falle von rechtlichen Zweifeln die Auskunft der Abgabenbehörde einholen hätte müssen. Immerhin habe es sich bei den zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuern um Beträge gehandelt, welche S 2 Mio. überstiegen hätten und überdies habe der Beschwerdeführer auch zu Unrecht über diese Beträge verfügt. Es genüge daher der Hinweis des Beschwerdeführers nicht, er sei erst im Jahre 1981 vom damaligen Steuerberater auf die Unrichtigkeit der Umsatzsteuererklärungen aufmerksam gemacht worden. Über grundsätzliche steuerliche Fragen sei ein in steuerlichen Angelegenheiten nicht bewanderter Vertreter wie der Beschwerdeführer verpflichtet, zur Vermeidung der Haftung sich bei einer geeigneten Stelle zu erkundigen. Unternehme aber der Geschäftsführer einer GesmbH nichts und warte jahrelang, bis ihn endlich ein steuerlicher Vertreter auf die Unzulässigkeit des Vorsteuerabzuges aufmerksam mache, dann habe er schuldhaft die Sorgfaltspflicht gegenüber "dem Fiskus" verletzt. Dagegen billigte die belangte Behörde dem weiteren Einwand des Beschwerdeführers, dem Finanzreferenten hätte auffallen müssen, daß die Umsatzsteuererklärungen falsch abgefaßt gewesen sind, insofern Berechtigung zu, daß die Abgabenbehörde auf Grund der Eingabe vom 19. März 1979, mit der der Verkauf der Objekte angezeigt worden sei, verpflichtet gewesen wäre, entsprechend dem Grundsatz der amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu erforschen. Diese Pflichtenverletzung der Abgabenbehörde erster Instanz im konkreten Fall begründe ein Mitverschulden der Abgabenbehörde an der Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuer 1979 bis 1981. Entsprechend der Bestimmung des § 1304 ABGB vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß das Verschulden des Beschwerdeführers und des Finanzamtes Graz-Stadt gleich schwer zu werten sei. Daher sei es zweckmäßig, den Beschwerdeführer entsprechend seinem Verschulden zur Haftung heranzuziehen und seine Haftung auf die Hälfte der beim Abgabenschuldner uneinbringlichen Abgaben zu beschränken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Wenngleich vom Beschwerdeführer der Beschwerdepunkt nicht konkret angeführt wird, ist dennoch den Beschwerdeausführungen in ihrem Zusammenhang mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt erachtet, bei dem gegebenen Sachverhalt nicht zur Haftung für die bei der in den Streitjahren von ihm vertretenen Abgabenschuldnerin uneinbringlich gewordenen Abgabenforderung gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BAO herangezogen zu werden.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach § 9 Abs. 1 leg. cit. haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Zur Frage der schuldhaften Verletzung der Geschäftsführerpflichten - die allein von der Beschwerde noch in Frage gestellt wird - führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, daß derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt, die Gründe darzutun hat, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seinen Pflichten schuldhafterweise nicht nachgekommen ist. Diese Rechtsmeinung ist nicht nur durch die von der belangten Behörde zitierte Vorschrift des § 1298 ABGB, sondern auch durch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1983, Zlen. 82/15/0162 ff). Aber auch hinsichtlich der vom Gesetz für die Inanspruchnahme der Haftung geforderten Schuldform hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß dadurch, daß § 9 Abs. 1 BAO ohne Einschränkung auf die Schuldhaftigkeit abstellt, besagte Gesetzesstelle jede Form des Verschuldens und damit auch die leichte Fahrlässigkeit erfaßt (siehe z.B. das Erkenntnis vom 29. Oktober 1980, Zl. 2220/78). Demnach darf der Vertreter einer juristischen Person bei Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtung keine geringere Sorgfalt beobachten, als bei Wahrnehmung seiner sonstigen Obliegenheiten. Diesen grundsätzlichen Auffassungen widerspricht der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in seinen Beschwerdeausführungen. Er versuchte vielmehr schon in seiner Berufung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen, daß ihn keine Schuld an der unrichtigen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges und damit an der Uneinbringlichkeit der fraglichen Abgaben treffe, und brachte dafür im wesentlichen vor, er selbst habe keine Kenntnis von der Unzulässigkeit des Vorsteuerabzuges gehabt und habe sich stets eines Steuerberaters bedient, weshalb er sich darauf verlassen habe können, daß der Steuerberater nur zulässige steuerliche Begünstigungen, wie im gegenständlichen Fall den Vorsteuerabzug, in Anspruch nehme. Es könne ihm daher auch keine Verletzung der Erkundigungspflicht zum Vorwurf gemacht werden. Diesen Standpunkt vermag der Gerichtshof nach der Lage des Beschwerdefalles jedoch nicht zu teilen:
Richtig ist zwar, daß sich der Beschwerdeführer während der Zeit, in der er alleiniger Geschäftsführer der S-GesmbH gewesen ist, für steuerliche Belange und somit auch für die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen eines Steuerberaters bedient hat. Daraus aber abzuleiten - wie es der Beschwerdeführer versucht -, daß ihn deshalb kein Verschulden an den unrichtig erstellten Umsatzsteuervoranmeldungen treffen kann, ist schon deshalb verfehlt, weil die Tatsache der Heranziehung eines Steuerberaters allein den Geschäftsführer eines Unternehmens nicht von seinen ihm in § 80 Abs. 1 BAO auferlegten Pflichten befreit. Auf Grund der ihn - wie bereits oben dargelegt - treffenden Beweispflicht hätte er daher seine Schuldlosigkeit an der unrichtigen Inanspruchnahme von Vorsteuern nur dadurch beweisen können, wenn es ihm gelungen wäre darzutun, daß die jeweiligen Steuerberater in Kenntnis des gesamten für die Beurteilung der Steuerpflicht maßgeblichen Sachverhaltes ihn fachlich dahin gehend belehrt hätten, daß er den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen könne. Etwas in diese Richtung Gehendes ist aber vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Hat er doch sogar noch in seiner Beschwerde wie auch schon im Abgabenverfahren behauptet, erst Ende des Jahres 1981 durch seinen damaligen Steuerberater Dr. H. auf den Fehler aufmerksam gemacht und zur Selbstanzeige veranlaßt worden zu sein. Schon allein diese Verantwortung schließt aber aus, daß der Beschwerdeführer sich jemals mit einem seiner Steuerberater darüber im einzelnen auseinandergesetzt hat, ob die von ihm vertretene Gesellschaft bei ihrem Unternehmenszweck berechtigt ist, Vorsteuerabzüge geltend zu machen. Denn hätte der Beschwerdeführer konkret schon mit dem bereits verstorbenen Dr. R. diese spezielle Frage besprochen, müßte ihm - wie bereits die belangte Behörde richtig erkannt hat - bei Abfassung der Umsatzsteuervoranmeldungen die vorsätzlich unrichtige Geltendmachung des Vorsteuerabzuges zum Vorwurf gemacht werden, weil er einerseits dann selbst erkennen hätte müssen, daß die von ihm unterfertigten Umsatzsteuervoranmeldungen nicht der Rechtslage entsprechen und andererseits nicht angenommen werden kann, daß der Steuerberater gegen seinen Willen und gesetzwidrig den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat. Dem Beschwerdeführer könnte somit - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt worden ist - nur dann keim Verschulden an der erwiesenermaßen unrichtigen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges angelastet werden, wenn er dartun hätte können, daß er ausschließlich durch eine unrichtige Rechtsbelehrung, die in voller Kenntnis des richtigen Sachverhaltes von einem Steuerberater erteilt worden ist, zu der Beanspruchung des Vorsteuerabzuges veranlaßt worden ist. Der Beschwerdeführer hat jedoch im gesamten Verfahren nicht einmal eine derartige Behauptung aufgestellt, geschweige denn den Beweis dafür erbracht. Der Beschwerdeführer ist vielmehr der irrigen Meinung, daß es für die Exkulpierung genügt, sich durch einen Steuerberater in steuerlichen Belangen schlechthin vertreten zu lassen. Wenn daher die belangte Behörde bei dem vorliegenden Sachverhalt dem Beschwerdeführer als Verschulden zum Vorwurf macht, speziell in der Frage des Vorsteuerabzuges sich nicht fachlich mit seinem Steuerberater beraten und abgesprochen zu haben, kann der Verwaltungsgerichtshof bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht finden, daß dem angefochtenen Bescheid eine Rechtswidrigkeit anhaftet. Da der Beschwerdeführer bei seinen umfangreichen Beschwerdeausführungen offenbar von der irrigen Rechtsansicht ausgeht, daß die bloße Übertragung der steuerlichen Belange auf einen Steuerberater jedwedes Verschulden gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BAO ausschließt, erübrigt sich jede weitere Erörterung derselben. Aber auch wenn sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellung der belangten Behörde wendet, daß er ständig einen neuen Steuerberater mit der Vertretung betraut habe, kann dies seiner Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil es einerseits Ansichtssache ist, ob man einen dreimaligen Machthaberwechsel innerhalb weniger Jahre als ungewöhnlich bezeichnet und andererseits von der belangten Behörde aus diesem Umstand für sich keine rechtliche Schlußfolgerung gezogen worden ist.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich noch ins Treffen führt, es könne ihm ein Verschulden an der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges auch deshalb nicht zur Last gelegt werden, weil der Behörde aus seinen Angaben über den Geschäftszweck (Schaffung von Eigentumswohnungen) und aus weiteren Bemerkungen in anderen Eingaben erkennbar gewesen sei, daß die errichteten Eigentumswohnungen zum Verkauf bestimmt gewesen wären, muß ihm entgegengehalten werden, daß - wie auch die belangte Behörde richtig erkannt hat - bei Inanspruchnahme der Haftung eines Geschäftsführers gemäß den §§ 9 in Verbindung mit 80 BAO die Frage, ob die Behörde allenfalls bei gehöriger Aufmerksamkeit die Folgen einer Pflichtverletzung eines Geschäftsführers verhindern hätte können, keine Rolle spielt. Da die belangte Behörde aber ohnedies ein Mitverschulden des Finanzamtes anerkannt und auch insofern berücksichtigt hat, als sie die Haftung des Beschwerdeführers auf die Hälfte der nicht einbringlich gewordenen Abgaben beschränkte - was vom Beschwerdeführer der Höhe nach nicht bekämpft wird -, muß das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ebenfalls ins Leere gehen.
Die sohin in allen Punkten unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Wien, am 9. Juni 1986
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